Der Große Weiße Mythos im Mittelmeer
Haitauchgänge im Mittelmeer? Klingen unmöglich, sind sie aber nicht! Zehn Jahre lang hat TAUCHEN-Autor Daniel Brinckmann in Archiven und im Internet recherchiert. Wir präsentieren zehn unbekannte Orte im Mittelmeer, wo man als Taucher gute Chancen hat, auf große Haie zu treffen.
Zu selten für Statistiken
Leider fehlen immer wenn es um Großhaie im Mittelmeer geht die Mittel, grundlegende Statistiken anzufertigen. Im Fall des Weißen Hais beruhen die Fakten auf Sammlungen anekdotenhafter Sichtungen. Und im Fall fast aller anderen Großhai-Arten auf punktuelle Erhebungen in zwei, drei Kinderstuben und auf von Fischereiaufsehern registrierten Fängen. Warum das so ist? Weil es schlichtweg nicht mehr genügend Tiere gibt. Für Haie ist das Mare Nostrum das gefährlichste Binnenmeer überhaupt.Mit Ausnahme der reproduktionsstarken Blauhaie und der unterhalb von 300 Metern Tiefe noch verhältnismäßig häufigen Sechskiemerhaien ist die Zahl der gesichteten und gefangenen Großhaie heutzutage zu gering, um überhaupt eine Aussage zu ihrem Gefährdungsgrad machen zu können. Allen voran gilt das für die beiden Sandtiger-Arten, die im europäischen Hausmeer kurz vor dem biologischen Aussterben stehen und die Grauhaie, die mit mehr Arten im Mittelmeer vertreten sind als die meisten Taucher vermuten. Ehemals häufige Arten wie Mako-, Fuchs- und Glatte Hammerhaie sind im Mittelmeer entweder im kritischen Maß gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Studien zufolge sind die Bestände auf ein bis zwei Prozent der Population vor hundert Jahren zurückgegangen. Zur Anzahl der lebenden Weißen Haie gibt es keine verlässlichen Angaben – aber ihre Anzahl bewegt sich gewiss in den Hunderten und nicht in den Tausenden. Dabei waren ausgerechnet sie in der nördlichen Adria vermutlich einst so häufig wie vor Kalifornien, Südafrika oder Südaustralien.Die Ära der Kopfgeldjäger


Weiße Haie vor Mallorca
Ironischerweise verraten die vom renommierten Hai-Experten Alessandro De Maddalena in seinem neuen Buch zusammengetragenen Statistiken, dass ausgerechnet nahe der mallorquinischen Tourismus-Hochburg Alcudia bis Mitte der 70er-Jahre alljährlich Weiße Haie aus dem Wasser gezogen worden sind, und natürlich gab es nie Unfälle. Vor dem Hintergrund der Hysterie um Peter Benchleys Hollywood-Klassiker „Der Weiße Hai“ wurden solche unangenehmen Vorkommnisse natürlich unter den Tisch gekehrt. Noch heute sind im Fall von Sichtungs-Videos oft Anwohner und Hoteliers zur Stelle, die unbedarften Urlaubern in den Kommentaren versichern, dass es sich um einen harmlosen Riesenhai handelt und dass es eigentlich gar keine Haie gäbe! Und schon gar nicht einige der größten Weißen Haie, die je weltweit gesehen worden sind.Italien – Hotspot für große Haie
Begegnungen mit Tauchern und leider auch tragische Unfälle mit Weißen Haien gab es in der Vergangenheit vor allem im Westen Italiens. Die erste Generation italienischer Taucher erinnert sich zudem noch an ausgewachsene Hammerhaie und andere Großhaie, die in der Straße von Messina über den tiefen Wracks auf Beutefang gingen. Selbst bis in die frühen 90er-Jahre gab es in der Region um Palermo Schulen saisonal wandernder Hammerhaie, die regelmäßig in den Archipelen vor Sizilien, vor Messina und auch vor Malta und Gozo auftauchten. Traditionell eher küstennah oder halbpelagisch lebende Arten wie Glatte Hammerhaie und Grauhaie haben ihren Lebensraum mit den Jahrzehnten immer weiter in abgelegene Regionen oder ins offene Meer verlagert, wo sich noch bis in die 80er-Jahre halbwegs stabile Bestände erhalten konnten, die aber ein Jahrzehnt später bis auf wenige Ausnahmen eingebrochen sind.Rückzugsort vor Nordafrika
Das große Unbekannte repräsentiert die eher spärlich besiedelte nordafrikanische Küste, an die sich verhältnismäßig viele Weiße Haie zurückgezogen zu haben scheinen. Nirgendwo sonst im Mare Nostrum werden die Tiere so regelmäßig gesichtet und leider auch gefangen, wie vor der Küste Marokkos, Libyens und vor allem Tunesiens sowie im Seegebiet zwischen dem Nordost-Kap Tunesiens und der Region um Sizilien, wo sich die Topräuber die schrumpfenden Schwertfisch-Bestände mit den Fischern teilen. Dank Videoplattformen wie You Tube und Organisationen, die sich einer Bestandsaufnahme der Haie im Mittelmeer widmen sowie Fotos und Videos von Sichtungen auf Facebook teilen, kommen spektakuläre Aufnahmen ans Tageslicht. Ob es nun neugeborene Blauhaie im Nationalpark Port-Cros sind, ein Weißer Hai kaum 300 Meter vor St. Tropez, Begegnungen von Schnorchlern mit Sandbankhaien in der Ägäis. Oder eben ein trächtiges Weißes-Hai-Weibchen, das ihrem Instinkt in eine Thunfisch-Zucht vor der tunesischen Küste gefolgt ist und dort eine halbe Stunde lang mit Blei vollgepumpt wird.Hai-Tourismus hat keine Chance
In dieser Hinsicht hat sich seit der Zeit der Donaumonarchie leider kaum etwas geändert – obwohl es in jüngster Zeit nur einen einzigen, nicht tödlichen Unfall mit einem harpunierenden Schnorchler vor Istrien gab. Macht ein Weißer Hai im Mittelmeer den Fehler, seine Rückenflosse in Sichtweite von Booten und Küste zu weit aus dem Wasser zu strecken, ist das auch heute noch oft genug sein Todesurteil. Zu groß ist der Druck von Regenbogenpresse, Hoteliers und Tourismusverbänden. Es wäre nicht auszudenken, würde eine Tauchbasis auch nur ernsthaft daran denken, Haie anzuködern wie anderswo auf der Welt. Der britische Naturschützer, Dokumentarfilmer und langjährige „Shark Trust“-Vorsitzende Richard Peirce hat vor etwa zehn Jahren mehrere Hai-Expeditionen in einige der viel versprechenden Regionen der Adria unternommen. Und auch wenn er und sein Team ausgewachsene und junge Blauhaie ans Boot locken konnte, hatte er keine der anderen erhofften großen Arten beobachtet. „Daheim in Cornwall gäbe es eindeutig mehr Haie als im Mittelmeer“, so sagte er damals. Aus verständlichen Gründen kam es dann am Ende auch nicht mehr zur geplanten Expedition in die mögliche Kinderstube im türkischen Edremit. Die Begegnung mit einem Weißen Hai bleibt so ziemlich das Außergewöhnlichste, was einem Taucher heutzutage im Mittelmeer widerfahren kann.Unvergessliche Begegnung
So wie es Riccardo Andreoli, ein ehemaliger Berufstaucher, an einer traditionellen Thunfisch-Reuse vor der Insel Favignana westlich von Sizilien erlebt hat: „Es waren zwei Haie, die im Abstand von einer Woche in das Netz schwammen – erst ein Weibchen, ein echtes Biest von sechs oder sogar sieben Meter Länge, und dann ein Männchen. Der Chef sagte zu Nitto und mir, wir hätten keine Zeit zu verlieren, es sei ein Loch im Netz, das geschlossen werden müsse ehe die Thunfische entkommen. Zuerst sah ich nichts im aufgewühlten Wasser, aber in der dritten Wand sah ich schließlich das gewaltige Tier, das im Netz verfangen und augenscheinlich tot war. Wir machten uns daran, die Leinen um den Körper zu kappen, aber als Nitto am Kopf angekommen war, wurde der Hai plötzlich quicklebendig, riss das Maul auf und versuchte sich zu befreien. Ich war an der anderen Seite und dachte mir nur: ,Wenn er sich befreien kann, dann war es das‘. Wir kamen kreidebleich an die Oberfläche und selbst der Chef war still. Zwei Tage später waren wir wieder da und der Hai hing immer noch in den restlichen Seilen. Wir trauten dem Braten erst als wir sahen, wie Fische an seiner Haut knabberten. Eine Woche später kam das Männchen, es gab keine Thunfische mehr, die entwischen konnten, aber so kam das Tier mit dem Leben davon.“ Und Riccardo Andreoli mit vier Schnappschüssen, die vielleicht die einzigen publizierten Unterwasser-Fotos eines lebenden Weißen Hais aus dem Mittelmeer sind.Das sind die zehn Orte im Mittelmeer, wo man als Taucher gute Chancen hat, auf große Haie zu treffen:

http://www.ccma.cat/324/troben-un-tauro-de-cinc-tones-enredat-a-les-xarxes-duns-pescadors-a-llanca/noticia/2856250/ an der Costa Brava haben sie einen großen Hai gefangen.