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Shark City Sinsheim: Jetzt doch pelagische Haie im Aquarium

Die „Shark City“ erhitzt die Gemüter. Das geplante Mega-Aquarium in unmittelbarer Nähe zum Auto-und-Technik-Museum in Sinsheim stößt vermehrt auf Ablehnung bei Anwohnern und Tierschützern. Das Projekt, welches laut den Verantwortlichen einen zweistelligen Millionenbetrag kosten soll, wird ein Sensations-Aquarium beinhalten, in dem wohl bis zu 40 verschiedene Haiarten zu bestaunen sind. Desweiteren soll die Möglichkeit bestehen, begleitete Tauchgänge in den Becken zu unternehmen. Auch ein Becken zum Anfassen der Tiere, sowie Schulungsräume und ein Kino sind geplant.

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So sieht ein Touch-Becken aus. Die Tiere sollen erlebbar gemacht werden. Foto: Sea Life

Mit dem Haiforscher Dr. Erich Ritter konnte ein prominenter Schirmherr für das Projekt gefunden werden. Der Gründer der Bildungsorganisation Sharkschool steht für fundierte Haiforschung und macht sich seit Jahrzenten für den Schutz der Haie stark. Im Rahmen einer Aufklärungs- und Bildungseinrichtung, der sogenannten Shark City School, die in das Aquarium eingegliedert sein soll, möchte der Schweizer Zoologe Kurse anbieten und durch Aufklärung ein Bewusstsein in der Gesellschaft erzeugen um den Schutz der Haie voranzutreiben. Viele seiner Fans werfen ihm nun Verrat an seinen eigentlichen Werten vor. Im Tauchen-Video-Interview spricht der Wissenschaftler der Universität von West-Florida über das Vorhaben.

Sharkproject wettert mit reißerischer Kampagne gegen das Projekt

In den vergangenen Wochen herrschte großer Unmut, da auf der Webseite mit dem Slogan „Europas größte Haie“ geworben wird und man zunächst Bilder von Tigerhaien darstellte. Das Problem: Pelagische Haie, wie zum Beispiel Tigerhaie, lassen sich nur schwer in Aquarien halten, da sie konstant schwimmen müssen um ihre Sauerstoffversorgung aufrecht zu erhalten. Vermehrt wurde nach der sogenannten Besatzliste gefragt. Welche die Arten ausgibt, die in den Becken ihr zu Hause finden werden.

Die Tierschutzorganisation Sharkproject startete eine Kampagne gegen das Projekt und versucht möglichst viele Menschen zu mobilisieren.

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Diese Anzeige schaltete Sharkproject in einer großen Sinsheimer Tageszeitung. Bild: Sharkproject

Vergangenen Donnerstag fanden Gespräche am runden Tisch zwischen der Haischutzorganisation Sharkproject, dem Geschäftsführer des geplanten Aquariums und dem Zoologischen Leiter statt. Im Rahmen der Gespräche hatte TAUCHEN die Möglichkeit Gerhard Wegner, Präsident von Sharkproject International, sowie Friederike Kremer-Obrock, Präsidentin von Sharkproject International zu interviewen. Das gesamte Video-Interview gibt es hier.

Im Rahmen der TAUCHEN-Recherche sprechen die Shark City-Betreiber nun erstmals über die Arten, die in den Becken gehalten werden sollen.

Auch der Zoologische Leiter des Projekts, Alexander Dressel, sowie der Marketingverantwortliche Boris Udina, scheuten das Gespräch nicht und stellten sich unseren Fragen. Man müsse sich zunehmend über den Tonfall und die Umgangsformen der Gegner wundern, ließen die beiden verlauten. Man sei von Anfang an offen für jedes Gespräch gewesen, insofern es auf einer sachlichen Basis basiere. Der Bauantrag sei zwar abgegeben, die endgültige Baugenehmigung von Seiten der Stadt liege aber noch nicht vor. Zur Besatzliste können man sich deshalb noch nicht äußern, da man die endgültige Beckengröße noch nicht wisse, so Dressel. Auf Nachfrage ob denn die im Webauftritt angegebene Zahl von 40 verschiedenen Arten stimme, konnten wir dann aber doch einen Einblick in die geplanten Arten erlangen. „30 werden es auf jeden Fall werden“, so Dressel. „Einige Stierkopfhaiarten, drei Teppichhaiarten zwei Katzenhaiarten, verschiedene Bambushaiarten.“ Die seien aber alle bodenlebend.

 

Schwarzspitzen Riffhaie werden von den Betreibern nicht ausgeschlossen

Erich Ritter hatte im TAUCHEN-Interview geäußert, dass er sich dafür stark mache, dass keine pelagischen Haie in die Becken eingesetzt werden. Ob man sich auf diese Aussage verlassen könne, wollten wir von Dressel wissen. „Wir werden nur Tiere einsetzten die sich bereits in anderen Aquarien bewährt haben“, so Dressel. Das in anderen Aquarien Aquarien bereits erfolgreich Schwarzspitzenriffhaie gehalten werden und Naturschützer alle Arten, die schwimmen müssen um ihre Atmung aufrecht zu erhalten, als pelagische Haie definieren, könnte einen schnell zu der Annahme verleiten, dass in Sinsheim nun doch pelagische Haie gehalten werden. „Wenn man Schwarzspitzen als pelagische Haie definiert, dann können wir die Haltung pelagischer Haie nicht ausschließen“, antwortet Dressel darauf entschlossen.

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Schwarzspitzen Riffhaie, wie dieser im Aquarium Berlin, werden wohl auch in Sinsheim schwimmen. Foto: Zoo Berlin

Nun also doch? Haie die schwimmen müssen um zu atmen im Sinsheimer Aquarium? War das nicht, was Dr. Erich Ritter erst vor einer Woche ausgeschlossen hatte? Auf Nachfrage bei dem Haiforscher, der in Florida lebt, äußerte sich dieser hinsichtlich der Wortdefinition. Man müsse das Wort “pelagisch” genauer definieren, denn es gebe auch sehr kleinwüchsige Arten, wie eben Schwarzspitzen-Riffhaie, die ab einem gewissen Volumen der Becken kein Problem darstellen würden.

Um in der Diskussion über den Begriff „pelagisch“ Klarheit zu schaffen, versuchte Ritter, ihn von seinem Standpunkt aus zu definieren und gleichzeitig zu erklären warum es zu Missverständnissen komme.

Entgegen der eigentlichen Definition wird der Ausdruck “pelagisch” in der Aquazoo-Welt meist nicht korrekt gebraucht respektive so verwendet, dass man lediglich damit Arten bezeichnet, die sich in der “Wassersäule” befinden und herum schwimmen (müssen), gegenüber bodenorientierten Arten. Das bedeutet nicht, dass eigentliche pelagische Haiarten, im korrekten Sinn des Wortes verwendet, in ein Aquarium kommen wie bspw. Makohaie, Blauhaie oder Weissspitzen-Hochseehaie. Entsprechend wird eine Art, wie bspw. ein Sandtigerhai, der permanent im Wasser “steht”, zwar als pelagisch bezeichnet, doch faellt er in die Gruppe der “non obligate ram ventilator”, was bedeutet, dass er nicht permanent aktiv schwimmen muss, um in der Wassersäule stehen zu können. Dann gibt es die obligaten pelagischen Haie, zu denen zwar der Schwarzspitzen-Riffhai gezählt wird (in strikter Verwendung der Definition), doch handelt es sich um eine Art, die nicht im offenen Ozean schwimmt, sondern in Riffregionen… hinzu kommt, dass kleinwüchsige Arten, zu denen diese Art gehört hinsichtlich Körerplänge und Beckenvolumen eine ideale Art darstellt resp. nicht aus Gründen von Platzmangel oder Schwimmmöglichkeit abgelehnt werden muss. Entsprechend muss klar unterschieden werden, was “Tierschützer” versuchen damit auszudrücken und was wirklich damit miteinbezogen wird.

 

Weitere Tierschützer nehmen den Kampf auf

Auch die Naturschutzorganisation Oceana und die Tierschützer von Pro Wildlife starteten Petitionen und sammelten Unterschriften gegen das Projekt. Auf Anfrage von Tauchen nahm jetzt auch die Organisation Sea Shepperd Stellung:

Sea Shepherd unterstützt in keinster Weise Tierhaltung in Gefangenschaft. Aquarien, egal wie groß und modern sie sein mögen, können weder den natürlichen Lebensraum eines Hais oder anderer Arten ersetzen, noch ihren Bedürfnissen gerecht werden.

Natürlich ist Aufklärung auch für den Haischutz wichtig, aber dazu muss man die Tiere nicht in Becken halten. Um Haie wirklich zu verstehen, muss man sie in ihrem natürlichen Lebensraum erleben und erforschen.

Haie haben als Spitzenprädatoren eine äußerst wichtige Rolle im Ökosystem Meer. Durch Wildfang für Aquarien werden sie aus diesem entfernt und das natürliche Gleichgewicht, welches durch Wilderei und den Einfluss der Menschen bereits stark bedroht ist, wird noch weiter gestört. Auch wenn die Haie nicht aus Wildfang stammen, so bedeutet ein Standortwechsel und der damit verbundene Transport massiven Stress für die Tiere und führt nicht selten zum Tod.

Aquarien allgemein sind eine Gefahr für die Ozeane, für Korallenriffe und Arten. Der Neubau eines solchen ist nicht nur unnötig, er trägt außerdem zur Ausbeutung der Meere bei.

Das ließ die Sprecherin Anne Kämmerling von Sea Shepperd Deutschland verlauten.