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Tauchgang mit Pillen

Unabhängig vom medizinischen Teil, auf den nachfolgend eingegangen wird, kommen  hier einige bedenkliche Elemente zusammen.

Bild1Pillen100108TAUCHEN-Leser Alexander S. berichtet von seinem 25. Tauchgang im Salzkammergut: „Bisher bin ich nie tiefer getaucht als etwa zehn Meter. Im geplanten Österreich-Urlaub mit meiner Frau Anna und Buddy Robert werde ich versuchen, etwas tiefer zu tauchen. Nicht viel! Diese Vorsicht hat ihren Grund!“

 

 

Bild2Pillen100108„Gegen Depressionen und leichte Angstzustände nehme ich zwei Psychopharmaka und ein Beruhigungsmittel. Laut Hausarzt sind diese Medikamente – eines davon ist neu – beim Tauchen unproblematisch“ (Fehler 1).

 

 

 

Bild7Pillen100108„Beim ersten Tauchgang fällt Anna auf, dass ich ungewöhnlich fröhlich bin und mich nicht um meinen Luftvorrat kümmere. Dass das eine Wirkung der Medikamente sein könnte, daran denkt niemand“ (Fehler 2).

 

 

 

Bild4Pillen100108„Am Folgetag tauchen wir an einer kleinen Steilwand ab. Wir wollen in zwölf Metern Tiefe bleiben. Nach fünf Minuten glaube ich unter mir einen großen Aal zu erkennen. Endlich ein lohnendes Fotoobjekt.“

 

 

 

Bild5Pillen100108„Ohne zu überlegen oder an die anderen zu denken, tauche ich ab. Das passiert so schnell und spontan, dass weder Anna noch Robert etwas davon mitbekommen und erst einmal weitertauchen“ (Fehler 3).

 

 

 

Bild6Pillen100108„Unten angekommen, sehe ich den Aal nicht mehr. Ich schaue mich um und stelle fest, dass es sich wahrscheinlich um einen Ast gehandelt hat. Ich fühle mich sehr wohl hier unten“ (Fehler 4).

 

 

 

Bild7Pillen100108„Irgendwann höre ich ein Klopfgeräusch auf einer Flasche. Da fallen mir die anderen wieder ein. Sie sind weit weg und ich bin zudem ein ganzes Stück tiefer, so dass ich sie nur schemenhaft erkennen kann.“

 

 

 

Bild8Pillen100108„Mein Computer zeigt 25 Meter Tiefe an! Jetzt wird mir das doch etwas unheimlich. Ich tauche mit heftigem Flossenschlag zu meinen Begleitern auf. Undeutlich vernehme ich das Piepsen des Computers“ (Fehler 5).

 

 

 

Bild9Pillen100108„Später stelle ich fest, dass ich mit 25 Metern pro Minute aufgestiegen bin.  Ich habe vor Aufregung danach ziemlich viel Luft verbraucht. Vor den anderen bin ich bei 50 bar Restdruck und greife zum Schnorchel.“

 

 

 

 

Unser Fazit

Fehler 1: Tauchtauglich oder nicht das sollte, besonders bei neuen Medikamenten, ein Tauchmediziner entscheiden. Mit Zahnweh geht man  ja auch nicht zum Urologen.
Fehler 2: Das war schon eine Warnung! Nachfragen ergaben, dass Anna wie auch Robert Alexanders Probleme kannten. Klar, man will den Buddy nicht bevormunden, das ist auch richtig so. Aber ein ernsthaftes Gespräch im Rahmen eines abschließenden Briefings ist durchaus vertretbar. Und eine sorgfältige Beobachtung des Buddys ist das Mindeste, was man unternehmen sollte.
Fehler 3: Der Tauchgang ist viel tiefer als gewohnt und tiefer, als für OWD empfohlen wird.
Fehler 4: Alexander S. fühlt sich sehr gut, obwohl er tiefer ist als je zuvor. Er bemerkt außerdem nicht, dass er seine Begleiter verloren hat. Und das passiert nicht etwa einem Hasardeur, sondern einem Taucher, der sonst nach allem Anschein sehr auf Sicherheit bedacht ist. So etwas ist ein Warnzeichen, das man, wenn man in sich hineinhört, unter Umständen erkennen kann.
Fehler 5: Als Alexander S. dann merkt, dass er 25 Meter tief ist, erschrickt er und taucht viel zu schnell auf. Auch der deutlich hörbare Alarm des Computers alarmiert ihn nicht. Eine falsche Reaktion! Nur wer ruhig und bedächtig vorgeht, handelt richtig.

Zu guter Letzt: Das fehlerhafte Verhalten in seiner Häufung legt den Gedanken nahe, dass die Medikamente an den Problemen nicht un­beteiligt waren. Im einzelnen nahm Alexander S. gegen Depressionen Citalopram (30 mg) morgens und Mirtazapin (15 mg) abends ein. Gegen leichte Aufregungszustände untertags ab und zu Lorazepam (0,5 mg). Zwar hielt sein Hausarzt die Medikamente für unbedenklich, aber tauchen-Medizinexperte Dr. Claus-Martin Muth sieht das anders: „Sowohl die Antidepressiva als auch das Benzo­diazepin gegen Angstzustände können gravierende Nebenwirkungen haben, die zwar im Alltag nicht immer deutlich spürbar zum Tragen kommen, aber zumindest theoretisch zu einer Gefährdung beim Tauchen führen können. Die Angststörung alleine kann schon zu inadäquaten Reaktionen führen, und Depressionen wie auch die Medikamente dagegen gelten als Ausschlussgrund beim Tauchen.“
tauchen-Leser Alexander S. (Name geändert) wollte diese Geschichte unter seinem Namen veröffentlichen, da Freunde und Bekannnte von seinen Problemen wüssten. Wir haben ihm dann aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Gutachter zur Anonymität geraten.

Alexander S. hat aus dem Vorfall eine Lehre gezogen: „Nachdem ich Rat von Ihrem Experten Dr. Muth eingeholt hatte, wurde mir klar, dass die Medikamente mit zunehmender Tiefe Entscheidungsfähigkeit und Gefahrempfinden ausgeschaltet haben. Vorläufig ist Schluss mit Tauchen.“
Eine Haltung, die einem eine gehörige Portion Respekt abnötigt.