News

OHREN und SCHWINDELGEFÜHLE beim TAUCHEN

In unserer Serie behandeln unsere Mediziner die wichtigsten Themengebiete, die im Zusammenhang mit dem Tauchen und den Auswirkungen auf unseren Körper stehen. Diesmal geht es um den Schwindelanfall während des Tauchens.

TEXT: Prof. Dr. med. Claus-Martin Muth & Prof. PD Dr. med. Tim Piepho

Eine der häufigsten Missempfindungen beim Tauchen, die wohl jede/jeder Tauchende schon selbst erlebt hat, ist ein plötzlich einsetzendes, meist nur kurz anhaltendes Schwindelgefühl. Beim Tauchen können vielfältige Faktoren das Auftreten eines solchen Drehschwindels auslösen.

Diese Schwindelattacken haben überwiegend mit den Innenohren zu tun, die zum Beispiel bei ungleichmäßiger Reizung oder bei inadäquaten Reizen widersprüchliche Informationen an das Gehirn weiterleiten, was zu einer Fehlverarbeitung führt: So kommt es zum Drehschwindel.

Typisch, sehr häufig und meist auch harmlos ist ein vorübergehender Drehschwindel. Beim Tauchen kommt es nämlich regelmäßig zu Situationen, bei denen das Innenohr und damit das Gleichgewichtsorgan oder der Gleichgewichtssinn gestört wird.

Hierbei kann grundsätzlich zwischen einer unterschiedlichen Erregung der Gleichgewichtsorgane und einer unterschiedlichen Erregbarkeit der Gleichgewichtsorgane unterschieden werden.

Zu einer unterschiedlichen Erregung kommt es beispielsweise durch plötzliche Temperaturänderungen im Mittelohr auf nur einer Seite. So führt das Eindringen von kaltem Wasser in nur einen Gehörgang regelhaft für kurze Zeit zu einem Schwindelgefühl. Es handelt sich um einen sogenannten kalorischen Vertigo: einen temperaturbedingten Drehschwindel durch die einseitige Temperaturänderung.

Auch Druckunterschiede zwischen den beiden Mittelohren können einen Drehschwindel (alternobarer Vertigo) auslösen. Ursache ist ein einseitig verzögerter Druckausgleich mit unterschiedlichen Druckverhältnissen in den Mittelohren. Dies führt zu einer ungleichmäßigen Reizung der Innenohren, was einen Drehschwindel auslöst. Dieser Schwindel tritt gern nach verzögert erfolgreichem Valsalva-Manöver (Nase zuhalten und pressen) auf. Insbesondere, wenn eine Seite »erfolgreicher« als die andere war.

Während des Auftauchens tritt dieser Drehschwindel sogar häufiger auf. Die Ursache ist hier eine behinderte Druckentlastung des Mittelohrs durch die Eustachische Röhre, also der Verbindung zwischen Mittelohr und Nasen-RachenRaum.

Dieses Phänomen ist beim Auftauchen deshalb häufiger, weil der Druckausgleich beim Abtauchen aktiv, beim Auftauchen jedoch passiv durch die sich ausdehnende Luft im Mittelohr erfolgt. Schon geringe Störungen der Funktion der Eustachischen Röhre können somit Beschwerden verursachen.

Faktoren, die zu einer Funktionsbeeinträchtigung führen können, sind, neben anlage- oder erkältungsbedingten Funktionsstörungen, auch die Schwellung und Reizung der Schleimhäute durch Kälte und trockene Atemluft sowie vor allem eng am Hals sitzende Halsmanschetten von Trockentauchanzügen. Diese können durch einen leichten Blutstau zu einer Schwellung der Schleimhäute führen.

Bei vorbestehender ungleicher Empfindlichkeit beider Gleichgewichtsorgane kann ein Drehschwindel auch bei Reizgleichheit auf beiden Seiten auftreten. So kann durch den Schwebezustand beim Tauchen und Verlust der Kontrolle durch die Augen bei schlechter Sicht oder beim Tauchen im Freiwasser der Kompensationsmechanismus verloren gehen, der die bestehende ungleiche Empfindlichkeit sonst überdeckt.

Dieser durch Reizarmut in der Umgebung bedingte Drehschwindel wird idiopathischer Taucherschwindel genannt. Kommt es zum Auftreten eines solchen Schwindels, sollte man sich mit den Augen einen festen Punkt (zum Beispiel Kompass, Tauchpartner) suchen. In den meisten Fällen werden die Symptome dadurch gemindert.

Besteht eine ungleiche Empfindlichkeit beider Gleichgewichtsorgane nur auf bestimmte Reize, tritt ein Drehschwindel während des Tauchgangs eventuell nur bei einem entsprechenden (auf beiden Seiten gleich starken) Reiz auf. Auslöser können hier unter anderem ein Tiefenrausch, eine Sauerstoffvergiftung (Mischgas-Tauchen) oder eine CO2 -Vergiftung sein.

Schließlich können auch schlecht in die Taucherbrille eingepasste Korrekturgläser für Brillenträger sowie auch unter Wasser fortbestehende Beschwerden einer Seekrankheit die Ursache für Schwindelgefühle beim Tauchen sein.

Die bisher beschriebenen Faktoren sind zwar beim Auftreten unangenehm, führen jedoch in der Regel nicht zu einer dauerhaften gesundheitlichen Störung.

Im Gegensatz dazu sind das Innenohr-Barotrauma und die Innenohr-Dekompressionskrankheit sehr ernstzunehmende Ursachen für das Auftreten eines Taucherschwindels und erfordern in jedem Fall die ärztliche Untersuchung und Behandlung.

Es gilt daher: Ein bleibender Schwindel ist immer sehr ernst zu nehmen! Und er bedarf zudem stets der sehr zeitnahen ärztlichen Abklärung.

Drehschwindel beim Tauchen

Vorübergehender Schwindel durch


● einseitigen Temperaturreiz:
kalorischer Vertigo
Ursache: Gehörgangsverschluss,
Trommelfellriss

● unterschiedliche Druckverhältnisse in den Mittelohren:
alternobarer Vertigo
Ursache: Druckausgleichsproblem oder Mittelohr-Barotrauma beim
Abstieg
➜ zu heftig und/oder verspäter durchgeführter Druckausgleich nach Valsalva
➜ Störung der Tubenfunktion oder Mittelohr-Barotrauma beim Aufstieg

● unterschiedliche Erregbarkeit der Gleichgewichtsorgane:
idiopatischer Vertigo
➜ ohne erkennbare Ursache
➜ durch Verlust von Bezugspunkten
➜ durch Verlust von Kompensationsmechanismen bei Reizverarmung
➜ durch atemgasbedingte Probleme

● Sonstiges:
➜ Schlecht angepasste Korrekturgläser in der Taucherbrille
➜ Seekrankheit

Andauernder Schwindel ggf. mit Hörverlust und/oder Ohrensausen


● Innenohr-Barotrauma durch Verlust von Innenohrflüssigkeit
➜ Ursache: schweres Barotrauma des Mittelohrs beim Abstieg oder sehr kräftig durchgeführter Druckausgleich nach Valsalva
Maßnahmen: Bettruhe, schnellstmöglich HNO-ärztliche Abklärung

● Dekompressionserkrankung des Innenohrs (selten)
➜ Ursache: Gasblasen in der
Innenohrflüssigkeit
Maßnahmen: Flachlagerung, normobare Sauerstoffatmung mit 100 Prozent Sauerstoff, Flüssigkeitsgabe, schnellstmögliche Druckkammer-Therapie