Text & Interviews: Alexander Kaßler, Chefredakteur TAUCHEN |
Mir ganz persönlich blutet das Herz, wenn ich auf die vergangenen drei Jahre zurückblicke und sehe, wieviel unschöne Sachen in meinem Lieblings-Tauchreiseland Ägypten passiert sind. Dabei meine ich aber nicht nur die ohnehin schwierige wirtschaftliche und geopolitsche Lage, in der sich das Land befindet, sondern die direkten »Einschläge« rund um den Tauchsport selbst. Schiffshavarien, Brände, Untergänge, Tote, Korallensterben und dazu die nicht immer richtig gewählten Gegenmaßnahmen der örtlichen Behörden. Warum haben wir uns mit der Berichterstattung zurückgehalten? Es war keine leichte Entscheidung, von »Schlagzeilen« abzusehen, immerhin gab es Verletzte und sogar Tote bei den Schiffsunglücken. Allerdings gab es bis heute keine fundierte Aufklärung. »Panikmache«, wie auf anderen Kanälen geschehen, war und ist aus unserer Sicht unangebracht. Daher widmen wir uns dem Thema auch »nur« mit einer Darstellung der derzeitigen Lage vor Ort und beziehen uns auf verlässliche Aussagen. »Um mindestens 50 Prozent ist die Nachfrage bei unseren Gruppen- und Individualreisen für den Bereich Tauchsafaris in Ägypten eingebrochen«, resümiert beispielsweise Oliver Kurmann von Action-Sport Tauchreisen. Die Reihe durch kämpfen derzeit alle Tauchreiseveranstalter mit Umsatzeinbrüchen in diesem für sie wichtigen Segment. Noch schlimmer trifft es aber die ägyptischen Tauchsafari-Bootsbetreiber und auch die Tauchcenter an Land. Diese wurden und werden gleich doppelt abgestraft. Einerseits durch den Rückgang der Buchungen und andererseits durch die Auflagen, Vorgaben und neuen Richtlinien, die die Behörden vor Ort als Reaktion auf die Schiffsunglücke ins Leben gerufen haben.
Sperrungen aller Häfen entlang der gesamten Küste
Das beginnt damit, dass bis Anfang Juni immer wieder komplette Ausfahrtverbote sowohl für Tagesboote als auch Tauchsafarischiffe entlang der gesamten ägyptischen Rotmeer-Küstenlinie erlassen wurden – alle Häfen wurden geschlossen. Begründung: zu starker Wind. Auch wenn dieser nur lokal oder mitunter gar nicht nachweisbar war. »Zwischen dem 1. Januar und 23. Mai 2025 gab es mindestens 35 Tage mit Küstensperrungen. Das betraf neben den Tauchern aber auch Schnorchel-Anbieter, Kitecenter, Glas- und Submarin-Boot-Anbieter. Da hängt ein ganzer Industriezweig mit tausenden von Arbeitnehmern als Rattenschwanz dran, denen nicht nur an diesen Tagen das Einkommen fehlt. Schlimmer noch: Gäste bleiben auch in den folgenden Monaten und Jahren weg«, gibt Wolfgang Clausen von Orca Dive Clubs zu bedenken. Anfang Juni kam es zu Gesprächen mit den zuständigen Behörden, und man kehrte zur mehr oder weniger »alten« Regelung zurück, dass die volle Verantwortung auf Seiten der Betreiber und Kapitäne liegt, bei starken Winden in See zu stechen.
Die Kette der Unglücksfälle
Angeheizt durch die Berichterstattung in den sozialen Medien wurde in den letzten 12 Monaten der Eindruck vermittelt, dass ein gesamtes Tauchbusiness von Jetzt auf Nun jegliche Sicherheitsmaßnahmen über Bord geschmissen hätte und zum Bestattungsunternehmen der Tauchbranche wurde – die ägyptische Tauchsafari-Bootbranche versank in Schreckensnachrichten.
Dafür verantwortlich: die unfassbar tragischen Bootsuntergänge der »Charlton Queen« und der »Sea Story«, bei denen Tote beklagt werden mussten. Dazu zig Brände auf Tages- und Safarischiffen, Riffkollisionen. Menschliches Versagen und plötzliche Wetterwechsel – in kürzester Zeit kam so viel zusammen wie in Jahrzehnten nicht. Die Schuldigen waren zumindest in unzähligen Beitragskommentaren auf Social Media schnell gefunden: die Safari-Bootbetreiber und die Bootscrews. »Es wurde an allen Ecken und Enden gespart. Keine Investitionen in Sicherheitsmittel, mangelhafte Ausbildung des Personals und der Bootscrews und eine falsche Bauweise der neuen Safarischiffe«, lautete die Kommentar-Essenz der »Allwissenden«. Die Reaktion und Begründungen der Bootsbetreiber und Tauchreiseveranstalter: »Die enorme Zunahme der Ausfahrten und stetig steigende Zahl der operierenden Boote führt auch zu mehr Zwischenfällen.« Das Argument von Reiseanbietern, dass derlei bei »renommierten Booten« aus der eigenen Angebotsliste nicht passiert, musste spätestens mit dem Brand der »Seven Seas«, dem einstigen Pionierschiff »sicherer Safari-Boote« auf die Aussage reduziert werden, die die einzig zutreffende ist: Es kann immer und überall etwas passieren. Absolute Sicherheit gibt es schlichtweg nicht. Was übrigens auch der Blick nach Südostasien, in die Karibik oder nach Australien – exemplarisch für die ganze Welt – zeigt: Auch dort brannten innerhalb des letzten Jahres zig Schiffe, liefen auf Riffe auf und gingen unter. Nur war man hier weiter weg, was die Augenzeugen-Berichterstattung anging.
Ein Blick hinter die Kulissen
»Wenn es so einfach wäre, würden wir mit unseren Booten schon längst Ägypten verlassen und anderswo operieren«, so die resignierte Aussage eines Bootsbetreibers aus Ägypten. Warum? »Auflagen und Preise sind im letzten Jahr unzumutbar geworden.« Und das zum Teil als hilflose Reaktion der ägyptischen Behörden auf die immer lauter werdenden Schreie, dass endlich etwas unternommen werden sollte. So dürfen derzeit (Stand Juni 2025) nur noch Safari-Boote mit zertifizierten Mechanikern an Bord operieren. Diese Zertifikat-Lehrgänge sind rar, nehmen viel Zeit in Anspruch und setzen außerdem voraus, dass der Mechaniker lesen kann. »Jetzt muss ich meinen alten Mechaniker entlassen, der das Boot seit Jahren in- und auswendig kennt, um einen unerfahrenen, aber zertifizierten Mechaniker einzustellen? Der weiß um seine Rolle und verlangt mehr Lohn, als beispielsweise der Kapitän bekommt. Wie soll das funktionieren?« Eine Frage, die sich derzeit viele Bootsbetreiber stellen. Eine Regelung, aufgestellt ohne Verstand und Einblicke in die Realität vor Ort. Konsequenz daraus: Wirklich sicher ist nur eines: Der Betrieb des Bootes wird noch teurer. Über die Sicherheit im Motorraum kann nur spekuliert werden.
Bürokratie, die dauert
Ein weiteres Beispiel realitätsferner Vorschriften: Jedes Boot muss vor Auslaufen eine entsprechende Auslaufgenehmigung einholen. Erscheint ein Gast nicht, oder wird kurzfristig ein Crew-Mitglied krank, muss diese Genehmigung erneuert werden. Dumm nur, dass zwischen Abgabe der Papiere und Erteilung der Genehmigung oft Tage liegen. So wird aus einer Sieben-Tage-Tour schnell mal nur eine Fünf-Tage-Tour. »Früher wurde das im Nachgang oder auf kurzem Dienstweg geregelt«, erfährt man von verzweifelten Cruise-Direktoren, die dann den gerechtfertigten Frust der Gäste zu spüren bekommen.
Importschwierigkeiten
Und noch ein wichtiger, weil kaum bekannter Punkt: Der Schrei nach den modernsten Rettungsmitteln ist völlig gerechtfertigt. Nur gibt es das Problem, dass es diese in Ägypten einerseits nicht einfach so zu kaufen gibt und sie noch viel schwieriger bis gar nicht ins Land importiert werden können und dürfen. Das beginnt bei Kleinigkeiten wie Feuermeldern, geht hin zu Rettungswesten und endet bei SOLAS-normierten Rettungsinseln. Viele von uns, die als privilegierte Gäste aus Europa nach Ägypten reisen, blenden oft aus, dass wir uns in einem Land mit anderen wirtschaftlichen und sozialen Realitäten bewegen. Weit weg von europäischen Normierungen, DIN-Vorschriften und noch viel weiter entfernt von regelgerechten Kontrollen selbiger.
Augen zu und durch?
Wie kann man sich als Fan des Tauchens vom Safari-Schiff absichern oder wenigstens das Risiko eines Unglücksfalls minimieren?
– Buchung über einen Veranstalter als Pauschalreise in die Wege leiten. Somit ist man über diesen und dessen Reisesicherungsschein versichert, wenn es zu Ausfällen kommt. Hierzu rät der ADTO (Association of Dive Tour Operators): »Wir empfehlen, vor Buchung einer Tauchreise bei einem Reiseveranstalter genau zu prüfen, ob Vorschriften des europäischen Reiserechts eingehalten werden, wie zum Beispiel ein Schutz bei Insolvenz des Veranstalters. In Deutschland ist dafür die Ausstellung eines Reisepreis-Sicherungsscheins, in Österreich eine Insolvenzabsicherung notwendig. Das ist ein sehr guter Indikator dafür, dass der Vertragspartner auch seine sonstigen vertraglichen Pflichten ernst nimmt und beispielsweise Leistungsträger in den Zielgebieten regelmäßig überprüft. All unsere Mitglieder haben einen solchen Versicherungsschutz.«
– Fragen Sie explizit den Termin der letzten Vor-Ort-Inspektion an und ob es Sicherheitsbedenken geben könnte.
– Informieren Sie sich vorab (tauchen.de, taucher.net, scuba-advisor.com) über Erfahrungen, die andere Taucher gesammelt haben. Vor Ort zählt mehr als nur der erste Eindruck.
– Bleiben nach dem Boots- und Sicherheitsbriefing Ihrerseits Fragen offen, sollte nachgehakt werden.
– Machen Sie den Verantwortlichen vor Ort auf Ihre Bedenken aufmerksam oder geben Sie eine entsprechend zeitnahe Rückmeldung an Ihren Reiseveranstalter.
Wo ist die Sicherheit?
Im Rahmen der Aufarbeitung der vergangenen Unglücksfälle tauchte immer wieder der Vorwurf auf, dass Safarischiffe in Ägypten keine internationalen Sicherheits-Standards erfüllen. Einzig die »Royal Evolution« erfüllt durch ihre Bauweise und Sicherheits-Konzeption den sogenannten SOLAS-Standard, der eigentlich nur für Handelsschiffe ab 500 BRT gilt. Weltweit müssen Freitzeitboote, zu denen Tauchsafari-Boote gehören, diesen Standard nicht vorweisen, um operieren zu dürfen. Gerade macht das Online-Medium »taucher.net« Werbung für einen Sicherheits-Check, welcher als Audit (unabhängige Prüfung und Dokumentation) den Bootsbetreibern von einer australischen Firma (MSI) angeboten wird. Hier fließen Aspekte wie Bauweise und Sicherheitsmittel in die Beurteilung ein. Am Ende ist jedoch auch hier klar: Kein Boot kann die volle Punktzahl erreichen. »Wie sollen wir unsere Holzboote – und somit die Mehrzahl ägyptischer Safari-Boote – im Nachgang mit Schotten nachrüsten?« Aus Sicht vieler Bootsbetreiber nur einer von mehreren Punkten, die dieses Audit als wenig zielführend bezeichnen. »Zudem«, wie Wolfgang Clausen von Orca Dive Clubs anmerkt, »reagieren sowohl die ägyptischen Behörden wie auch Bootsbetreiber in dieser Angelegenheit empfindlich auf äußere Einflussnahme.«
Was also tun? Darauf hoffen, dass nichts passiert, kann nicht das Mittel zum Zweck sein. Darauf hoffen, dass das MSI-Audit die besten Boote ausweist und dann auf diesen einchecken? Das beschränkt (Stand heute) die Auswahl extrem und heißt am Ende nur: das Beste der schlechten Boote zu buchen. Oder verlässt man sich auf das »neue« Sicherheits-Bewusstsein der Bootsbetreiber und Tauchreiseveranstalter, die selbst »alles tun, um die größtmögliche Sicherheit zu gewähren, Checks durchführen und nur Partner auswählen, auf die man sich seit Jahren verlassen kann?« Bei mir selbst keimt die Hoffnung, dass die vergangenen Unfälle auch die bisher nachlässigen Betreiber und auch die ägyptischen Behörden wachgerüttelt haben, sich endlich des Themas anzunehmen. Die haben schließlich am meisten auf Kosten der seriösen Anbieter am Geschäft partizipiert und sind Schuld daran, dass genau diese »Seriösen« nun am meisten unter den Fehlern der »schwarzen Schafe« leiden müssen.
Am Ende
Lassen Sie sich bitte nicht von der Panik der anderen anstecken. Denken Sie daran: Ein Mal eine negative Schlagzeile in der Social-Media-Zeitleiste angeklickt, und schon wird die Welt schlechter, als sie wirklich ist. Aber denken Sie auch daran, aufmerksam zu sein und beim nächsten Boots- und Sicherheitsbriefing genauer hinzuhören. Es sind bereits viel zu viele Unterwasser-Enthusiasten gestorben. Und ganz am Ende nicht zu vergessen: Unser Beileid an die Hinterbliebenen der Opfer der bisherigen Unglücke.
INTERVIEWS ZUM THEMA:
Wir haben uns mit Fragen an Veranstalter, Bootsbetreiber und Medienakteure gewandt, um die Lage aus verschiedenen Perspektiven klarer darzustellen. Leider wurden unsere Anfragen aber auch von einigen Akteuren ignoriert. Nach Redaktionsschluss und einen Monat zu spät kam auch ein Statement von einem der wichtigsten »Player« in diesem Spiel – der Chambers of Diving and Water Sports (CDWS), die sich für alle Regularien rund um das Tauchen in Ägypten verantwortlich zeichnet.
Im Gespräch mit der CDWS (Chambers of Diving and Water Sports) www.cdws.travel
Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen für die Serie von Schiffsunfällen, die sich in den letzten zwei Jahren im ägyptischen Roten Meer ereignet haben? Wie können solche Unfälle Ihrer Meinung nach verhindert werden, und was kann die Suezkanal-Behörde tun, um zu helfen?
CDWS: Was die jüngsten Bootsunfälle anbelangt, so sind diese bedauerlichen Vorfälle auf verschiedene Umstände zurückzuführen. Solche Fälle werden normalerweise von den zuständigen Behörden untersucht. Obwohl das CDWS an den Untersuchungen beteiligt ist, sind wir nicht befugt, offizielle Erklärungen abzugeben oder Einzelheiten aus den Untersuchungen zu veröffentlichen. Um auf Ihre zweite Frage einzugehen, möchte ich klarstellen, dass die Suezkanalbehörde nicht in den Betrieb von Safaribooten im Roten Meer involviert ist. Zuständig für die Sicherheitsinspektionen von Booten sind das Verkehrsministerium und die ägyptische Behörde für Seeverkehrssicherheit.
Im Jahr 2025 kam es häufiger als sonst zu Sperrungen der gesamten Küste. Dies war für die meisten Tauchbasen völlig unverständlich. Was sind die Gründe dafür und wie kann CDWS helfen?
CDWS: Wie Sie vielleicht wissen, ist die CDWS für die Regulierung von Tauch- und Wassersportdienstleistungen auf Safaribooten und die Einhaltung von Sicherheitsstandards zuständig. Die vorübergehende Schließung des Seeverkehrs wurde aufgrund der jüngsten Unfälle und der instabilen Wetterbedingungen verhängt. Der CDWS arbeitete mit mehreren Interessengruppen zusammen und hielt mehrere Sitzungen mit Entscheidungsträgern ab, um eine Lösung zu finden, die den Tourismus so wenig wie möglich beeinträchtigt. Im Ergebnis wurde eine Lösung gefunden, die einen kontinuierlichen Betrieb sicherstellt, wobei die Schließung nur bei schweren Unwettern erfolgt, die die Sicherheit von Touristen und Angestellten gefährden könnten.
Im Gespräch mit dem ADTO (Verband von Tauchreiseveranstaltern) www.adto.de
Antwort auf Sicherheitsbedenken bei Tauchsafaris im Roten Meer
Maik Solf: Wir freuen uns im Kundengespräch immer über Rückfragen und Gespräche zur Sicherheit – sie zeigen, dass auch unsere Kunden großen Wert auf verantwortungsbewusstes Reisen legen. Die im ADTO (Association of Dive Tour Operators) organisierten Reiseveranstalter beobachten und bearbeiten dieses Thema seit vielen Jahren aktiv. Zum einen, weil wir gesetzlich dazu verpflichtet sind, zum anderen, weil Sicherheit für uns höchste Priorität hat.
Die gehäuften Meldungen über Vorkommnisse seit 2022 haben uns alarmiert. Bereits im Januar 2023 wurde im Rahmen der Messe boot Düsseldorf eine Arbeitsgruppe unter breiter Beteiligung der Tauchbranche gegründet. Diese hat wissenschaftliche Untersuchungen zu Ursachen und Auswirkungen von Schiffsunglücken im Tauchbereich initiiert.
Seitdem wurden die Sicherheitsanforderungen an Safari-Schiffe durch die ADTO-Reiseveranstalter deutlich erhöht. Bestehende Checklisten wurden überarbeitet, Leistungsträger intensiver eingebunden und Maßnahmen konkretisiert.
Beispiele unserer Maßnahmen
Auf vielen Safari-Schiffen werden Notfallübungen zu Beginn jeder Tour durchgeführt. Gäste lokalisieren und nutzen ihre Schwimmwesten, werden mit Notausgängen vertraut gemacht und gelangen zu Sammelpunkten – teilweise wird die Feuermeldeanlage zur Probe ausgelöst. Manche Übungen gelten erst als abgeschlossen, wenn alle Gäste auf Beibooten evakuiert sind – damit sind die Abläufe bei Crew und Gästen regelmäßig geübt. ADTO-Vertreter überprüfen regelmäßig Schiffe, Tauchbasen und Unterkünfte anhand standardisierter Checklisten. Dabei werden z. B. Schwimmwesten, Brandmelder, Notausgänge, Rutschhemmung und bauliche Sicherheitsstandards bewertet. Auch die Gäste selbst tragen Verantwortung: durch Aufmerksamkeit, die Teilnahme an Übungen, das Einfordern von Briefings und das Meiden riskanter Verhaltensweisen – wie z. B. das Laden von Geräten in Kabinen.
Sind die Unfälle Einzelfälle oder die Regel?
Solf: Eine pauschale Aussage lässt sich angesichts der Vielzahl an Schiffen nicht treffen. Viele der betroffenen Schiffe waren uns nicht bekannt und wurden nicht von ADTO-Veranstaltern angeboten. Wir stellen jedoch fest, dass etwa in Ägypten teilweise Umbauten genehmigt wurden, die aus schiffbaulicher Sicht problematisch sind. Die Verantwortung hierfür liegt bei den zuständigen Behörden.
Daher setzen ADTO-Reiseveranstalter bevorzugt auf langjährige Partner mit geprüfter Infrastruktur. Wir empfehlen Reisenden, auf die Einhaltung des europäischen Reiserechts zu achten – insbesondere auf Reisepreisabsicherung bzw. Insolvenzschutz, wie durch Sicherungsscheine in Deutschland.
Darüber hinaus betreiben wir das exklusive Bewertungsportal Scuba Advisor. Nur Gäste mit nachweislich durchgeführter Reise können dort Bewertungen abgeben. Diese Bewertungen fließen in unsere Qualitätskontrolle ein – Produkte, die den Anforderungen nicht entsprechen, werden angepasst oder ggf. aus dem Programm genommen.
Absolute Sicherheit kann es nicht geben – aber durch sorgfältige Auswahl, konsequente Prüfung und enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern leisten wir einen aktiven Beitrag zur Risikominimierung. Unsere Checklisten werden kontinuierlich verbessert, um bekannte Schwächen auszuschließen. Unsere Erfahrung zeigt: Die durch ADTO-Anbieter geprüften Safari-Schiffe erfüllen hohe Standards – häufig über dem Mindestmaß.
Im Gespräche mit TAUCHER.NET www.taucher.net
Bereits vor der Häufung der Schiffsunglücke im letzten Jahr habt ihr euch Gedanken gemacht, wie man die Sicherheit der Taucher auf Tauchsafarischiffen verbessern könnte. Wie kam es dazu und was entstand daraus?
Armin Süß: Schon vor der Häufung der Unfälle haben wir uns gefragt: Wie können wir die Sicherheit auf Tauchsafarischiffen wirklich verbessern? Uns war klar, dass es an einer objektiven und transparenten Sicherheitsbewertung für diese Schiffe fehlt. Tauchsafarischiffe unterliegen in der Regel nicht internationalen Vorschriften für Fahrgastschiffe, sondern nur nationalem Recht. Die Spannbreite der angewandten Vorschriften ist daher sehr groß – sie reicht von absolut unzureichend bis vorbildlich. Deshalb haben wir viel Zeit und Energie in die Entwicklung eines Audit-Systems investiert, das in Zusammenarbeit mit Maritime Survey International (MSI) entstanden ist. Dabei geht es uns nicht um finanzielle Interessen – wir verdienen an den Audits nichts. Unser einziges Ziel ist es, die Sicherheit der Taucher zu erhöhen und eine verlässliche Grundlage für sichere Buchungsentscheidungen zu schaffen.
Leider haben die CDWS und andere ägyptische Behörden das in sie gesetzte Vertrauen bisher nicht erfüllt. Die Vorschriftenlage für Bau, Zulassung und Betrieb ist undurchsichtig. Wir haben – auch in anderen Ländern – immer wieder festgestellt, dass es an echter Kontrolle und klarer Durchsetzung mangelt. Deshalb haben wir uns für eine externe Lösung entschieden. Wir glauben, dass nur durch unabhängige Überprüfung echte Veränderungen möglich sind.
Zudem existieren keine international verbindlichen Vorschriften für Tauchsafarischiffe, sodass ein harmonisierter Mindeststandard notwendig ist. Dieser muss unterhalb der Fahrgastschiffsstandards liegen, da viele bestehende Schiffe diese nicht erfüllen können. Wir haben diese Initiative gestartet, weil wir glauben, dass mehr Transparenz und klare Sicherheitsstandards für alle Beteiligten wichtig sind. Natürlich wird das nicht über Nacht funktionieren, aber es ist dringend nötig, wenn wir die Branche langfristig sicherer machen wollen. Wir wissen, dass die Umstellung nicht leicht ist, sind aber überzeugt, dass es sich lohnt.
Ihr wurdet kritisiert für eure Berichterstattung über die Schiffsunglücke und angebliche Panikmache in sozialen Medien. Dies soll auch dazu geführt haben, dass viele Bootsbetreiber euer Audit-Angebot abgelehnt haben. Wie seht ihr das?
Süß: Wir verstehen die Kritik, aber unsere Berichterstattung war nie auf Klicks ausgerichtet. Sie hatte stets das Ziel, sachlich über Vorfälle zu informieren und auf die bestehenden Sicherheitsprobleme aufmerksam zu machen. Fakten bilden das Fundament unserer Arbeit – auch wenn in Einzelfällen noch keine offiziellen Informationen vorlagen. In solchen Fällen kommt es naturgemäß zu gewissen Spekulationen, die in der Erstberichterstattung kaum vermeidbar sind.
Es ist nicht unsere Absicht, Panik zu verbreiten, sondern auf Missstände aufmerksam zu machen, die seit Jahren bestehen. Sicherheit auf Tauchsafarischiffen wurde viel zu lange nicht ausreichend thematisiert. Die Unsicherheit, die angesprochen wird, ist das Ergebnis realer Sicherheitsmängel – und nicht unserer Berichterstattung.
Unsere Audits sollen genau hier ansetzen: Sie bieten objektive Bewertungen, die Betreibern helfen, ihre Sicherheitsstandards zu verbessern. Davon profitieren letztlich auch Reiseveranstalter und Gäste. Der Brand der ‚Conception‘ 2019 in den USA ist der einzige bekannte Unfall, der offiziell und transparent untersucht wurde. Zu allen anderen Vorfällen liegen uns keine öffentlich zugänglichen Untersuchungsberichte vor.
Viele Betreiber lehnten das Audit-Angebot zunächst ab – nicht wegen unserer Berichterstattung, sondern weil ihnen klar wurde, dass echte Verbesserungen erforderlich sind. Diese bedeuten Aufwand und Kosten: Umbauten, zusätzliche Ausrüstung, Stabilitätsberechnungen usw. Aber viele haben die Prüfliste inzwischen angesehen und bereits erste Schritte zur Verbesserung unternommen. Das zeigt, dass der Prozess in Gang gesetzt wurde. Es ist ein Anfang – und ein Schritt in die richtige Richtung. Viele wussten vorher schlicht nicht, wie ein vertretbarer Sicherheitsstandard überhaupt aussieht. Veränderung braucht Zeit – aber sie ist möglich.
Im Gespräch mit Extra Divers Worldwide (M/Y Red Sea Explorer) www.extradivers-worldwide.com
Stellungnahme zur Sicherheit von Tauchsafaris
Monika Richter: Generell sind wir der Auffassung, dass Tauchsafaris weltweit nach wie vor ein sehr sicheres Reise- und Transportmittel darstellen. Die pauschale Behauptung, Safaris – besonders in Ägypten – seien im Allgemeinen unsicherer geworden, teilen wir nicht. Ebenso wenig halten wir es für zielführend, alle Schiffe in Ägypten unter Generalverdacht zu stellen.
Eine solche undifferenzierte Betrachtung – die leider gerade in den sozialen Medien häufig geäußert wird – schadet der gesamten Branche und wird der Realität nicht gerecht. Es ist richtig, dass es einige schwarze Schafe gibt – darunter auch Anbieter, deren Schiffe bereits mehrfach in Vorfälle verwickelt waren. Dennoch bedeutet das nicht, dass pauschal alle Safari-Schiffe unsicher sind oder dass nur in Ägypten Sicherheitsmängel bestehen. Man darf zudem nicht außer Acht lassen, dass in Ägypten schlicht eine deutlich höhere Anzahl an Safarischiffen unterwegs ist als in anderen Regionen.
Unserer Überzeugung nach bewegen wir uns – sowohl in Ägypten als auch weltweit – weiterhin auf einem hohen Sicherheitsniveau. Wichtig ist, dass sich alle Akteure ihrer Verantwortung bewusst sind und kontinuierlich in die Sicherheit ihrer Schiffe und Crews investieren.
Ein großes Problem ist unserer Ansicht nach insbesondere der unkontrollierte Umbau älterer Schiffe. Viele wurden – oft ohne ausreichende technische Prüfung – verlängert oder um zusätzliche Decks erweitert, ohne die ursprüngliche Rumpfbreite anzupassen. Dies führt zu erheblichen Stabilitätsverlusten und damit zu einem erhöhten Risiko, vor allem bei schlechtem Wetter. Verstärkt wird diese Problematik durch schlecht geschultes oder unerfahrenes Personal. Eine unzureichende Crew mag zwar kurzfristig günstiger sein, ist aber langfristig ein Sicherheitsrisiko. Das Ergebnis: geringere Betriebskosten und niedrige Preise, die jedoch zulasten der Sicherheit gehen können.
Wir sind überzeugt: Qualität und Sicherheit werden sich langfristig durchsetzen. Auch wenn sich Unfälle niemals zu 100 % ausschließen lassen, können ein hohes Verantwortungsbewusstsein, regelmäßige Wartung und professionelle Sicherheitsmaßnahmen das Risiko auf ein Minimum reduzieren. Dass sich diese Standards auch auf den Preis einer Safari auswirken, ist logisch – und wir hoffen, dass sich bei den Gästen zunehmend das Bewusstsein durchsetzt, dass Sicherheit ihren Preis hat.
Für Gäste, die eine Tauchsafari planen, ist es heute wichtiger denn je, sich bewusst für einen seriösen Anbieter zu entscheiden. Wir empfehlen ausdrücklich, nicht über beliebige Internetportale zu buchen, sondern eine Pauschalreise – idealerweise bei einem Mitglied eines etablierten Verbands wie der ADTO.
Die Safari- und Liveaboard-Branche hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt – das ist erfreulich, bringt aber auch Verantwortung mit sich. Um langfristigen Erfolg und vor allem Sicherheit auf See zu gewährleisten, wünschen wir uns folgende Entwicklungen:
Unsere Empfehlungen zur Weiterentwicklung: Bessere Schulungen für Crews durch qualifizierte Seminarangebote in ausreichender Zahl. Internationale Standards beim Schiffsbau und -umbau. Seriöse und fachkundige Kontrollen durch kompetente Behörden in Bezug auf technische Sicherheit und Stabilität. Weniger Aktionismus, mehr nachhaltige Lösungen – symbolische Maßnahmen helfen weder Branche noch Gästen
Unsere M/Y Red Sea Explorer
Sicherheit steht bei uns an oberster Stelle. Die Vorfälle des vergangenen Jahres haben uns – wie viele andere Anbieter – dazu veranlasst, unsere ohnehin hohen Sicherheitsstandards noch weiter zu verschärfen. Unser Anspruch ist es, bestmögliche Sicherheit auf See zu gewährleisten und unseren Gästen eine entspannte und sichere Zeit an Bord zu bieten.
Die MY Red Sea Explorer wurde mit modernsten Sicherheitsstandards konzipiert. Sie ist vollständig aus Stahl gebaut, und unsere Crew ist umfassend geschult. Zudem setzen wir auf Qualität statt Masse: Als Anbieter mit über 20 Basen weltweit unterliegen wir keinem Preisdruck. Wir verzichten bewusst auf Preisdumping und führen unsere Touren auch mit wenigen Gästen durch – in Ausnahmefällen sogar mit nur sechs Personen –, um Qualität und Service zu sichern.
Komplett stählerne Bauweise, inklusive Aufbauten, drei vollautomatische Rettungsinseln mit je 20 Personen Kapazität, Schwimmwesten in jeder Kabine (Ersatzwesten auf dem Tauchdeck), Rettungsinseln mit Signallichtern und Verbindungsseilen, Nachtwache mit elektronischer Kontrolle, Modernste Navigation und Kommunikation (Radar, Sonar, AIS, Marinefunk, Satellitentelefon, EPIRB), Brandmeldeanlage mit Rauchmeldern in allen Kabinen, Gängen, im Salon und Maschinenraum, CO-Melder auf dem Unterdeck, Deutlich gekennzeichnete und frei zugängliche Notausgänge, Feuerlöscher in allen Kabinen und auf allen Decks, Videoüberwachung auf Gehwegen, im Salon, am Tauchdeck und im Maschinenraum, Notfallausstattung: Defibrillator, Erste-Hilfe-Koffer, Sauerstoffsystem, ENOS-System für alle Taucher, zwei Schlauchboote (je 6,5 m, 100 PS) mit Notfallsignalen …
Im Gespräch mit Omneia Tauchreisen (M/Y Soul of Omneia & M/Y Spirit of Omneia) www.omneia.de
Sicherheit auf See – Verantwortung, die wir leben
Monika Hofbauer: Ich bin Moni Hofbauer, Gründerin und Geschäftsführerin von Omneia. Seit fast 30 Jahren lebe ich in Ägypten – das Rote Meer ist mein Zuhause geworden, über und unter Wasser. Tauchsafaris sind für mich nicht nur Beruf, sondern Leidenschaft. Mit meinem Team betreibe ich eigene Safariboote – und wir tragen dabei eine große Verantwortung: für die Sicherheit unserer Gäste und unserer Crew. Diese Verantwortung ist nichts, was wir »abarbeiten« – sie begleitet uns in jeder Entscheidung, bei jedem Tauchgang, an jedem Tag an Bord. Der Wettbewerb in der Branche ist stark, der wirtschaftliche Druck real – doch gerade deshalb braucht es Haltung und konsequentes Handeln, wenn es um Sicherheit geht.
Was braucht es, um Vertrauen zu stärken und Unfälle zu verhindern? Die tragischen Vorfälle im Roten Meer haben viele Taucher und Taucherinnen verunsichert – und das ist absolut nachvollziehbar. Diese Ereignisse haben mich persönlich sehr bewegt. Sie führen uns deutlich vor Augen, wie ernst unsere Verantwortung ist. Sie erinnern uns daran, nie nachlässig zu werden – und kontinuierlich an Abläufen, Technik und Schulung zu arbeiten und diese zu verbessern.
Die ägyptische Regierung hat klare und umfassende Sicherheitsvorgaben formuliert, die nach den jüngsten Unfällen nochmals überarbeitet und verschärft wurden. Es gibt regelmäßige Kontrollen und technische Checks – sowohl durch Behörden und zuständige Ausschüsse als auch durch uns als Betreiber. Vor Ort erleben wir ein tiefes Verantwortungsbewusstsein – bei den Behörden, beim ägyptischen Staat, und ganz besonders bei den Menschen an Bord: vom Kapitän über die Crew bis zu Mechanikern und Guides.
Menschen machen Fehler – das ist menschlich. Entscheidend ist nicht, ob etwas passiert, sondern wie verantwortungsvoll und lernbereit wir damit umgehen.
Ein Plädoyer für Fairness – auch im Blick auf Ägypten
Unfälle auf Safaribooten hat es immer gegeben – weltweit. Der Unterschied heute liegt in der Wahrnehmung: Früher blieb vieles lokal, heute verbreiten sich Vorfälle in Echtzeit – oft zugespitzt, aus dem Kontext gerissen, vor allem in sozialen Medien. Gerade dort wird schnell mit deutschen Standards argumentiert – Begriffe wie ‚deutsche Gründlichkeit‘ oder ‚deutsche Sicherheit‘ fallen häufig.
Gleichzeitig reisen wir bewusst in andere Länder, weil wir das Exotische suchen – aber bitte mit gewohnten Standards, deutschem Serviceverständnis und möglichst zum Schnäppchenpreis. Wir erwarten Abenteuer mit Vollkasko – günstige Angebote, perfekte Abläufe und maximale Betreuung. Doch das ist weder realistisch noch fair.
Auch Europa ist nicht perfekt. Begriffe wie ‚Servicewüste Deutschland‘ kommen nicht von ungefähr. Ägypten wird oft als Billigreiseziel abgestempelt, womit überhöhte Erwartungen einhergehen – nicht nur beim Thema Sicherheit, sondern auch bei Komfort, Essen oder Umgangston. Ich finde das ungerecht. Denn was hier – oft unter schwierigeren Bedingungen – geleistet wird, verdient mehr Respekt.
Was ist Eure Meinung, welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Schreibt uns gern: alexander.kassler@tauchen.de