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Trauriger Rekord: 26 Pottwale bislang gestrandet

Die traurigen Pottwalstrandungen der letzten Wochen haben einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Wir sprachen mit dem Meeresbiologen und Walexperten Dr. Ralf Sonntag über die Ereignisse:
Dr. Ralf Sonntag ist Meeresbiologe und leitete von 2003 bis Oktober 2015 das deutsche IFAW Büro.
Dr. Ralf Sonntag ist Meeresbiologe und leitete von 2003 bis Oktober 2015 das deutsche IFAW Büro.

„Es ist ein trauriger Anblick, wenn man die acht Pottwalbullen vor der Küste von Friedrichskoog sieht. Sie waren offensichtlich Teil einer größeren Gruppe, die sich in die Nordsee verirrt hat. Inzwischen sind insgesamt 26 Strandungen aus den letzten Wochen bekannt geworden. Der vorläufig letzte wurde vorgestern Abend am 2. Februar 2016 vor Calais entdeckt, weitere könnten noch folgen. Dies ist ein Rekord, die letzten Strandungsereignisse in dieser Größenordnung waren zwischen November 1997 und Januar 1998 als 29 Tiere strandeten und 1996 als insgesamt 25 Tiere auf dem Wattboden verendeten.Normalerweise kommen die Tiere aus Nordnorwegen, wo sie an der Grenze des Kontinentalschelfes in 2000 bis 3000 Meter Tiefe Riesenkraken jagen. Sie ziehen zu Jahresbeginn in Richtung der Azoren in ihre Paarungsgründe. Normalerweise schwimmen sie westlich der Shetlands weiter um Irland herum in den zentralen Atlantik.Aber warum sind sie in die Nordsee geschwommen? Bisher kann man darüber nur spekulieren. Die Gewässer nördlich der Shetlands sind voller Offshoreplattformen, die viel Lärm erzeugen. Für mich ist es die wahrscheinlichste Hypothese, dass die Tiere durch irgendwelche starken Lärmereignisse dort oben verschreckt wurden und dann zu weit nach Osten abgedriftet sind und schließlich in der Nordsee landeten.Einmal in der Nordsee haben sie kaum noch eine Chance, die Gewässer werden immer flacher und die Tiere, an die Tiefsee gewöhnt, haben wahrscheinlich extreme Orientierungsschwierigkeiten in dem flachen Wasser, insbesondere wenn auch noch der Sand durch die Wellenbewegungen aufgewirbelt ist. Wenn den Tieren dann noch plötzlich durch den Tidenhub ein paar Meter Wasser unter den Flossen weggezogen wird, stranden sie und verenden jämmerlich, erdrückt durch das eigene Gewicht.“Dazu kommt, dass zumindest bei Strandungen in der Vergangenheit, die Tiere schon stark geschwächt waren, weil sie in der Nordsee nicht das richtige Futter finden.Die Pottwalbestände wurden in den Zeiten des Walfangs massiv reduziert, sie waren eine sehr begehrte und teure Beute für die Walfänger. Ob sich die Bestände in den letzten Jahre etwas erholt haben ist nicht bekannt, es gibt keine gesicherten Bestandszahlen. Sie sind nachwievor auf der Roten Liste und gelten als gefährdet.“