News

Geomar-Forscher präzisieren Modelle zur Geburt des jüngsten Weltmeeres

Pazifik, Atlantik und Indischer Ozean, dazwischen die Landmassen von Amerika, Europa, Asien, Afrika und Australien so kennen wir unsere Erde. Aus geologischer Sicht ist das jedoch nur eine Momentaufnahme. Im Laufe der Erdgeschichte wurden zahlreiche unterschiedliche Kontinente geformt und wieder gespalten. Dazwischen entstanden Ozeane, wobei sich neuer Meeresboden gebildet hat und wieder verschwunden ist. Dieses Prinzip von Werden und Vergehen ist als Plattentektonik bekannt.

Das Rote Meer, an dem sich aktuell die Arabische Halbinsel von Afrika trennt, ist eine der wenigen Regionen der Erde, wo derzeit die Spaltung eines Kontinents und die Entstehung eines Ozeans beobachet werden können. Während eines dreijährigen Gemeinschaftsprojektes, dem Jeddah Transect Project (JTP), haben Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der King Abdulaziz Universität (KAU) in Jeddah, Saudi Arabien, diesen Riss in der Erdkruste mit Hilfe von Meeresbodenkartierungen, Probennahmen und magnetischer Modellierung genau unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die frühen Stadien ozeanischer Becken und ändern im Speziellen die Lehrmeinung über das Rote Meer, sagt Dr. Nico Augustin vom GEOMAR, der Erstautor der Studie ist.
Unumstritten ist, dass vulkanische Aktivitäten einen Kontinent dehnen und ausdünnen, bevor er aufreißt und ein neues Ozeanbecken entsteht. Der Riss entsteht an der Stelle mit der größten Dehnung. Stoff für Diskussionen bieten lediglich die Details der Prozesse beim Reißen.
Spannende Ansatzpunkte für neue Untersuchungen
Bislang war die gängige Meinung anders: Ein Kontinent reißt mehr oder weniger zeitgleich entlang einer ganzen Linie und das Ozeanbecken entsteht damit auf einen Streich. Ausgerechnet das Rote Meer passte jedoch nicht in dieses Bild. Hier wurde ein Modell mit mehreren aneinander gereihten, kleineren Rissen favorisiert, die sich nur allmählich vereinen würden, was auf eine langsame Entstehung mit zeitlich großskaliger Übergangsphase hindeutet. Die neue Studie verwirft dieses Bild von vielen kleinen Rissen: Unsere Untersuchungen zeigen, dass das Rote Meer keine Ausnahme darstellt, sondern sich in die Reihe der anderen Ozeanbecken einreiht, betont Augustin. Das bisherige Bild vom Untergrund im Roten Meer war einfach von Salzgletschern verfälscht.
Diese Salzablagerungen stammen aus der Frühphase der Entstehung des Roten Meeres, als das Gebiet von einem Flachmeer bedeckt war. Durch mehrfaches Austrocknen sind mächtige Salzablagerungen entstanden, die später zusammen mit der kontinentalen Kruste aufrissen. Über geologische Zeiträume verhält sich Salz wie Teer und fängt an zu fließen. Unsere neuen, hochauflösenden Meeresbodenkarten und magnetischen Modellierungen zeigen, dass die Kilometer mächtigen Salzablagerungen nach der Abspaltung der Arabischen Platte von Afrika wie Gletscher der Schwerkraft folgend in den neu entstandenen Graben und damit über die ozeanische Kruste flossen, erklärt Augustin. Da diese submarinen Salzgletscher den Riss nicht ganz gleichmäßig über die gesamte Länge abdecken, entstand fälschlicherweise der Eindruck mehrerer kleiner Risse.

Die Folgen der neuen Entdeckung sind tiefgreifend: Einerseits scheint es tatsächlich weltweit nur einen einzigen Mechanismus für das Aufreißen eines Kontinents zu geben. Andererseits ist noch nicht bekannt, wie viel Ozeankruste vom Salz verdeckt wird, was die Altersdatierungen des Roten Meeres infrage stellt. Hinzu kommt, dass im vulkanisch aktiven Grabenbruch des Roten Meeres, umzingelt von Salzgletschern, eine gigantische Senke gefüllt mit einer heißen, sehr salzhaltigen Lösung liegt. Da das Sediment in der Salzlösung reich an Metallen ist, ist dieses sogenannte Atlantis II Tief auch von wirtschaftlichem Interesse, sagt Co- Autor Devey. Es ist durchaus vorstellbar, dass auch während der Öffnungsphase anderer Ozeane ähnliche, mit Vulkanismus und Salzablagerungen assoziierte Lagerstätten entstanden. Unsere Untersuchungen helfen also einerseits, alte Forschungsfragen zu klären. Andererseits bieten sie Ansatzpunkte für neue Untersuchungen in allen Ozeanen, erklärt Augustin.

Die vollständige Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift Earth and Planetary Science Letters veröffentlicht worden.

Weitere Infos:
www.geomar.de