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Einseitige Liebe?

Schon Aristoteles und Plinius glaubten an die besondere Verbindung zwischen Mensch und Delfin, und auch heute gelten die Meeressäuger als besonders freundliche, liebe Tiere.

Sie suchen nicht nur die Nähe von Menschen, sondern retten und beschützen Homo  sapiens auch unter Einsatz ihres Lebens, etwa vor Haien oder dem Ertrinken. Tatsächlich gibt es unzählige solcher Berichte, die einen ungläubig staunen lassen. Aber es passt ja auch schön zum Gesamteindruck, denn Delfine sehen so lieb aus, sie sind süß und knuddelig, und wer möchte sie nicht am liebsten aus dem Urlaub mit nach Hause nehmen?

In der Wissenschaft streitet man allerdings vehement – nicht nur über das Vorhandensein einer besonderen Delfin-Mensch-Verbindung, sondern auch über die vielseits gerühmte Intelligenz der Tiere. Die Ansichten gehen da sehr weit auseinander. Persönlich denke ich, dass Delfine ausgesprochen neugierige Tiere sind, die sich mit Sicherheit auch für andere Arten interessieren – nicht nur für den Menschen. Individuen, die positive Erfahrungen mit Menschen gemacht haben, scheinen nachfolgend oft keine oder wenig Furcht vor ihnen zu zeigen; aber auch das gilt nicht nur für Delfine, sondern auch für andere Tierarten.

Außerdem gibt es auch Seiten an den »lieben« Delfinen, die nicht gut ins vermenschlichte Bild passen, für ein wildes Tier aber ganz normal sind. Einzelne Individuen griffen zum Beispiel schon Menschen an oder brachten diese in arge Schwierigkeiten. Gruppen von Delfinmännchen vergewaltigen häufig einzelne Delfinweibchen. Die meisten Delfine, die ich angetroffen habe, zeichneten sich eher durch Desinteresse an der Spezies Mensch aus. Delfine sind genau wie wir sehr soziale Tiere, gezwungene Einzelgänger (durch Verlust der Gruppe) suchen daher wahrscheinlich eher die Nähe des Menschen als alleine zu bleiben, in diesen Fällen kommt es dann vielleicht tatsächlich zur Ausbildung besonderer Freundschaften.

Ich denke Delfine stehen uns prinzipiell nicht näher als viele andere soziale Tierarten – obwohl wir das gerne hätten, weil wir uns so zu ihnen hingezogen fühlen.

Unter anderem bedienen sie auch irgendwie das Kindchen-Schema mit großem Kopf, großen Augen und einem »Lächeln«, und wahrscheinlich sind wir, bis auf besondere Situationen, für Delfine genauso interessant wie Wale, Schildkröten oder Seekühe. Vermenschlichungen sind immer schlecht, auch Delfine sind letztendlich wilde Tiere und sollten immer als solche betrachtet werden – was aber nicht bedeutet, dass man sich nicht jederzeit an ihrem Anblick erfreuen und von der einen oder anderen Geschichte ans Herz greifen lassen kann.

Zur Person

PA Dr. Vera Schlüssel
Biologin

Prof. (Associate) Dr. Vera Schlüssel arbeitet am Institut für Zoologie der Universität Bonn und schreibt regelmäßig für unterwasser.