Schlammvulkane sind morphologische Erhebungen, an denen mit Gas und Wasser gesättigte Schlämme aus dem Untergrund austreten. „Dabei bilden sich manchmal Kegel, die stark an Vulkane im Kleinformat erinnern“, erläutert Geologe Dr. Hensen. Sie kommen an nahezu allen Kontinentalhängen vor. Oft entstehen sie über besonders dicken Sedimentablagerungen, unter anderem vor großen Flussmündungen wie zum Beispiel dem Nildelta, wo sich über die Jahrtausende riesige Mengen an Schlamm angesammelt haben. Auch vor der Südküste Portugals und Spaniens sind etliche Schlammvulkane bekannt. Dort existieren mächtige Sedimentpakete, die zum Teil durch Plattenbewegungen aufeinandergeschoben worden sind. „Abzu, Tiamat und M. Ivanov befinden sich aber nicht auf diesem sogenannten Akkretionskeil. Sie liegen westlich vorgelagert, im Bereich einer geologischen Störung entlang der afrikanisch-eurasischen Plattengrenze. Bisher gab es nur die Vermutung, dass dort auch Schlammvulkane liegen könnten. Jetzt haben wir den Beweis“, so Dr. Hensen.
Das Forscher-Team an Bord der „Meteor“ hat die Vulkane während der Expedition M86/5 zunächst mit dem Autonomen Unterwasserfahrzeug (AUV) ABYSS vermessen und dann mit Schwereloten beprobt. Die Proben konnten anschließend in den Laboren der beteiligten Einrichtungen präzise analysiert werden. Dabei ergab sich die nächste Überraschung. „Gewöhnlich stammen die Gase und Flüssigkeiten, die aus Schlammvulkanen austreten, aus den Sedimenten darunter. Das Material, das an diesen drei Schlammvulkanen austritt, weist auf eine Quelle in der Erdkruste unterhalb der Sedimente hin“, so der Geologe.
Damit stellen sich der Forschung neue Fragen: Wie genau sehen die Nachschubwege dieser Schlammvulkane aus? Wo gibt es weitere Quellen dieser Art? „Wir kennen heiße Quellen an den mittelozeanischen Rücken, dort, wo neue Erdkruste entsteht. Diese Quellen sind verhältnismäßig einfach zu finden, weil noch keine Sedimente auf der Kruste liegen. Außerdem entstehen aufgrund der hohen Aufstiegsgeschwindigkeiten und der hohen Temperaturen des Wassers auffällige Spuren am Meeresboden, zum Beispiel die berühmten Schwarzen Raucher“, sagt Dr. Hensen. Möglicherweise gibt es ähnliche Prozesse auch in anderen Bereichen des Meeresbodens, vor allem in der Nähe von Störungszonen. „Die neu entdeckten Schlammvulkane sind ein deutlicher Hinweis, dass diese Vermutung stimmt“, ergänzt er. Allerdings wären die Systeme mit zunehmender Entfernung von den mittelozeanischen Rücken schwerer zu finden, weil sie weniger dynamisch sind und die Sedimentbedeckung zunimmt. Die aktuelle Veröffentlichung ist eine wichtige Grundlage für weitere Forschungsprojekte, die helfen sollen, die Transportmechanismen von Flüssigkeiten im Meeresboden besser zu verstehen. Auch während einer der jüngsten Expedition des neuen deutschen Forschungsschiffs „Sonne“ (SO 237) war das AUV ABYSS im Einsatz, um den Meeresboden im Atlantik entlang einer prominenten Bruchzone zu kartieren und weitere Daten für diese Fragestellung zu erhalten. Das Wissen über die heißen und kalten Quellen am Meeresboden, ihre Verbindungen und ihre Nachschubwege ist fundamental, um beispielsweise Prozesse der Plattentektonik besser zu verstehen und Erdbebengefahren besser einzuschätzen. “Die alten Babylonier vermuteten unter dem Salzwasserozean Tiamat einen großen, versteckten Süßwasserozean, den sie Abzu nannten. Schlammvulkane verbinden den Ozean mit dem für uns immer noch geheimnisvollen Untergrund des Meeresbodens und fördern nicht selten auch Süßwasser. Deshalb fanden wir die Namen sehr passend für diese wichtigen Entdeckungen“, sagt der damalige Fahrtleiter.
Originalarbeit
Hensen, C., F. Scholz, M. Nuzzo, V. Valadares, E. Gràcia, P. Terrinha, V. Liebetrau, N. Kaul, S. Silva, S. Martínez-Loriente, R. Bartolome, E. Piñero, V.H. Magalhães, M. Schmidt, S.M. Weise, M. Cunha, A. Hilario, H. Perea, L. Rovelli and K. Lackschewitz (2015): Strike-slip Faults Mediate the Rise of Crustal-Derived Fluids and Mud Volcanism in the Deep Sea. Geology, http://dx.doi.org/10.1130/G36359.1
- Links
- www.flows-cost.eu: Das Projekt FLOWS (Impact of Fluid circulation in old oceanic Lithosphere on the seismicity of transfOrm-type plate boundaries: neW solutions for early seismic monitoring of major European Seismogenic zones)
- www.geomar.de: Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel