Tauchen im See polarisiert – jedoch überzeugt der Geiseltalsee selbst Skeptiker. Deutschlands größter künstlicher See bietet außergewöhnliche Sichtweiten, Tiefe und eine Unterwasserlandschaft, die in Mitteleuropa ihresgleichen sucht.
Warum in der Ferne tauchen, wenn das Gute doch so nah liegt? Die Frage schoss mir das letzte Mal im November durch den Kopf, als ich mal wieder völlig fasziniert meinen Tauchbuddy in über 30 Metern Entfernung beobachtete. Er schwebte gerade an einer Baumkrone vorbei, deren anderes Ende gute 12 Meter unter ihm im Boden verschwand. Als hätte man einem knochentrockenen Tannenbaum die Nadeln abgeschüttelt, stapelten sich am unteren Stammende hunderte herabgefallene Muscheln kreisrund auf dem Boden.
Weitblick
Hinter Taucher und Baum – weitere 20 Meter entfernt – konnte man im grünen Dunst noch eine Steilwand erkennen, auf deren oberem Ende wieder kleine Bäumchen standen. Das fahle Weiß des Untergrunds glich einer geschlossenen Schneedecke. Ab und an rieselte eine weitere Muschel vom Baum herab. Was für ein Szenario! Ganze neun Grad Wassertemperatur zeigte der Tauchcomputer an. Immerhin vier Grad mehr als an der Luft. Die Sichtweite war nur durch die nahende Dunkelheit etwas schlechter als sonst und dennoch weit über 30 Meter.
Märchenwelt
Das »Ambiente«: eine Mischung aus Märchenwald und Traumlandschaft im grünen Schleier. Die Sprungschicht hatten wir dieses Mal schon in zehn Metern Tiefe durchbrochen. Der milchig graugrüne Nebel lichtete sich – und da war sie wieder: die Szenerie, die bis jetzt noch jeden aus den Socken gehauen hat, der sich hier im Geiseltalsee unter die 20-Meter-Marke versenkte.
Mein See
Keine Ahnung, ob der See mich emotional so in seinen Bann gezogen hat, weil er direkt vor meiner Haustür liegt. Ob es damit zusammenhängt, dass ich direkt hinter dem hiesigen Weinberg aufgewachsen bin. Oder dass meine Oma damals zu DDR-Zeiten hier als eine der wenigen Frauen im Braunkohletagebau auf einem der Monsterbagger arbeitete. Am Ende wird jeder der Punkte eine Rolle spielen. Und die größte Rolle spielt der See selbst: Jeder Tauchgang – und sei es zigmal derselbe Platz – ist anders. Jede Wetterlage verändert die Tiefe der Sprungschicht, jede Jahreszeit und jeder Sonnenstand bringen andere Lichtverhältnisse hervor. Und jede Seelaune lässt denselben Tauchgang völlig anders erscheinen. Mitunter vertauchen wir uns auch zigmal an ein und derselben Stelle. Kein Wunder, wenn man durch die unterseeischen Wälder »streift«, und die Gedanken sich in der Schönheit der Szenerie verlieren statt sich auch den Rückweg einzuprägen.
Sichtriese
Eigentlich möchte ich an dieser Stelle gar nicht zu viel verraten, was hier auf tauchende Besucher wartet. Ich kann nur versichern, dass es sich lohnt, man dem See verfallen wird, und sich so etwas wie eine »Seensucht« einstellen wird. Nur so viel noch für die Flachtaucher unter uns: Wer sich nicht den Hintern unter der Sprungschicht abfrieren und auch kein Fan von dickem Neopren oder Trockentauchanzügen ist, kommt dennoch voll auf seine Kosten.
Der Flachwasser- und Uferbereich profitiert von den fleißigen Muscheln im See. Sie filtrieren und vermehren sich so rasant, dass auch die Sicht über der Sprungschicht einfach nur der Hammer ist. Und so finden sich im Sommer in den ewig langen Schilfzonen und Seegraswiesen genügend »Attraktionen« für »Fünf-Millimeter-Neo-Taucher« und den schnorchelnden Anhang. Theoretisch ist der See für alle »Taucher-Arten« attraktiv.
Seine Maximaltiefe liegt bei 84 Metern (im derzeit noch nicht erschlossenen Nordbecken) und bei maximal 53 Metern im derzeit zugänglichen Süd-West-Becken.
Der Geiseltalsee in Sachsen-Anhalt ist mit rund 19 Quadratkilometern Fläche und bis zu 84 Metern Tiefe der größte künstliche See Deutschlands und ein außergewöhnliches Binnen-Tauchrevier. Entstanden aus einem ehemaligen Braunkohletagebau, bietet er heute exzellente Sichtweiten von teils über 30 Metern, markante Sprungschichten, versunkene Wälder und Steilwände.
Das Tauchen reicht von komfortablen Flachwasser- und Schnorchelbereichen bis zu anspruchsvollen Tieftauchgängen unterhalb der Sprungschicht. Zwei registrierte Tauchbasen regeln den Zugang. Besonders charakteristisch ist die durch Muschelbewuchs gefilterte Wasserqualität, die den See ganzjährig attraktiv macht. Zusammenfassend eignet der Geiseltalsee sich für Anfänger, Fortgeschrittene und erfahrene Taucher, erfordert jedoch Anmeldung und Planung.
Mehr als »nur« Tauchen
Und wem das Tauchen im See nicht reicht, dem bietet sich dennoch keine Ausrede, den Geiseltalsee nicht zu besuchen. Zum einen liegt er nur ein paar Minuten von der Autobahnabfahrt der A38 hinter Leipzig beziehungsweise dem Autobahnkreuz der A9 entfernt. Und andererseits gibt es hier alles, was das Urlauberherz begehrt: drei Häfen, Hausboote, einen Seedampfer, über 40 Kilometer Rad- und Wanderwege, einen Weinberg, zahlreiche Wassersportmöglichkeiten inklusive Surfen, Segeln und Kiten, einen Campingplatz mit Komfort in jeder Preislage, mehrere Strände, viele kleine private Badebuchten und extrem viel Natur, die im Laufe der Tagebau-Renaturierung entstanden ist.
Infrastruktur
Für uns Taucher gibt es kleine Hürden, die aber keine sind. Insgesamt bieten zwei Tauchbasen ihre Dienste am See an. Mein Herz gehört dem Tauchzentrum Geiseltalsee – perfekt auf der Halbinsel Stöbnitz gelegen. Mit viel Liebe und Herzblut betrieben, voller Ideen und Zukunftsvisionen, und echte Macher und »Voranbringer«, was das weitere Erschließen des Sees angeht. Einfach zum See fahren und abtauchen geht nicht: Anmeldungen sind dringend erforderlich. Und so endet meine Geschichte, wie sie begann – mit meiner Erinnerung an den letzten Tauchgang, der trotz schlechten Wetters einfach nur der Hammer war. Danke dir, Geiseltalsee, dass du so bist, wie du bist und mich immer wieder von Neuem »entzückst«. Und Euch, liebe Tauchfreunde, sei ein Besuch des Geiseltalsees ans Herz gelegt. Aber Vorsicht, es könnte süchtig machen!
Lage & Tauchgebiet – TAUCHEN im Geiseltalsee
Region: Sachsen-Anhalt, südlich von Halle (Saale)
Anreise: wenige Minuten von A38 (Leipzig) und A9
Gewässertyp: gefluteter Tagebau
Becken: Süd-West-Becken (zugänglich), Nordbecken (noch nicht erschlossen)
Ein zentral gelegenes, hervorragend erreichbares Binnen-Tauchgebiet mit ungewöhnlicher Unterwasserstruktur.
Organisation & Zugang
Tauchbasen: 2 zugelassene Betriebe
Zugang: nur nach Anmeldung
Empfohlene Basis: Tauchzentrum Geiseltalsee (Halbinsel Stöbnitz) LINK zur BASIS
Ausrichtung: engagiert, visionär, stark in der Erschließung neuer Spots
Hinweis:
Freies Abtauchen ohne Registrierung ist nicht erlaubt.
Freizeit & Umgebung
drei Häfen
Hausboote & Seedampfer
über 40 km Rad- und Wanderwege
Weinberg „Goldener Steiger“
Strände, Badebuchten, Camping
Wassersport: Segeln, Surfen, Kiten
Der Geiseltalsee ist ein vollwertiges Naherholungs- und Urlaubsgebiet – auch für Nichttaucher.
Für wen eignet sich das Tauchen im Geiseltalsee?
Ideal für:
Flachtaucher, Tieftaucher, Kaltwasserfans, Fotografen, Schnorchler
Eingeschränkt:
Kälteempfindliche Taucher ohne Trockentauchanzug
Nicht geeignet:
Spontantauchen ohne Anmeldung
Während zahlreicher Tauchgänge bei unterschiedlichsten Bedingungen zeigte sich der Geiseltalsee als extrem wandelbar: Jede Jahreszeit, jeder Sonnenstand und jede Sprungschicht verändern denselben Platz vollständig. Selbst bekannte Einstiege wirken bei jedem Abtauchen neu.
Der Geiseltalsee ist eines der außergewöhnlichsten Binnen-Tauchreviere Deutschlands und verbindet exzellente Sicht, große Tiefen und einzigartige Unterwasserlandschaften. Somit eignet er sich für nahezu alle Tauchlevel, erfordert jedoch Planung und Respekt vor kaltem Wasser. Wer einmal unter die Sprungschicht getaucht ist, entwickelt fast zwangsläufig eine „Seensucht“.