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Interview: Ben Reymenants zur Höhlenrettung in Thailand

Höhle von innen
Ben ReymentensÜber Ben Reymenants

Der gebürtige Belgier lebt seit zehn Jahren mit seiner Frau Simone in Phuket, Thailand. Dort betreiben sie gemeinsam Tauchcenter Blue Label Diving. Sie haben sich auf technisches Tauchen spezialisiert und bieten mit ihrem Team erfahrener Instruktoren bieten Kurse in Höhlentauchen und Rebreathertraining an. In der Tauchwelt ist Ben bekannt für seine Expertise bezüglich des Höhlentauchens.

Mehr Informationen zu Ben und Blue Label Diving gibt es hier : www.bluelabeldiving.com

Robin Van Tilburg: Eigentlich warst du gerade auf dem Weg in den Urlaub als man dich bat bei der Bergung der Kinder behilflich zu sein. Wie wurdest du involviert in die ganze Aktion?

Ben Reymenants: Meine Frau Simone und ich betreiben seit zehn Jahren ein Tauchcenter in Phuket und sind auf’s Höhlentauchen spezialisiert. Ich war schon am Flughafen und auf dem Weg in den Urlaub, da erhielt ich einen Anruf von einem Bekannten, der mit den thailändischen Navy Seals in Kontakt steht und weil die Bergung nach Höhlentaucherfahrung verlangte, dachte er direkt an mich. Zwei Stunden später saß ich auch schon im Flieger nach Chiang Rai, um zu helfen.

T: Wie war die Lage vor Ort?

R: Vor dem Eingang der Höhle war in kürzester Zeit ein kleines Zelt-Dorf entstanden. Es hatte einige Tage durchgehend geregnet und so stapften Ingenieure, Sanitäter und alle anderen die an der Bergung beteiligt waren durch dicken Schlamm. In der Höhle selbst war das Chaos sogar noch größer. Lange Kabel und Pumpen wurden installiert, die Navy Seals waren damit beschäftigt, die nötigen Stages strategisch klug zu positionieren.

T: Wie sah es denn unter Wasser aus?

B: Schlimm. Die Sicht lag bei Null. Es war weniger Wasser, als vielmehr dicker Schlamm. Wegen der Strömung musste ich mich am Seil und an Steinen vorwärtsziehen. Wenn man bedenkt, dass ich nicht nur mein Kreislaufgerät, sondern auch drei Stages umgeschnallt hatte, könnte man sagen die Bedingungen waren nicht gerade ideal. Und das war nur der Weg zu Camp 3! Im späteren Verlauf gab es keine Leinen mehr, da dort niemals jemand getaucht hatte.

Foto: Mikko Paasi. Zwei Höhlentaucher in der Basis, etwa 700 Meter in der Höhle.
Foto: Mikko Paasi. Zwei Höhlentaucher in der Basis, etwa 700 Meter in der Höhle.

 

T: In anderen Interviews erwähntest du bereits, dass du persönlich niemals ohne guten Grund in diese Höhle gehen würdest…

B: Ich denke es ist wichtig realistisch zu sein. Die Bedingungen in dieser bestimmten Höhle sind einfach zu schlecht um sicher tauchen zu können. Die Strömung kann einen überraschen und bei null Sicht und den teilweise sehr engen Passagen ist es extrem schwer Leinen zu legen und die eigene Sicherheit, geschweige denn die des Buddys zu gewährleisten. Davon abgesehen, ist die Höhle sehr lang. In Frankreich oder Florida könnte man leicht Scooter einsetzen, um die drei Kilometer entspannt zurückzulegen. Hier, unter diesen Umständen, ist das unmöglich.

T: Trotzdem gelang es euch in die Höhle zu kommen… 

B: Die ersten zwei Tage waren die schlimmsten. Zu Beginn wussten wir nicht einmal, ob die Verschütteten noch am Leben waren. Es war alles nur Spekulation. Ich ging also in die Höhle ohne jede Ahnung was mich erwarten würde. Die meiste Zeit arbeitete ich mit zwei Zentimeter Sicht und gefährlichen und unberechenbaren Strömungen. Ich blieb ein paar Mal stecken und musste auch einige Male wieder umkehren, wenn die Situation zu gefährlich wurde. An einem Tag blieb ich stecken und als mich eine starke Strömung überraschte musste ich gegen einen extremen Sog ankämpfen. Mein Buddy Maksym musste mich über einen halben Meter an meinen Flossen Zentimeter für Zentimeter wieder herausziehen. Klar mag ich Adrenalin und den Thrill beim Tauchen, aber das war alles andere als spaßig.

Ich dachte die Chancen im Lotto zu gewinnen wären größer, als dieses Vorhaben.

T: Wie hast du die Kraft gefunden, immer wieder dein Equipment anzulegen ohne zu wissen, ob es überhaupt zu irgendetwas führt?

B: Wir mussten einfach alles in unserer Macht stehende tun um die Fußball Mannschaft zu finden. Aber es war nicht nur wegen der Kinder, ich bin auch wegen der Navy Seals immer wieder herein gegangen. Es waren alle starke und motivierte Männer, die aber keine Erfahrung im Höhlentauchen hatten. Ich hatte das Bedürfnis ihnen zur Seite zu stehen und sie zu unterstützen um auch zu ihrer Sicherheit beizutragen.  Die Bedingungen wurden am dritten Tag glücklicherweise etwas besser. Ich fand endlich die Passage, nach der wir die ganze Zeit gesucht hatten. Das war der Moment in dem ich wieder etwas Hoffnung schöpfte, dass wir die Verschütteten würden finden können.

T: Am zweiten Juli nach sieben Tagen Tauchen und insgesamt zehn Tage, nachdem die Gruppe eingeschlossen wurde, fanden die britischen Taucher das Team. Kannst du diesen Moment beschreiben?

B: Dieser Moment war nicht weniger als fantastisch. Ich persönlich war überrascht von der postitiven Haltung des Teams. Immerhin verbrachten sie ganze zehn Tage in einer dunklen Höhle voller Fledermauskot ohne Essen, Sonnenlicht und ohne zu wissen, ob und wann sie jemand finden würde. Wir außerhalb der Höhle waren absolut euphorisch! Aber wir waren auch fokussiert. Es war ein Kampf gegen die Elemente und nun wo wir das Team gefunden hatten, mussten wir alle heil aus der Höhle herausbekommen.

Foto: Mikko Paasi. Der Finne Mikko Paasi präpariert eine Trage für die Eingeschlossenen.

T: Es waren starke Stürme vorhergesagt…

B: Ja, es musste alles sehr schnell gehen. Wären die Stürme zu früh gekommen, hätten wir drei Monate warten müssen, um den nächsten Rettungsversuch zu unternehmen. Wir versuchten wirklich alles. Wir bauten einen Damm und installierten gigantische Pumpen um Wasser aus der Höhle zu pumpen. Ich erhielt auch einen Anruf vom Tesla CEO Elon Musk, der ebenfalls an einer möglichen Lösung arbeitete. Die Idee kam jedoch nicht zur Anwendung. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass wir mehr Expertise brauchten. Deshalb rief ich zwei erfahrene Höhlentaucher an, mit denen ich hervorragende Erfahrungen in Thailand und Australien gemacht hatte: Richard „Harry“ Harris und Craig Challen. Harry ist nicht nur ein erfahrener Höhlentaucher, sondern auch Arzt und erhielt von der thailändischen Regierung diplomatische Immunität für den Fall, dass etwas schief gehen würde. Harry und Craig kamen schon am nächsten Tag.

T: Von da an ging alles ganz schnell…

B: Craig und Harry übernahmen quasi ab diesem Punkt. Sie trieben die Idee mit den Vollgesichtsmasken voran und Harry war auch der Arzt, die letzten drei Tage bei den Jungs blieb und als letzter herauskam.

T: Warst du dir während der gesamten Operation darüber bewusst, in welche Gefahr du dich selbst brachtest?

B: Die Tage verliefen wie folgt: acht Stunden in der Höhle, zwei Stunden Flaschen füllen und Equipment vorbereiten, im besten Fall vier Stunden Schlaf und dann wieder von vorn. Also nein, es gab keine Zeit das zu reflektieren.

T: All die Bemühungen waren von Erfolg gekrönt. Alle konnten aus der Höhle gerettet werden. Es grenzt an ein Wunder!

B: Ja, das ist es auch. Wir hatten sehr viel Glück. Die vorher angekündigten Stürme verschonten uns und die Tatsache, dass alle aus dem Fußball-Team überlebten war zwar unser Ziel, aber zu keinem Zeitpunkt eine Selbstverständlichkeit. Rückblickend haben wir die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen doch es gehörte eben auch sehr viel Glück dazu.

Das Interview führte Robin Van Tilburg.

Übersetzung von Nele Engler.