Reportage

Mantamanie – Tauchen mit Riesen in der Hanifaru Bay

Die weltweit größte Manta-Population findet man auf den Malediven. Was dafür getan wird, dass das auch so bleibt, hat unser Autoren-Team vor Ort erlebt.

Franco Banfi

TEXT: Sabrina & Franco Banfi

Hanifaru im maledivischen Baa-Atoll ist weltweit der einzige bekannte Ort, an dem sich von Mitte Mai bis Ende Oktober Hunderte von Riffmantas (Manta alfredii) in planktonreichen Gewässern versammeln. Diese »produktiven Hotspots« sind jedoch vergänglich. Die Ansammlung von Plankton hängt hier direkt mit dem dynamischen Wasserkreislaufsystem der Region während der Südwest-Monsune zusammen. An der Wasseroberfläche ist Hanifaru ein kleines Riff, 700 Meter lang und 200 Meter breit, mit einer kleinen, geschlossenen Unterwasserbucht von der Größe eines Fußballfelds, die den Einheimischen als »Vandhumaafaru Adi« bekannt ist. Die Form dieses Riffs ähnelt einem riesigen Trichter, in dem Plankton und Nährstoffe zusammenlaufen. Überall sonst auf der Welt zeigen Riffmantas normalerweise beim Fressen ein ruhiges Verhalten und schwimmen langsam und koordiniert in verschiedenen kreisförmigen Mustern, wenn sie in flachem Wasser nahe der Meeresoberfläche auf Zooplankton treffen. In der Hanifaru-Bucht ist das anders: Hier verwandeln sich ruhige Bewegungen der Tiere manchmal in spektakuläre Rasereien, und ihr natürlicher gelassener Fressrhythmus wird durch wildes Plankton-Verschlingen ersetzt, was zu völliger Desorganisation führt.

Weltberühmt und geschützt

Vor etwa 20 Jahren machte die allgegenwärtige Medienpräsenz Hanifaru Bay berühmt und zog Touristen aus aller Welt an, um sich hier inmitten der Manta-Fressorgie den sanften Riesen zu nähern. Vom MMRP (Maldivian Manta Ray Project) der im Baa-Atoll ansässigen Manta Trust Organisation gesammelte Daten zeigten einen Anstieg des Drucks und der Bedrohungen der Mantas durch unkontrollierten, wachsenden Tourismus. Die Bucht war damals überfüllt von Booten und Touristen. Die Anzahl der Walhaie und Mantas, die hier zusammenkamen, ging zurück. Es wird angenommen, dass dies auf menschliche Eingriffe zurückzuführen ist.

In der Lagune von Hanifaru Bay darf man sich den Mantas nur schnorchelnd nähern.

Am 8. Juni 2009, dem Weltozeantag, erklärte die Regierung der Malediven daher Hanifaru zum Meeresschutzgebiet. In den folgenden zwei Jahren wurde vom Umweltministerium mit Unterstützung der Manta Trust Organisation ein erster Managementplan erstellt. Der endgültige Managementplan wurde dann 2011 von der Zentralregierung der Malediven genehmigt und trat ein Jahr später in Kraft. Im Juni 2011 wurde anlässlich des 40. Jahrestags des UNESCO-Programms »Mensch und Biosphäre« in Dresden das gesamte Baa-Atoll zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt, wobei die Hanifaru-Bucht eines der zentralen Schutzgebiete ist. Die Vorschriften des Meeresschutzgebiets umfassen Beschränkungen der Besucherzahlen, die maximale Aufenthaltsdauer in der Bucht für Touristen und ein Verbot von Tauchen und Fischerei. Es gibt hohe Geldstrafen bei Verstößen gegen diese Vorschriften, die von Rangern vor Ort durchgesetzt werden. Jeder Hanifaru-Gast muss sich zudem im Besucherzentrum auf der Insel Dharavandhoo registrieren.

Regeln und Umsetzungen

Es gibt also strenge Regeln zum Schutz und zur Erhaltung dieses einzigartigen Naturwunders. Die Ranger patrouillieren in der Bucht, um sicherzustellen, dass die Regeln auch wirklich eingehalten werden. Nur Schnorcheln und Freitauchen sind erlaubt, jegliches Tauchen mit Gerät ist verboten. Gleichzeitig dürfen sich nicht mehr als fünf Boote am Eingang der Lagune aufhalten. Jedes Boot muss sich an eine strikte Geschwindigkeitsbegrenzung und weitere Vorschriften halten. Maximal 80 Personen dürfen gleichzeitig in der Lagune bleiben – für maximal 45 Minuten. Jede Gruppe von maximal zehn Personen muss von einem Guide begleitet werden, der nach Ablegung einer speziellen Prüfung zertifiziert sein muss. Für Resorts und Liveaboards gibt es einen alternierenden Tagesplan: An einem Tag dürfen die Gäste der Tauchbasen/Resorts der nahegelegenen Inseln die Hanifaru-Lagune besuchen, am anderen Tag die Gäste der Liveaboards.

Mantas beim Festmahl: Mehrere Riffmantas (Manta alfredi) filtern synchron Plankton aus dem nährstoffreichen Wasser der Hanifaru-Lagune im Baa-Atoll, Malediven – ein faszinierendes Naturschauspiel im Indischen Ozean.

Man darf auch nicht an aufeinanderfolgenden Tagen in die Lagune, sondern nur an alternierenden Tagen. Das Schnorchel-Erlebnis in der Lagune mit den Riffmantas ist auf 45 Minuten begrenzt. Die Schnorchler müssen dabei Abstand zu den Tieren halten: drei Meter vom Kopf und vier Meter vom Schwanz. Auch sollen sie die Tiere nicht von vorne anschwimmen oder deren Weg kreuzen, sie aufhalten oder an ihrer Seite schwimmen. Es ist erlaubt, Fotos ohne Blitz zu machen und ohne Lampen zu filmen. Näherkommen, Berühren und Streicheln der Mantas aber ist verboten.

Warum sind die Mantas hier?

Mantarochen suchen in tropischen und subtropischen Gewässern, die im Allgemeinen nährstoffarm sind, nach Zooplankton. Das Fressen der Tiere erfolgt somit oft an vorhersehbaren Orten, an denen sie sich versammeln. Die sich so bildenden »Produktivitäts-Hotspots« von Zooplankton führen zu regelrechten »Fressansammlungen« und beeinflussen somit die Ökologie und Bewegungen der Mantas. Die Zooplankton-Biomasse ändert sich schnell im Verlauf des Gezeitenzyklus. Manta alfredii-Fress-Ereignisse stehen in signifikantem Zusammenhang mit hoher Zooplankton-Biomasse: Sie fressen, wenn die Biomasse eine kritische Dichte erreicht, die höher als erforderlich ist, um ihren Stoffwechselbedarf zu decken. Die stärkere Nahrungssuche erfolgt, wenn die Zooplankton-Gemeinschaft von Krebsen (Copepoden) dominiert wird, während das Fressen weniger wahrscheinlich ist, wenn mehr gallertartige Taxa wie Larven oder Eier vorhanden sind.

Planktonreiches Wasser von außerhalb des Atollrands wird in die Hanifaru-Bucht gezogen, wenn starke Mondgezeiten die Kraft der vorherrschenden Monsunströmung überwinden. Die Strömungen bilden einen Rückwirbel, der Plankton in der flachen Riffmündung einfängt und konzentriert, was zu Fressgelegenheiten für Manta alfredii führt, die im Sommer und bei Flut ihren Höhepunkt erreichen.

Auch Putzen muss sein

Aber die Mantas versammeln sich im maledivischen Baa-Atoll nicht nur zum Fressen. Sie nutzen auch Putzerstationen, besonders an den benachbarten Standorten Dhigu Thila und Nelivaru Thila, wenn die Umweltbedingungen nicht zum Fressen geeignet sind. Es gibt eine hohe Konnektivität zwischen diesen drei Standorten, was darauf hinweist, dass sie Teil eines Netzwerks von Schlüssellebensräumen sind, die wichtige »Dienstleistungen« für Riffmantas bieten. Satellitenmarkierungen, akustische Telemetrie und fotografische Identifikationsstudien zeigten, dass die hier anzutreffende Manta-Art oft ein hohes Maß an Standorttreue aufweist. Wobei ihre Bewegungsmuster begrenzt sind, und Einzelgänger häufig an den selben Ort zurückkehren.

Direkt neben der weltberühmten Hanifaru-Bucht gelegen, bietet diese kleine Malediveninsel nicht nur tropisches Idyll, sondern auch Nähe zu einem einzigartigen Naturphänomen: Von Mai bis Oktober versammeln sich in der benachbarten Lagune Hunderte Riffmantas zur Planktonjagd – ein weltweit einmaliges Schauspiel unter strengem Schutz.

Die Standorttreue ist verbunden mit Ressourcen-Anforderungen, insbesondere in Fressgebieten, in denen hohe Zooplanktondichten effizientes Fressen ermöglichen. Und in denen Putzerfische Parasiten entfernen und Mantas soziale und reproduktive Interaktionen eingehen. Die Riffmanta-Population des Malediven-Archipels ist die bisher größte dokumentierte, die vom südasiatischen Monsun beeinflusst wird, der zwei Jahreszeiten hat: Nordost-Monsun (Iruvai) von Dezember bis März und Südwest-Monsun (Hulhangu) von April bis November. Im Nordost-Monsun frequentieren die Riffmantas Schlüssellebensräume rund um das flache Riff auf der Westseite der Atolle, während sie im Südwest-Monsun Schlüssellebensräume auf der Ostseite nutzen.

Besonderheiten

Die Strategie des »Zyklon«-Fressens wurde in der Hanifaru-Bucht dokumentiert, bei der mehrere Individuen das Wasser durch Schwimmen manipulieren, um einen Wirbel zu erzeugen, der Zooplankton konzentriert, von dem die Mantas sich dann ernähren. Mithilfe einer subjektiven visuellen Bewertung der Wassersäule wurden an diesem Ort acht verschiedene Fressstrategien beschrieben, die mit der Dichte der Beute in Zusammenhang stehen. Die Zooplanktondichte oder -zusammensetzung wurde jedoch noch nicht in Bezug auf diese Strategien quantifiziert. Luftaufnahmen haben bis zu 250 Exemplare in der Hanifaru-Bucht während der Spitzen-Fressereignisse gezählt, was Hanifaru zur weltgrößten bekannten Manta alfredii-Ansammlung macht. Ein idealer Ort, um Hypothesen bezüglich der Nutzung des Lebensraums, des Verhaltens, der Fress-Strategien und der Zooplankton-Dynamik für diese Art zu testen! Zudem ein hervorragender Ort, an dem man sich, respektiert man die Regeln, wirklich in Mantarochen verlieben kann.

Wissenschaft und Tourismus

Der Riffmanta ist eine Art, bei der zunehmend Besorgnis über den Status der globalen Populationen besteht. Denn mehrere langfristige Überwachungsstudien haben einen Rückgang der Tiersichtungen weltweit festgestellt. Hauptgrund zur Besorgnis sind die Auswirkungen der Fischerei sowohl durch unbeabsichtigte (Beifang) als auch gezielte Fänge. Mantarochen werden hauptsächlich wegen ihrer Kiemenfilterplatten für die Verwendung in traditionellen Arzneimitteln gejagt. Infolgedessen sind Riffmantas derzeit als »gefährdet« auf der Roten Liste der IUCN aufgeführt und wurden 2013 in Anhang II des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) aufgenommen. Während einige Naturschützer behaupten, dass der intrinsische Wert der Natur eine ausreichende ethische Rechtfertigung für ihren Schutz bieten sollte, stehen politische Entscheidungsträger im Umweltbereich dennoch vor der Herausforderung, die Bedürfnisse zahlreicher Interessensgruppen angesichts des zunehmenden Wettbewerbs um die Nutzung wertvoller und schwindender natürlicher Ressourcen in Einklang zu bringen.

Die Insel Dharavandhoo im maledivischen Baa-Atoll liegt nur wenige Bootsminuten von der berühmten Hanifaru-Bucht entfernt. Mit eigenem Regionalflughafen ist sie der ideale Ausgangspunkt für alle, die das spektakuläre Manta-Naturphänomen im UNESCO-Biosphärenreservat hautnah erleben möchten.

Dementsprechend hat das Interesse an der Erforschung der Vorteile mariner Freizeitaktivitäten als »nicht konsumtive Nutzung von Meeresressourcen« in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Eine solche nicht konsumtive Option ist der Ökotourismus: »nicht konsumtive Reisen mit minimal negativen Auswirkungen, die zu erhöhtem Schutz und Nachhaltigkeit der natürlichen und soziokulturellen Ressourcen führen und zum Wohlergehen der lokalen Bevölkerung beitragen«. Ökotourismus im marinen Bereich, der sich auf große Meerestiere konzentriert, kann, richtig gemanagt, eine Lösung bieten, die langfristige nachhaltige Vorteile sowohl für die Menschen als auch die Tiere bietet. Von Walen bis Robben, Haien und Rochen reichen die Interaktionen mit Menschen von der bloßen Beobachtung der Tiere vom Boot oder Ufer aus bis hin zu Tauch- und Schnorchel-Erlebnissen im Wasser. Diese Aktivitäten werden seit den 1980er Jahren immer beliebter. Es zeigte sich, dass sie erhebliche wirtschaftliche Vorteile erzeugen: sowohl für die Aktivitäten-Anbieter selbst als auch die unterstützenden Unternehmen in den Volkswirtschaften, in denen sie tätig sind.

Während das Management von wildtierzentriertem marinem Ökotourismus seine Herausforderungen mit sich bringt, haben gut verwaltete Modelle nachweislich nachhaltige Lebensgrundlagen geschaffen und bieten möglicherweise eine langfristige Lösung für den Schutz der marinen Megafauna. An einigen Standorten bieten marine Ökotourismus-Betriebe erhebliche finanzielle Vorteile für Gemeinden mit wenig alternativen Einkommensquellen. Und in vielen Ländern erweist sich die Interaktion mit Mantarochen als begehrtes Erlebnis für Taucher und Schnorchler, wobei Touristen auf den Malediven bereit sind, mehr für Ausflüge mit Manta-Sichtungen zu zahlen. Basierend auf Regeln und Kontrolle ein guter Schritt in die Zukunft. <<