Reise

Mit einem Atemzug unter dem Eis – Apnoetauchen in Finnland

Taucherin sitzt im Schneidersitz auf dem Eis
Finnland, -13 Grad Celsius. Herrlichster Sonnenschein. Eingepackt in meinen fünf Millimeter Opencell Neoprenanzug mit Handschuhen und Socken, stapfe ich mit meinen Flossen und der Tauchermaske über den zugefrorenen See Richtung Eisloch. Dort angekommenen stehe ich am Rand und denke mir zum wiederholten Mal: „What the f…! Was hast du dir nur dabei gedacht“. Aber kneifen gilt nicht und so setze ich mich an den Rand, ziehe meine Flossen an, setze die Maske auf und lasse mich in‘s Wasser gleiten.

Aber vielleicht von Anfang an. Wie kommt Mann oder Frau dazu in den hohen Norden zu fahren um apnoe unter dem Eis zu tauchen?

Foto: Nanna Kreutzmann
Foto: Nanna Kreutzmann

Schuld daran ist ein Mann, der es schafft mit seinem Enthusiasmus und seinem Charme beinahe jeden für seine Ideen oder eben mich als bekennende Frostbeule für das Eistauchen zu begeistern. Dieser Mann heißt Antero Joki und ist einer der besten finnischen Freediver (derzeit hält er noch immer drei Nationalrekorde) und regelmäßiger Teilnehmer an den Apnoe Weltmeisterschaften. Zum nunmehr siebten Mal organisiert er das Eistauch-Event „Päjänne on the Rocks“ im Süden Finnlands. Wegen der steigender Nachfrage, gibt es dieses Jahr zusätzlich zum eigentlichen Event ein drei-tägiges Programm.

Am ersten Tag fahren wir morgens nach der ausführlichen Sicherheitseinweisung zum eine Stunde entfernten See Sonnanen, wo uns bereits Johanna Nordblad (Rekord im unter Eistauchen im Badeanzug ohne Flossen, 50 m) und ihre Schwester Elina Manninen erwarten. Dort angekommen heißt es erstmal Löcher ins Eis sägen, was, wenn man es zuvor noch nie gemacht hat, echt harte Arbeit ist. Aber da alle mit anpacken und darüber hinaus noch eine Motorsäge am Start ist, dauert das Ganze nicht lange und wir können uns in der ufernahen Sauna tauchfertig machen.

Als das kalte, glasklare Wasser über mir zusammenschlägt bin ich erstaunt wie wenig kalt es sich anfühlt, nur ein bisschen frisch an den ungeschützten Stellen des Gesichts. Als nächstes fällt mir die unglaubliche Stille hier unten auf. Außer ein paar Luftblasen und meinem eigenen Herzschlag ist nichts zu hören. Das Wasser ist so unglaublich klar, dass man das nicht ganz zehn Meter entfernte gegenüberliegende Loch erkennen kann.

Ich tauche auf und atme erst einmal durch. Ich bin total überwältigt von diesem ersten Eindruck und innerlich grinsend hole ich erneut Luft und tauche zum nächsten Loch. Dort angekommen merke ich jetzt doch so langsam wie meine Finger und Zehen kalt werden. Also ab aus dem Wasser und zurück in die Sauna zum aufwärmen. Ich hätte nicht gedacht, dass es solchen Spaß macht!

Taucher am Eisloch
Foto: Nanna Kreutzmann

Ein Mutiger versucht sich sogar, unterstützt von Kiki Bosch (er taucht unter Eis im Badeanzug, Wimmhofinstructor), im Eisschwimmen inklusive Untertauchen. Brrr, aber er fand’s toll. Am Abend des selben Tages findet ein Nachttauchgang statt. Insgesamt gibt es drei Bahnen zum Tauchen. Zwei davon sind mit Lichtern präpariert. Da wir uns jetzt am See Päjänne befinden ist die Sicht leider nicht mehr so gut wie heute Morgen, so dass man trotz Beleuchtung nur beinahe einen Meter weit sehen kann. Aber genau das macht diesen Tauchgang so interessant. Man ist beinahe völlig orientierungslos und hätte man keine Sicherheitsleine, man würde sich unweigerlich verirren und das Loch nicht mehr finden. Zu Beginn fühlt man sich da schon etwas unsicher und auch ängstlich, was einem durchaus einen kleinen Adrenalinschub verpasst. Nach ein paar Versuchen gewöhnt man sich jedoch sehr schnell an die Umstände und kann das Ganze durchaus genießen. Während unterwasser die Lichter leuchten, dürfen wir wegen des klaren Himmels eine umwerfend schöne Lichtershow über uns genießen. Nordlichter! Der Wahnsinn!

Nordlichter über dem zugefrorenen See
Foto: Sam Oetiker

Der zweite Tag ist offenes Programm. Tauchen kann wer möchte von 10-15 Uhr (da ist die Sauna warm) und am Abend besteht die Möglichkeit von Yoga auf dem Eis. Ich entscheide mich für Variante drei, eine Schneemobilsafari querfeldein. Zu aller erst wird man mit dem nötigen Equipment ausgestattet. Dicker Overall, Handschuhe, Stiefel, Helm und Skibrille. Für die, die wie ich noch nie auf so einer Höllenmaschiene gesessen haben ein echtes Erlebnis. Zu erst muss man sich an den sensiblen Gashebel und die verdammt ausgeprägte Beschleunigung gewöhnen aber dann fängt das ganze wirklich an Laune zu machen. Vor allem die fast 120 km/h (zugegeben sollten wir ja nicht schneller als 100 km/h fahren, aber es war einfach zu verlockend) auf dem gefrorenen See waren der Hammer! Leider waren diese Passagen meiner Meinung nach viel zu wenig. Meistens ging es auf speziellen Wegen, die extra für Schneemobile sind, durch den Wald. Mit der Zeit wird es auch zu echter Arbeit die Dinger über Buckelpisten und um enge Kurven zu navigieren, also Kraftsporteinheit inklusive. Aber nach fast dreieinhalb Stunden Tour mit einer netten  Kaffepause am Hafen des nächsten Ortes sind wir alle erschöpft und total happy wieder zu Hause angekommen. Die Sauna danach war eine Wohltat und das Bett an diesem Abend besonders weich.

 

Tag Drei: Heute findet das eigentliche Event statt. Zu den bereits anwesenden Tauchern gesellen sich noch einige Tagestaucher, vornehmlich Finnen sowie Miguel Lozano (zweit tiefster Apnoetaucher der Welt) und Nanna Kreutzmann (Fotografin).

Bis 16 Uhr tummeln sich alle im Wasser, nur unterbrochen von den Saunagängen zum Aufwärmen. Am Ende muss Antero die Letzten Taucher förmlich aus dem Wasser zerren. Zum krönenden Abschluss gibt es ein wahnsinnig leckeres gemeinsames Abendessen mit zwei großartigen Vorträgen von Nana Kreuzmann über ihre Unterwasserfotografie und Miguel Losano über Freediving und Mentales Training. Wenn man in die Gesichter der Leute schaut haben alle so ein gewisses Leuchten in den Augen und wirken rundum Entspannt und zufrieden. 

Am Sonntag dann reisen wir mit der einen großen Frage nach Hause: „Wann findet Päijänne on the Rocks nächstes Jahr statt?“ Auch ich bin absolut positiv überrascht und werde sicher nächstes Jahr wieder kommen wenn Antero zum großen Eistauchen einlädt.