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Sieben auf einen Streich – Tauchen in der Lausitz

Im Jahr 1900 existierten in der sächsischen Lausitz weit über 500 Steinbruchkessel. Ein großer Teil dieser Gruben im Fels wurde nach Bergbau-Ende durch einfließendes Grundwasser zu tiefen Seen. Sieben von ihnen haben wir besucht.

Falk Wieland

TEXT: Falk Wieland |

Die heutigen Steinbruchseen verdanken wir einer längst überholten Bergbau-Technologie: Meist wurde ein Werksteinvorkommen genau auf einer Anhöhe oder einem kleinen Berg geöffnet und in die Tiefe hinein abgebaut. So entstanden ringsum geschlossene Felsmulden, die zu Bergbauzeiten 20 bis 80 Meter tief sein konnten. Die abgebauten Felsblöcke wurden entweder mittels Drahtseilbahnen aus den Gruben gehoben oder auf Loren mit Schräg-Aufzügen aus der Tiefe geholt. Das Ergebnis dieser Steinbrucharbeiten im Tagebau war, dass jeweils sogenannte »Kesselbrüche« entstanden, die perfekte Seebecken darstellen. Je nach Härte des Gesteins und zufälligen Qualitätsunterschieden konnten relativ runde Seebecken oder auch Formationen mit Buchten entstehen. Terrassenartig in die Tiefe fortschreitender Bergbau und zufälliger Grundwasserstand der Region entschieden darüber, ob ein solcher See später absolut steilwandig sein würde oder auch Flachwasserzonen zur Ansiedlung von Wasserpflanzen zu bieten hatte. Je nachdem, wie schnell das Wasser stieg, konnten in den Gruben gewachsene Bäume überflutet werden und die Seen lange Jahre prägen.

Die Prelle im Haselbachtal

Der Steinbruchsee Prelle ist ein klassischer Granit-Kesselbruch. Ringsum erheben sich steile Wände, es existiert nur ein einziger Zugang zum Wasser. Das Granitmuseum am Ufer deutet mit Kranen und einem Stück Seilbahn an, wie hier Granitblöcke gehoben wurden. An den Schmalseiten des Sees finden wir kleine Flachwasserbereiche mit Röhricht und Tausendblättern. Hier leben Barsche, Plötzen, Schleien und weitere Fischarten.

Zur Tiefe hin erstrecken sich abwechselnd Steilwände und riesige Geröllhalden. In Dunkelheit und »Eiswasser« lassen sich das Prelle-Motorbootwrack (29 Meter), der größte Granitbrocken namens Ayers Rock (36 Meter), eine Granitarbeiter-Schubkarre (44 Meter) sowie ein tiefer runder Felskessel auf 46 Meter entdecken. Immer neue stürzende Bäume schaffen auch im Flachwasser vor den Wänden Altholz-Stillleben mit Algenvorhängen und bieten großen Hechten einen Lebensraum. In der Prelle sind tiefes Tauchen und Schnorcheln gleichermaßen erlebnisreich. Mehr Infos: tauchtreffdd.de

Sparmann Kamenz

Im Sparmann tauchen wir immer wieder gern ab. Gleich unter der Taucherleiter können uns einer oder auch gleich drei der zahmen russischen Störe begegnen, die hier leben. Sie sind Fütterung und vorsichtiges Agieren von Tauchern gewöhnt und kommen je nach Laune ganz dicht heran. Zuweilen umschwärmen die »Damen und Herren Störe« uns Taucher, als würden sie mit uns tanzen wollen. Auf flachen Felsstufen wachsen Tausendblatt, verschiedene Laichkräuter und Seerosen. Deshalb können wir Barschen und Plötzen, aber auch großen Hechten, dem Wels oder Karpfen begegnen.

Ist die Prelle schon steil, der Sparmann ist steiler! In diesem See können wir Steilwände durchaus von null bis 55 Meter hinabschweben. Hier kann man vom echten Drop-off sprechen. Ein Leinensystem erschließt die unterseeischen Sehenswürdigkeiten, zu denen ein russischer UAZ-Jeep (26 Meter), ein Airbus-Segment (15 Meter), ein Lausitzer Teichfischerkahn (30 Meter), ein Motorboot (15 Meter), ein kleines Flugzeugwrack (22 Meter), der Sprengstoffbunker des Steinbruchs (30 Meter) und weitere Ziele gehören. Im basisfernsten See-Teil liegt das fischreichste Revier in drei bis 15 Meter Tiefe, begrenzt von einem versunkenen Wald und den alten Lawinenschutzzäunen aus Bergbauzeiten. Dort neigen dramatischsich Baumriesen über den Abgrund. Mehr Infos: tauchbasis-sparmann.de

Krabatstein bei Nebelschütz-Miltitz

Der Krabatstein, auch Steinbruchsee Miltitz genannt, gilt als besonders malerischer und vielseitiger See in der Granitlandschaft. Er setzt sich aus einem großen und tiefen Hauptsee sowie einer flachen Lagune zusammen, die als Nebensee über der ehemaligen Einfahrt des Steinbruchs liegt. An den Ufern des Sees findet zudem jedes Jahr ein Bildhauer-Workshop mit Künstlern aus dem Dreiländereck Polen, Tschechien und Deutschland statt, der dem Ort eine einzigartige kulturelle Note verleiht.

So sind heute nicht nur die Seeufer, sondern auch das umliegende Freigelände mit zahlreichen Skulpturen geschmückt, die dem gesamten Areal eine eindrucksvolle und zugleich künstlerische Atmosphäre verleihen. Gleichzeitig stehen landseitig die Gebäude eines Gemeinde-Kulturzentrums, und daneben befindet sich die kleine Tauchbasis des Tauchvereins Freiberg, der hier für den Tauchbetrieb verantwortlich ist.
Im See können wir an überbordenden Wasserpflanzenwiesen entlang tauchen, Silberkarpfen, Barschen, Hechten und Zandern begegnen, in düsterer Tiefe ein Kahnwrack aufsuchen oder auch die Unterwassergalerie mit kleinen Skulpturen besuchen.

In der flachen Lagune lohnt Gerätetauchen weniger. An diesem Platz sind erlebnisreiche Schnorchel-Tauchgänge in einem Umfeld mit Seerosenfeldern und mangrovenartigen teilüberfluteten Weidengehölzen voller Algenvorhänge und Süßwasserschwämme möglich. Mehr Infos: steinleicht.de

Horka bei Crostwitz

Horka wird von der Tauchbasis als Traumsee vermarktet. Hier finden wir einen der größten jemals entstandenen Granitkessel. Der See hat drei kleine Buchten, deren Kaps von kleinen Granittürmchen geschmückt werden. Eine grandiose Fels- und Wasserlandschaft, die auch Filmschauplatz einer älteren Krabat-Verfilmung war. Legendär ist die lange Stahltreppe zum Wasser, die auch trainierte Leute unter der Last der Tauchgeräte schnaufen lässt.

Im See können wir dahinschweben, während sich das Wasser mal blassblau und mal lichtgrün zeigt. Auf schmalen Felsabsätzen wachsen dabei eingesetzte Wasserpflanzen wie Seerosen, Wasserpest und Hahnenfuß, die dem Unterwasserpanorama eine besondere Vielfalt verleihen. Im See sind Hechte, Barsche, kleine unterernährte Schleien, weitere Weißfischarten und Edelkrebse zu finden. Es gibt ein malerisches Pumpenhaus und allerhand stählerne Bergbau-Relikte. In mittleren Tiefen prägen vor allem überflutete Bäume den klaren Durchblick von unten hin zum Wasserspiegel und den grandiosen Granitwänden.
Mehr Infos: tauchsee-horka.de

Wetro Sproitz oder die Goldgrube

Der große Steinbruchsee Wetro galt seinen Besitzern einst als Goldgrube. Man hat hier wohl ganz nach Bedarf Sand und Kies, Basalt, Quarzgestein und Granit fördern können. Die unterschiedlichen Bodenschätze machen deutlich, dass die Wetro einst eine von geologischen Störungen durchzogene, instabile und gefährliche Grube war.
Der langgezogene gemeinsame Wasserspiegel inmitten des Uferwalds verhüllt, dass sich in der Tiefe zwei annähernd runde bis elliptische Steinbruchkessel verbergen. Beide Teil-Seen reichen bis in über 50 Meter Tiefe hinab. Zwischen ihnen liegt in 16 bis 22 Meter Tiefe eine unterseeische Trennwand, auf der man gut entlang tauchen kann.

Von dieser stehengebliebenen Felswand ausgehend kann man sich leicht orientieren und findet unterseeische Sehenswürdigkeiten wie aus der Wand ragende Grubenbahngleise, das hölzerne Gestell eines Loren-Schräg-Aufzugs (46-20 Meter), die Meisterbude (46 Meter), ein Segelbootwrack (20 Meter), diverse Figuren auf der Trennwand (22 Meter) oder Peitschenlampen und in unschätzbare Tiefen führende Treppen (25-30 Meter). TechTaucher können abwechslungsreiche komplizierte Routen planen. Der reine Sporttaucher kann vor allem diagonal gegenüber des Schwimmsteg-Einstiegs in den oberen 15 Metern Muschelbänke, viele Fische und wunderbare, weit in den See hinausragende unterseeische Kaps genießen. Auf diesen flachen Vorsprüngen wachsen Quellmooswiesen mit wenigen Characeen und Laichkräutern. Sie heißen »die Hechtwiesen«. Unterhalb beginnen wiederum die Steilwände.

Jehnichenbruch Königshain oder Hausbruch

Dieser Granitsteinbruchsee in den Königshainer Bergen besteht aus drei ehemaligen Steinbrüchen, die heute wie ein etwa bohnenförmiger Hauptsee und ein nach einem Fels-Canyon folgender kreisrunder Nebensee wirken. Das Gewässer ist Eigentum des Tauchclubs Görlitz, und Tauchgänge sind zu seltenen Terminen für Kleinstgruppen möglich. Der See ist bis auf einige Weißfische, Karpfen und Hechte fischarm wie ein echter Bergsee.

Das Gewässer brilliert mit Steilwänden, einem Pumpenhaus mit Interior (32 Meter), einem Sprengschutz-Unterstand unter‘m Fels-Überhang (32 Meter), dem in 15 Meter Tiefe durchtauchbaren Canyon zu einem teils seerosenbedeckten Neben-See, mindestens zwei versunkenen Laufkatzen der alten Bergbau-Seilbahnen und vielen weiteren Details. Weit unten liegt das Wrack einer 350er JAWA, die als eines der »Traum-Motorräder des Ostens« galt.
Die Königshainer Berge dürfen als wunderbares Wandergebiet mit etwa neun Steinbruchseen, einem Bergbaumuseum, diversen Kletterfelsen, malerischen Stockgranit-Felsformationen und schönen Wäldern gelten. Wer einmal einen Tauchtag beim Tauchclub Görlitz vereinbaren konnte, sollte sich unbedingt mehr Zeit für die Region nehmen.
Mehr Infos: tauchclub-goerlitz.de

Kalkbruch Kodersdorf alias Milles Blue Pool

Völlig versteckt liegt in einem kleinen Waldstück bei Kunnersdorf-Friedersdorf östlich »hinter dem Autobahntunnel Königshainer Berge« ein rund 350 Meter langer Kalkbruch-See. Das Gewässer ist vollständig eingezäunt und durch fast immer anwesende Dauercamper auf rund um den See verteilten Womo-Stellplätzen »gesichert«. Dieser See schimmert auf Grund der Lage im Kalkstein in jener blaugrün-klaren Wasserfarbe, wie wir sie von Hemmoor oder auch von Karstquellen kennen.
Der alte Kalktagebau war einst sensationell tief, wovon noch etwa 58 Meter Wasserstand übrig geblieben sind. Der Kalkstein und die fruchtbaren rotbraunen Böden ringsum ermöglichten den raschen Aufwuchs eines Waldes in der alten Grube, ehe das Wasser kam.
Und so schweben wir Taucher heute vor Steilwänden, auf denen kleine, aber auch zehn bis 15 Meter hohe Bäume stehen.

Althölzer und reichhaltige Tausendblatt-Wiesen vereinigen sich zu einem Dschungel, der Fischen viele Verstecke bietet und sich am besten von außen betrachten lässt. Die Uferzone ist geprägt von kleinen Schilfzonen, eingesetzten Seerosen-Beständen und landseitig farbenprächtig blühenden Kräutern. Wir beobachten Libellen vieler Arten und zahlreiche Ringelnattern. Im hinteren Teil des Sees sind die einstigen drei Wasserhaltungs-Leitungen zu sehen.

Die sächsische Lausitz

Alle geschilderten Steinbruchseen sind legale Beispiele, wo wir mit Unterstützung von Profitauchbasen oder Vereinen legal tauchen dürfen. Es existieren jedoch viele weitere Seen. Wer lange Trecking-Touren mit Ausrüstung (wenigstens zum Schnorcheln), riskante Felskletterei und Anstrengungen aller Art nicht scheut, kann auf Privat-Expeditionen in die Lausitz ziehen und wird noch so manchen nahezu unbekannten See finden. Der Zugang muss dann erst erkundet werden und kann unerwartet gefährlich sein. Eigene Vernunft und Fitness, Forst-Fahrverbote, Waldbrand-Warnstufen und Naturschutz-Bestimmungen ziehen unterwegs die Grenzen.

TAUCHEN-Autor Falk Wieland hat die Feldberger Seen in der Uckermark in Mecklenburg-Vorpommern bereist. Lesen Sie diesen Beitrag hier.