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Einfach treiben lassen

Manche Meeresschildkröten sind wahre Langstreckenschwimmer. Bis zu 3000 Kilometer liegen zwischen ihren Brutstätten und ihren Nahrungsgründen. Forscher des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung haben gemeinsam mit Kollegen aus Großbritannien und Australien einen Zusammenhang zwischen Meeresströmungen und dem Wanderungsverhalten der Schildkröten entdeckt. Erwachsene Tiere fressen häufig da, wo sie als Jungtiere von der Strömung hingetrieben worden sind. Die Studie ist jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Ecology erschienen.

Grundlage waren die Wanderungen von erwachsenen Meeresschildkröten, die dank Satellitenüberwachung recht gut erforscht sind. Erwachsene Exemplare mit Sendern auszustatten ist kein Problem, deshalb sind ihre Bewegungen in den Ozeanen einigermaßen bekannt, erklärt Dr. Scott.  Zweiter Ausgangspunkt waren die Oberflächenströmungen in den Meeren, über die ozeanograpische Messstationen und frei treibender Messbojen Daten liefern. Diese sind Grundlagen für Computermodelle, in denen ganze Ozeanbecken simuliert werden können. In ein solches Modell namens NEMO setzten die Wissenschaftler nun virtuelle, frisch geschlüpfte Schildkröten an den bekannten Brutstränden in den Ozean ein und verfolgten ihre Wege in den Strömungen. Da frisch geschlüpfte Tiere noch nicht über ausreichend Kraft verfügen, um gegen die Meeresströmungen anzuschwimmen, konnten wir sie im Modell als treibende Körper simulieren, erklärt Dr. Scott.

Anschließend verglichen sie und ihre Kollegen die vorhandenen Satellitendaten der erwachsenen Schildkröten mit den modellierten Driftrouten der Jungtiere. Dabei stellte sich heraus, dass erwachsene Individuen vornehmlich dort fressen, wohin sie als Jungtiere getrieben wurden. Aus diesen Daten schließen die Autoren, dass erwachsene Schildkröten nach jeder Eiablage zu den Nahrungsgründen zurückkehren, an denen sie schon als Jungtiere gute Futterbedingungen vorgefunden haben.
Die Wanderungen von Meeresschildkröten unterscheiden sich deutlich von denen anderer Tiere
Allerdings scheint es bei der Auswahl der Nahrungsgründe eine obere Grenze bezüglich der Distanz von Brut- zu Nahrungsgrund zu geben. Sind die beiden weiter als 3000 Kilometer voneinander entfernt, können erwachsene Schildkröten die Strecke nicht überbrücken. Die Energie, die sie beim Fressen aufnehmen, reicht einfach nicht für denn Hin- und Rückweg, erklärt die Biologin. Ist der Abstand also zu groß, suchen die Schildkröten ihre Nahrung in unmittelbarer Umgebung zu ihren Brutplätzen oder direkt im offenen Meer.

Das Wanderungsverhalten von Meeresschildkröten steht damit im Kontrast zu dem von anderen bekannten Tierarten. Von einigen Bartenwalen und Vögeln ist beispielsweise bekannt, dass sie ihren Müttern oder erfahreneren Artgenossen auf ihren Reisen folgen und so ein soziales Lernverhalten aufweisen. Manchen Vogel- und auch Insektenarten, hingegen, sind Migrationsmuster angeboren. Obwohl bekannt ist, dass die Meeresströmung einen großen Einfluss auf die Verteilung von treibenden Kleinstlebewesen hat, ist diese Studie die erste, die zeigen kann, dass auch aktiv schwimmende Tiere in ihrer weitreichenden Wanderung direkt durch die Ozeanströmung beeinflusst werden. Die Ergebnisse dieser Studie können helfen, die Auswahl der Lebensräume der vielfach bedrohten Schildkrötenarten besser zu verstehen und dadurch zu ihrem Schutz beitragen, betont Scott.

Weitere Infos: www.geomar.de