News

TAUCHEN-Fehleranalyse: Anfänger im Tiefenrausch

Mit dem OWD-Brevet in der Tasche startet Marcus seine erste Tauchreise. „Bloß nicht so tief tauchen“, gibt er sofort dem Guide zu verstehen. „Ja klar. Easy! Wird alles entspannt“, entgegnet der Tauchlehrer lässig. Er sei ja Vollprofi und schon oft auf über 150 Meter Tiefe gewesen. Marcus ist mit seinen fünf geloggten Tauchgängen schwer beeindruckt. Dass zu diesem Zeitpunkt weder seine Brevets noch Atteste kontrolliert werden, verwundert ihn dennoch etwas.
Am nächsten Tag geht es zu einer vorgelagerten Insel. Checkdive? Fehlanzeige. Die Vierer-Gruppe wird von einem Guide begleitet. Dann geht es runter auf 24 Meter. Marcus hat das erste Mal unter Wasser fotografiert und ist sehr aufgeregt, aber fühlt sich sicher. Nach 30 Minuten ist der Tauchgang beendet – alles in Ordnung.

Der Guide fragt ihn, ob alles okay sei. Der OWD-Anfänger fühlt sich unwohl, signalisiert aber, dass alles in Ordnung ist Foto: W. Pölzer

Beim nächsten Tauchgang möchte der OWD-Anfänger unbedingt wieder seine neue Kamera ausprobieren. Nach rund einer Stunde Oberflächenpause geht es wieder ins Wasser. Eine zwei Meter breite Spalte soll betaucht werden. Die Tiefe des Tauchgangs wird nicht weiter thematisiert.
Beim Abtauchen ist Marcus erschrocken, wie schnell es in die Tiefe geht – bis zum Rand sind es 30 Meter. Der Guide fragt Marcus, ob alles Okay ist. Er erwidert das Okay-Zeichen, obwohl ihm etwas mulmig ist. Beim Fotografieren bekommt er Probleme mit der Taxierung und er hat Angst. Plötzlich überkommt ihn ein wohliges Gefühl. Später erinnert er sich: „Als hätte man ein paar Bierchen auf der Terrasse getrunken“. Ist das ein Tiefenrausch? Auf einmal bekommt er Angst. Nur noch eine Minute Nullzeit. Der Guide checkt das Problem und die Gruppe taucht auf. An Bord schildert er seine Angst. „Ich habe immer auf Dich geachtet. Ein Tiefenrausch kann das nicht gewesen sein“, so sein Urteil. Marcus war noch lange Zeit übel. Auch Wasser zu trinken kostete ihn Überwindung. Die Lust am Tauchen war ihm erst mal gründlich vergangen.

Gefahren beim Tieftauchen: Wenn Sporttaucher das Tiefenlimit überschreiten

Sein siebter Tauchgang und der erste mit einer Kamera. Gar nicht so einfach, nebenbei zu fotografieren, denkt er sich, Foto: W. Pölzer

Fehler 1: Unglaublich! Keine Brevets oder Atteste kontrolliert, den Checkdive ausgelassen. Wie kann man einen Anfänger bei seinen ersten Tauchgängen in die Tiefe jagen. Der zweite Tauchgang ist auch tiefer als er erste.

Fehler 2: Jeder darf zu jeder Zeit den Tauchgang beenden, wenn er sich unwohl fühlt. Das muss der Guide aber auch erfahren.

Fehler 3: Wer unter Wasser fotografieren möchte, sollte sehr gut tarieren können. Unbedarfte Flossenschläge oder paddelnde Armbewegungen können das Riff schädigen. UW-Fotografie ist daher nichts für Anfänger!

EXPERTENTIPP, Guido Wätzig, SSI-Europe
„Dieser Tauchgang hätte auch anders ausgehen können. Hier sind einige grundsätzliche Sicherheitsregeln durch den Diveguide missachtet worden. Der OWD-Anfänger Marcus war für diese Art von Tauchgängen weder qualifiziert, noch hatte er die notwendige Erfahrung. Außerdem wurde der Wunsch des Tauchers nicht zu tief zu gehen, schlichtweg ignoriert. Diese wichtigen Punkte hätte ein professioneller und verantwortungsvoller Tauchlehrer erkennen müssen. Generell: Unerfahrenen Tauchern in einer fremden Umgebung kann man immer nur empfehlen, sich erst mal auf sich selbst und das eigene Wohlbefinden zu konzentrieren. Kamera und andere Spezialausrüstung sollte erst zum Einsatz kommen, wenn man sicher und entspannt tauchen kann. Kameras und Lampen benötigen entsprechende Aufmerksamkeit, die Anfänger schlichtweg überfordern. Dabei kann es schnell passieren, dass man die Zeit oder den Computer aus den Augen verliert. Natürlich hat nicht nur der Guide Fehler gemacht. Marcus hätte jederzeit signalisieren können, dass er sich nicht wohlfühlt. Das hat er nicht getan. Wenn man sich nicht gut fühlt, sollte man auf geringere Tiefen aufsteigen, oder den Tauchgang abbrechen. Nicht zu vergessen: Jeder Taucher ist in gewisser Weise für sich selbst verantwortlich und sollte auch den Mut haben, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, wenn man sich unwohl unter Wasser fühlt. Und das sollte ohne Konsequenzen möglich sein.“