TEXT: Mark B. Hatter |
Gelegentlich kann ein Anfängerfehler zu einem positiven Ergebnis führen. So erging es mir bei unserem letzten Tauchgang als Gast der M/Y Thailand Aggressor, als wir uns zum Ende der Safari in der Andamanensee der Westküste Thailands näherten. Alles schien perfekt an diesem letzten Morgen in den Gewässern der Similan-Inseln, dem Höhepunkt einer wunderbaren einwöchigen Kreuzfahrt. Das Meer war glatt, superklar, und die frühe Morgensonne, die von einer dünnen Schicht hoher Wolken verschleiert war, würde wahrscheinlich später eine ausgezeichnete Möglichkeit für tolle Sonnenuntergangsfotos bieten. Toll auch, dass unsere Yacht das einzige Schiff am Tauchplatz »Christmas Point« war. Wir hatten diesen Spot schon im Laufe der Tour besucht, und ich freute mich darauf, erneut die submarine Tierwelt in und um die massiven Granitblöcke zu fotografieren, die diesen Spot umgeben. Die glatten Felsen sind hier ein charakteristisches Merkmal der Topografie an Land und unter Wasser.
Fehler passieren
Aber die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. Ich ließ mich auf dem Sandboden in 20 Meter Tiefe zwischen zwei massiven Granitblöcken nieder und versuchte, meine Kamera auszulösen, um die Einstellungen für Blende und Verschlusszeit zu überprüfen und mich auf den Tauchgang vorzubereiten. Als ich versuchte, ein Bild zu machen, tat sich nichts. Das Ausbleiben jeglicher Kamerareaktion war rätselhaft und beunruhigend. Bis jetzt hatte ich noch nie Probleme mit meiner Ausrüstung gehabt. Nachdem ich alles Mögliche überprüft hatte, war die „err“-Meldung auf dem LCD-Display der Kamera ernüchternd klar. Ich hatte die Speicherkarte aus der Kamera genommen, nachdem ich in der Nacht zuvor meine letzte Serie von Bildern heruntergeladen hatte. Und nicht wieder eingesetzt. Das wäre mir wohl aufgefallen, wenn ich meinen Ausrüstungs-Check abgeschlossen hätte, bevor ich ins Beiboot gestiegen wäre. Wir waren zwar schon zu Beginn der Reise am »Christmas Point«, aber trotzdem würde mich dieser Fehler noch teuer zu stehen kommen. Dachte ich zumindest.
Augen gleich, Perspektive neu
Ohne die konzentrierte Last der Suche nach geeigneten Motiven oder Szenen zum Fotografieren wurden meine Augen und mein Geist bei diesem letzten Tauchgang plötzlich dann ganz anders für die Unterwasserlandschaft geöffnet, die für Thailand typisch ist. Die hervorragende Sicht präsentierte mir eine Szenerie, die in erster Linie von Granitwänden und Felsabbrüchen dominiert wird. In der Tat hatte ich fast eine Woche lang die Similan-Riffe aus Granit fotografiert. Aber jetzt war es anders und aufschlussreich, die Unterwasserlandschaft mal ohne von manischer Motivsuche abgelenkt zu sein zu genießen. Ich hatte nicht wirklich neue Augen, aber ein neues Gefühl, ähnlich wie wenn ich über Wasser innehalte, »um an den Rosen zu riechen.«
Anita bietet Anthias
Die Similan-Inseln und die dazugehörigen Meeresberge, die sich entlang der Westküste Thailands erstrecken, bestehen hauptsächlich aus »Intrusionsgranitoiden«: Das sind Gesteine, die sich vor 150 bis 250 Millionen Jahren infolge der Plattentektonik gebildet haben, als Magma aus den Tiefen des Erdkerns aufstieg und Vorsprünge und kleine Berge bildete. Verwitterung und Erosion haben den thailändischen Similan-Inseln nach und nach glatte Konturen verliehen und eine einzigartige Topografie geschaffen, die bei Touristen und Tauchern gleichermaßen beliebt ist. Der Similan-Archipel besteht aus elf »Ko«, die thailändische Bezeichnung für Insel. Alle zusammen stehen als Nationalpark unter thailändischem Schutz. Jede »Ko« hat einen offiziellen Namen. Aber der Einfachheit halber werden sie von den Einheimischen meist als Insel eins bis elf bezeichnet. Während unserer siebentägigen Safari besuchten wir die Tauchplätze der meisten Inseln sowie auch die Spots von Ko Surin und Richelieu Rock.
Wir begannen unsere Tour mit einem Eingewöhnungstauchgang an einem flachen Tauchplatz: »Anita‘s Reef« zwischen den Inseln 5 und 6, wo sich Korallenblöcke aus einer flachen Sandebene erheben. Das Morgenlicht war perfekt zum Ablichten der bunten Anthias- und Riffbarsche, die über steinige Korallenformationen schwebten. Ich fotografiere sehr gern in die Sonne, wenn sie tief am Horizont steht. Bei Anita‘s waren die Bedingungen perfekt, um »kühle« Sonnenstrahlen als Hintergrund für die Korallenblöcke einzufangen, die vor Leben nur so strotzen.
Oasen neben nacktem Granit
Der nächste Tauchgang am »Elephant Head Rock« zwischen den Inseln 6 und 7 erwies sich als überraschend anderes Erlebnis. »Elephant Head Rock« ist ein typischer Similan-Tauchplatz mit massiven Granitblöcken. Man könnte erwarten, dass die Felsen mit Korallen und Seefächern übersät sind. Doch die meisten Felsen zeigen hier seltsamerweise kein unterseeisches Leben. Dennoch gibt es an jedem Granitriff Abschnitte, an denen ohne besonderen Grund eine wahre »Explosion des Lebens« auftaucht, die man durchaus als Oase bezeichnen kann. In diesen Oasen tummeln sich Weichkorallen, Steinkorallen und riesige Seefächer. Dieses Phänomen der ansonsten weitgehend nackten Gesteinsoberfläche ist völlig natürlich und hat nichts mit dem Klimawandel oder historischen Stürmen zu tun. Tatsächlich gibt es auf dem glatten Granit alte, wenn auch nur vereinzelt vorkommende Steinkorallen.
Könnte es sein, dass die windzugewandten Seiten der Inseln, die jahreszeitlich stärker exponiert sind, weniger dazu neigen, ausgedehnte Korallen- oder Gorgonienfelder zu bilden? Im Laufe der Safari stellten wir fest, dass die Luvseiten der Tauchplätze, die massive Felsstrukturen aufweisen, weitgehend frei von Korallen und Gorgonien waren – mit Ausnahme der erwähnten Oasen, die der Logik der Luvtheorie aber zu widersprechen scheinen. Alternativ erkundeten wir eine Reihe von Plätzen, die sich im saisonalen Windschatten einer Insel zu befinden schienen und viel typischere Bedingungen für die Bildung massiver Korallen- und linearer Riffstrukturen boten. Vor Ko Bon, der Insel Nummer 10, bekamen wir dann das Beste aus beiden Welten. Wir tauchten an einer windzugewandten Stelle ab und ließen uns von der Strömung an den meist felsigen Hängen vorbei um eine mit Felsbrocken übersäte Spitze herum zu einem geschützten Ufer im Lee treiben, wo wir ein erstaunlich gut entwickeltes Korallenriff fanden. Dabei stießen wir auf einen riesigen Schwarm Fledermausfische. Die Tiere schwebten mitten im Wasser in der Strömung, und die Hälfte unserer Tauchgruppe war hin und weg. Mich hingegen zog es zu den riesigen Schwärmen, die sich wie ein einziger amorpher Organismus in und um die steinigen Korallenstrukturen bewegten
Abseits der Similans
Am Nachmittag unseres fünften Safaritages verließen wir die Similan-Inseln und fuhren zu den Surin-Inseln: ein aus fünf Inseln bestehender Archipel, der näher an der thailändischen Festlandsküste liegt, aber noch zur Andamanensee gehört. Auf der Insel Ko Surin Tai machten wir am Nachmittag einen kleinen Abstecher zu einem Dorf der einheimischen Seevölker – zu den Moken, auch als »Seezigeuner« bekannt. Die Moken sind nur wenige hundert Menschen, teilen alles gemeinsam und haben eine eigene Sprache. Als Volk des Meeres ist ihr Fortbewegungsmittel ein Langboot aus Hartholz, das bunt bemalt ist und von dem ungewöhnlichsten Motor angetrieben wird, den ich je gesehen habe. Es schien ein Einzylinder-Blockmotor mit einer mindestens drei Meter langen Antriebswelle zu sein, die in einem doppelblättrigen Propeller endete. Bei Leerlauf-Drehzahl kann man die »Plopps« des Einzylindermotors buchstäblich zählen.
Nach dem Besuch in dem Moken-Dorf machten wir uns für einen Tauchgang bei Sonnenuntergang an der Südküste der Insel Surin bereit. Trey, unser Cruise-Direktor, wies uns darauf hin, dass dieser Tauchplatz am Rande des Riffs etwas mehr Steinkorallen aufweist, als wir es von den Similan-Inseln her kannten. Das war definitiv untertrieben! In der Dämmerung waren mein Tauchpartner und ich total überwältigt von dieser »Unterwasser-Metropole«, die nahe der Wasseroberfläche begann und bis auf etwa 20 Meter abfiel. Die Anzahl der Korallenarten hier swar atemberaubend, ihr Zustand beeindruckend. Riesige Tischkorallen mit einem Durchmesser von bis zu zweieinhalb Metern wurden durch Wälder von verzweigten Hirschgeweih-Korallen, Salatkorallen und viele andere Arten kleinerer Korallen ergänzt. Zwischen den Korallendickichten tauchte gelegentlich eine Prachtanemone auf, die von Anemonenfischen bevölkert wurde.
Dieses imposante, mit altem Korallenbestand bewachsene Saumriff am südlichen Ende von Surin Island ließ mich begeistert, aber auch ratlos zurück. Wie konnte dieses großartige Stück Natur der immer stärker werdenden Bedrohung durch den Klimawandel entgehen? Zumindest war ich froh, zu sehen, dass es, zumindest im Moment noch, glücklicherweise Orte auf unserem Planeten zu geben scheint, die wie Bastionen der von Menschenhand verursachten Zerstörung trotzen.
»The Rock!«
Am folgenden Morgen machten wir uns noch vor Sonnenaufgang auf den Weg, um eine der sechs Anlegebojen vor dem sagenumwobenen Richelieu Rock zu erreichen. Dieser Divespot ist eine massive Unterwasser-Felsnadel, die sich zwischen den Similan-Inseln und der Surin-Inselgruppe aus der Tiefe des Meeres erhebt und knapp bis an die Wasseroberfläche reicht. »The Rock« ist einer der legendärsten Tauchplätze der Welt – und wird täglich von Dutzenden von Booten und Hunderten von Tauchern besucht. Und das aus gutem Grund. Als isolierte Landzunge im offenen Ozean wird der Fels von Strömungen umspült, die eine unglaubliche Fülle an Lebewesen hervorbringen. Zu den charakteristischen Arten hier gehören unzählige pastellfarbene Nelkenkorallen, riesige Seefächer und mehr Prachtanemonen als an jedem anderen Ort der Welt. Wenn die Strömung am Richelieu Rock wütet, ist die Seite des Felsens, die am stärksten von der Strömung getroffen wird, der »Place to be!« Der Ort, an dem sich alles abspielt.
Riesige Wolken von Glasfischen werden dort ständig von Schwärmen von Raubfischen, Kaiserfischen, Zackenbarschen und Schnappern attackiert. Nelkenkorallen in allen nur erdenklichen Pastellfarben wehen wie Flaggen in der Gezeitenströmung und bedecken jede verfügbare Oberfläche. Auf dem Felsengipfel kämpfen Anemonenfische, beherbergt von Tausenden von Prachtanemonen, darum, nicht von ihrem symbiotischen Wirt weggefegt zu werden. Der hat‘s besser, denn er ist fest mit dem Granitfelsen verbunden. Der »Richelieu«-Fels präsentiert dem Betrachter absurdes Theater – ein faszinierender, hyperaktiver Zirkus der submarinen Tierwelt. Und wir sind Zuschauer dieser beeindruckenden Szenerie, während gerade die Sonne untergeht. Die Tagesboote sind alle verschwunden. Und die Taucher der anderen Tauchsafariboote wurden auch schon abgeholt. Im schwindenden Licht der Sonne haben wir »The Rock« ganz für uns allein. Die prächtigen Anemonen falten sich in der Dämmerung zur Form von Zwiebeln zusammen. Dieses Phänomen an Hunderten, wenn nicht gar Tausenden von Anemonen auf dem Richelieu Rock zu beobachten, ist eine Wucht! Die Speicherkarte meiner Kamera kann gar nicht alles fassen, was hier los ist.
Zurück auf Anfang
Nach insgsamt vier Tauchgängen am »Rock« hatte ich jede Menge Bilder zu bearbeiten. Weshalb ich wohl dann vergaß, die Speicherkarte nach dem Herunterladen sofort wieder in meine Kamera zu stecken. So fand ich mich also am Schluss der Tour am »Christmas Point« wieder und beendete den letzten Tauchgang dieser Top-Safari mit der dusseligerweise selbst verursachten Fotografen-Zwangspause. Da meine »alten«, sonst durch den Kamerafokus schauenden Augen nun quasi wie neu fokussierten, und auch mein Geist »befreit« war, um die Überraschungen, die Thailands Andamanensee bietet, einfach mal ganz in Ruhe zu beobachten, war mein Fehler letztendlich aber doch gar nicht so übel.
Reiseinfo: M/V Thailand Aggressor / SIMILANs – SURIN – RICHELIEU ROCK / THAILAND
Die 35 Meter lange M/V Thailand Aggressor wurde nach Rundumerneuerung im Oktober 2024 wieder in Betrieb genommen: Von den Tauchtanks über die Beiboote und die Kabinen bis hin zum Salon ist alles frisch renoviert. Platz ist für 16 Gäste in acht Kabinen, die mit eigenem Bad und Dusche, reichlich Stauraum, Haartrockner, TV und Medienplayer sowie individueller Klimaregelung ausgestattet sind. Auf dem Oberdeck befindet sich der große Speisesalon. Das Essen besteht aus exquisit zubereiteten lokalen Gerichten, die vom thailändischen Chefkoch der Yacht mittags und abends serviert werden. Das Frühstück, das auf Bestellung zubereitet wird, ist westlich geprägt: Von Waffeln und Speck bis hin zu Eiern Benedict ist alles möglich. Das thailändische Abendessen wird durch eine Auswahl an Rot- und Weißweinen ergänzt. Das Sonnendeck bietet Whirlpool, Liegestühle und Bar-Service.
Geboten werden zwei Reiserouten, abhängig von der Jahreszeit: November bis April: Similan-Inseln, Surin Island und Richelieu Rock. Mai bis Oktober: die besten Tauchplätze bei Phuket, Koh Lanta und Koh Lipe. Die Divemaster und der Cruise-Direktor verfügen über jahrzehntelange Erfahrung. Ihre unaufdringliche, angenehme Art lässt den Gästen bei den Tauchgängen großen Spielraum, was Unterwasser-Fotografen sehr zu schätzen wissen. Wenn man mit einem Divebuddy zusammen taucht, kann man jeden Tauchgang in Eigenregie durchführen.
Das Aggressor-Fleet-Motto ist Tauchen, Essen, Schlafen – das wird gut umgesetzt. Die M/V Thailand Aggressor bietet fünf Tauchgänge pro Tag – auch Nachttauchgänge. Aggressor-Fans werden das Safarischiff schon von daher zu schätzen wissen. Das große Tauchdeck mit Ausrüstungsraum, Spülbecken und Kameratischen ist tipptop.
Infos & Buchung:
www.aggressor.com
info@aggressor.com