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Irrer Raubbau am hellichten Tag – Interview mit Uli Kunz

Uli Kunz. Foto: T. Mauch

Der Fotograf und Meeresbiologe reist um die Welt, um unter anderem „Terra X“-Dokumentationen zu filmen und zu moderieren, aber auch, um Vorträge zu halten: Unter dem Titel „Leidenschaft OZEAN“ geht er ab Ende Oktober auf Tournee. 50 Termine gibt es, 40 davon werden von Greenpeace präsentiert. Alle Infos auf www.kunzgallerie.de.

Welchen Bezug hast du zu Wasser?

Ich bin weit weg vom Meer in der Nähe des Schwarzwalds aufgewachsen, aber auch dort gab es Tauchvereine, die mich in den Baggersee führten. Da gab es nichts zu sehen, aber das war mir egal. Ich war fasziniert! Nach meinem Biologie-Studium in Kiel habe ich eine Ausbildung zum Forschungstaucher gemacht und begleite seitdem wissenschaftliche Expeditionen. 2013 habe ich mit vier Freunden die Forschungstauchgruppe Submaris gegründet. Wir sind in der Wissenschaft tätig und arbeiten unter anderem für Umweltministerien, drehen aber auch Filme fürs Fernsehen und Produktionsfirmen. Als Botschafter für die Meere sprechen wir in Schulen, auf Festivals und in Firmen, um Menschen für den Ozean zu begeistern.

Wie haben sich die Meere in den letzten Jahre in deinen Augen entwickelt?

Vor 20 Jahren konnten wir bei unseren Tauchgängen viele Aale beobachten. Mittlerweile sind sie offensichtlich fast ausgestorben, zumindest sehen wir sie nicht mehr. Bei Tauchgängen in tropischen Meeren habe ich die Korallenbleiche gesehen, die ganze Atolle verwüsten kann. Diese Bleichen kommen in immer kürzeren Abständen vor, zudem steigt die Wassertemperatur durch die Klimaerwärmung rasant an.

Gibt es auch positive Veränderungen?

Ja, Submaris führt seit vielen Jahren ein Messprogramm auf Helgoland durch, um aufgrund bestimmter Algen Rückschlüsse auf die Wasserqualität ziehen zu können. Der Einfluss von Nährstoffen, zum Beispiel durch die Landwirtschaft, ist in den letzten Jahrzehnten etwas zurückgegangen. Wir sind in Nord- und Ostsee aber noch weit davon entfernt, die gleiche Wasserqualität zu genießen wie vor 200 Jahren.

Sind Schutzgebiete eine Lösung?

Oft kann sich die Natur in solchen Arealen erholen, allerdings brauchen wir viel mehr solcher Gebiete. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Umdenken habe ich in Französisch-Polynesien gesehen. Dort wurde der Fang von Haien verboten, seit 2012 ist die Region das größte Schutzgebiet für Haie weltwelt. Sowas in Europa, etwa für den bedrohten Dornhai, umzusetzen, wäre viel schwieriger. Viele wissen nicht einmal, dass sie mit dem Kauf von Schillerlocken zur Ausrottung dieser Art beitragen.

Der Mensch ist also das Hauptproblem.

Ja, vor allem die Anzahl an Menschen. Jedes Ökosystem kann nur eine gewisse Menge bestimmter Arten aushalten und versorgen. Normalerweise regeln sich solche Kreisläufe von selber: Wenn es keine Beute mehr gibt, verhungern viele Raubtiere. Wir aber können zum Beispiel durch Massentierhaltung das Vorkommen unserer „Beute“ steuern, allerdings auf Kosten des Planeten. Nachhaltig ist das nicht.

Was können wir dagegen tun?

Es wird einen fundamentalen Wandel in Politik, Wirtschaft und unseren Wertvorstellungen geben müssen. Mit der Entwicklung regenerativer Energien, der Eindämmung von Kohlekraftwerken und dem Aufkommen von Elektromobilität geht es in die richtige Richtung. Massentierhaltung ist eines der größten Probleme unserer Zeit mit unabsehbaren Folgen für die Umwelt. Wenn jeder Mensch auf einen Großteil seines Fleischkonsums verzichtet, profitieren alle davon. Der Wasserverbrauch würde sinken, der Ausstoß von Klimagasen wie Methan und Kohlendioxid sowieso.

Wie ist deine Prognose für die Meere?

Wissenschaftler sind sich einig, dass der Eintrag von Kohlendioxid, die Aufnahme von Wärme aus der Atmosphäre und das Ansteigen der Wassertemperatur weitergehen werden. Damit werden Lebensräume verändert, viele weitere Arten werden aussterben. Aber das Leben findet immer seinen Weg und hat sich auch in prähistorischer Zeit nach Massenaussterben wieder erholt. Allerdings sprechen wir da von mehreren Millionen Jahren. Durch die Einrichtung weiterer Schutzgebiete entstehen hoffentlich Oasen im Meer, in denen sich Arten entwickeln und erholen können, denn der Raubbau durch unkontrollierte Fischerei wird zunehmen, bis sie zusammenbricht.

Was tust du in deinem Alltag?

Nur gezielt die Meere zu schützen und den Rest des Lebens unverändert zu lassen, funktioniert meiner Meinung nach nicht. Ich habe nie viel Fleisch gegessen und versuche den Konsum weiter einzuschränken. Submaris arbeitet an verschiedenen Umweltgutachten, die dazu beitragen, bestimmte Bereiche der Nord- und Ostsee besser zu schützen. Leider trage ich durch meine Fernreisen überhaupt nicht zum Klimaschutz bei, was mich immer wieder verzweifeln lässt. Meine einzige Entschuldigung: Ich möchte weiterhin die Begeisterung der Menschen für die Meere durch meine Bilder und Vorträge fördern.

– Stefanie Ann Will

Foto: A. Opris

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