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Unbekannte Bereiche des Roten Meeres untersucht

Wer eine Ahnung davon bekommen möchte, wie der Atlantik vor rund 100 Millionen Jahren ausgesehen hat, muss keine Zeitreise unternehmen. Ein Ausflug in das knapp 2300 Kilometer lange Rote Meer reicht. Es erstreckt sich über der Bruchzone zwischen der afrikanischen und der arabischen Erdplatte, die sich mit rund einem Zentimeter pro Jahr von einander entfernen. In vielen Millionen Jahren wird sich das Rote Meer so zu einem neuen Ozean auswachsen. Mehrere Forscher-Teams des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) waren von Januar bis Mitte März mit dem Forschungsschiff POSEIDON im Roten Meer unterwegs, um dort grundlegende Daten zur Geologie, Geochemie, Physik und Biologie des Jung-Ozeans zu sammeln. „Das war die erste Expedition eines deutschen Forschungsschiffs seit neun Jahren in dieses wissenschaftlich hochinteressante Gebiet“, erklärt Dr. Warner Brückmann vom IFM-GEOMAR. Dr. Brückmann koordiniert das „Jeddah-Transect-Project“, eine Kooperation des IFM-GEOMAR mit der King Abdulaziz University im saudi-arabischen Jeddah, die diese Expeditionen erst ermöglicht hat. Jetzt sind die letzten Arbeitsgruppen wieder nach Kiel zurückgekehrt. Im Gepäck haben sie spannende Eindrücke und viel versprechende Daten über einige bisher kaum erforschte Bereiche des Roten Meeres.
Vermessung des Meeresbodens
Am Anfang der Expeditionen standen zunächst ganz grundlegende Arbeiten: eine Vermessung des Meeresbodens. „Vom gesamten Roten Meer und speziell von den geologisch interessanten Gebieten gibt es bisher kaum präzise Karten“, erklärt der Meeresgeologe Dr. Nico Augustin vom IFM-GEOMAR. Da die „Poseidon“ seit 2010 über eines der modernsten Fächerecholote weltweit verfügt, konnten die Wissenschaftler hoch auflösende Karten des Hatiba-Tiefs auf der zentralen Grabenachse erstellen. Auf Grundlage dieser Karten identifizierten die Geologen einige wissenschaftlich spannende Stellen des bis zu 2000 Meter tiefen Meeresbodens und gewannen vulkanische Gesteinsproben und Sedimente von dort. „Wie es jetzt aussieht, gab es im Hatiba-Tief in geologisch jüngster Zeit vulkanische Aktivitäten. Wir können dort die Spreizung des Roten Meeres in einer aktiven Phase beobachten“, so Augustin.

Salzsee in 2000 Metern Tiefe
Ein zweites Team unter Leitung des Geochemikers Dr. Mark Schmidt konzentrierte sich dagegen auf das etwas weiter südlich gelegene Atlantis-II-Tief. In ihm hat sich in rund 2000 Meter Wassertiefe ein einzigartiger, extrem salzhaltiger und circa 68 Grad Celsius heißer Salzsee gebildet. Mit einem neu entwickelten Kranzwasserschöpfer, der zusätzlich über Videokameras verfügt, konnte dieser Salzsee erstmals sehr präzise beprobt und der Meeresboden darunter gefilmt werden. Darüber hinaus setzen die Meeresforscher eine ebenfalls neu entwickelte, extrem schnell messende Mikrostruktur-Sonde ein, die die physikalischen Veränderungen an der Grenzschicht zwischen dem normalen Meerwasser und der Salzlösung erfassen konnte. „Wir wollen die Austauschprozesse zwischen der Salzlösung und dem Tiefenwasser des Roten Meeres besser verstehen. Auch wenn die detaillierte Auswertung der Daten noch erfolgen muss – sie versprechen spannende Erkenntnisse über Stoffflüsse und Austauschprozesse in der Tiefsee“, sagt Dr. Schmidt.
Biologische Vielfalt des Planktons analysiert
Zwei weitere Arbeitsgruppen des Projekts nahmen sich der Ökologie des Roten Meeres an. Die erste mit Wissenschaftlern aus Kiel und Jeddah untersuchte von der „Poseidon“ aus die biologische Vielfalt des Planktons. „Das sind wichtige Daten für das Fischerei- und Umweltmanagement, weil das Plankton Nahrungsgrundlage für alle höheren Organismen im Meer ist“, erläutert Biologe Dr. Benjamin Kürten. „Allgemein ist zwar bekannt, dass das Rote Meer im Norden nährstoffärmer ist als im Süden. Aber wie sich das zum Beispiel auf die Nahrungsketten auswirkt, ist größtenteils noch unbekannt. Diese Wissenslücke wollen wir nun schließen“, so Dr. Kürten.

Zustand der Riffe untersucht
Die zweite deutsch-saudi-arabische Forschergruppe widmete sich von Land aus den Korallenriffen vor der saudi-arabischen Küste. „Wir haben dort sehr unterschiedliche Bedingungen vorgefunden. Es gab Riffe in einem sehr natürlichen Zustand, andere waren deutlich durch menschliche oder natürliche Einflüsse geschädigt“, fasst Professor Martin Wahl vom IFM-GEOMAR die rund vierwöchige Expedition zwischen Wüstenpisten und Korallenriffen zusammen. Auch er und seine Kollegen legten dabei Grundlagen: „Eine systematische Bestandsaufnahme der Korallenriffe im östlichen Roten Meer existiert bisher nicht“, so Wahl, „dabei sind solche grundlegenden Daten wichtig, um Risiken für die Ökosysteme erkennen und eventuell auch eindämmen zu können.“ Dieser Pilotstudie werden in den kommenden zwei Jahren noch vier vertiefende Expeditionen folgen, welche die Reaktionen der Riffe auf anthropogene und natürliche Stressfaktoren erforschen werden.
Positives erstes Fazit
Insgesamt zieht Projekt-Manager Dr. Warner Brückmann ein positives Fazit dieser ersten vier Expeditionen des Jeddah-Transect-Projekts. „Es gab zwar anfänglich einige logistische Probleme. Aber die Kooperation mit den saudi-arabischen Kollegen war für beide Seiten sehr wertvoll. Sie hat uns ermöglicht, in Regionen zu forschen, in die Meeresforscher sonst nur selten gelangen. Dafür konnten wir unsere jahrelangen Erfahrungen mit geologischen Untersuchungsmethoden oder auch systematischem Umweltmonitoring weitergeben“, sagt Dr. Brückmann. Die nächsten Expeditionen sind bereits in Vorbereitung, um die Arbeiten fortzusetzen.