Medizin

Deko-Krankheit und Marcumar-Einnahme

Die Antwort könnte kurz und bündig ausfallen – ein schlichtes "Nein" wäre schon die Beantwortung Ihrer Frage. Das wird Sie aber nicht zufriedenstellen, daher etwas ausführlicher: Sie unterliegen zwei Irrtümern, nämlich dass eine "Marcumar"-Therapie das Blut „dünner“ macht und dass eine tatsächliche "Blutverdünnung" etwas Schlechtes sei.
Doch der Reihe nach: Bei einer Therapie mit "Marcumar" oder ähnlich wirkenden Substanzen sagt der  Volksmund zwar, dass es sich hier um eine Blutverdünnung handle, doch ist dieser Begriff und die damit verbundene Assoziation völlig falsch. Eine Verdünnung wäre es, wenn der flüssige Anteil des Bluts in Relation zu den festen Bestandteilen erhöht würde. Das machen aber weder "Marcumar" noch "ASS", "Heparine" und "Plavix" – oder was sonst noch zur sogenannten Antikoagulation (Medikamenteneinnahme zur Hemmung der Blutgerinnung, Anm. d. Red.) gegeben wird. Stattdessen beeinflussen diese Substanzen das Gerinnungssystem des Bluts, und zwar so, dass die Gerinnungsfähigkeit des Bluts eingeschränkt oder gar aufgehoben wird. Diese Substanzen wirken aber nicht überall in gleicher Weise, sondern jede Substanzgruppe greift in einem jeweils spezifischen Bereich der doch sehr komplexen Abläufe der Gerinnung ein. Mit einer "Verdünnung" im eigentlichen Sinn hat das aber wirklich nichts zu tun.
Wie kommt es dann, dass das jeder sagt? Eine Thrombose ist eine Gerinnselbildung im Gefäß, es bilden sich also Klümpchen oder gar Klumpen im Blut. Die Antikoagulation verhindert das, macht das Blut aus dieser (falschen) Vorstellung also "dünnflüssiger". Doch noch einmal: Es handelt sich NICHT um eine Verdünnung des Bluts, sondern um eine Gerinnungshemmung!
Doch wie würde sich eine tatsächliche Verdünnung auswirken? Zäumen wir dafür das Pferd von hinten auf: Eine EINDICKUNG des Bluts, also ein Verlust von Flüssigkeit, zum Beispiel durch überschießende Urinausscheidung, wie sie beim Tauchen regelhaft zu beobachten ist, ist nachgewiesenermaßen einer der wesentlichsten Risikofaktoren für die Entstehung einer Dekompressionskrankheit. Umgekehrt ist eine Verdünnung des Bluts, solange diese nicht so stark ausgeprägt ist, dass die Anzahl der roten Blutkörperchen in Relation deutlich vermindert sind, eher etwas Günstiges. Denn dadurch sind die Kapillargebiete der Gewebe mit großer Wahrscheinlichkeit regelhaft und gut durchblutet, so dass hier ein adäquater Abtransport des Stickstoffs gewährleistet ist. Zum anderen steht im Blut mit der adäquaten Flüssigkeitsmenge eine gute Möglichkeit zum Weitertransport des Stickstoffs zur Lunge zur Verfügung. Stickstoff wird dabei physikalisch im Blut gelöst – und hier kann man in zum Beispiel sechs Litern Flüssigkeit mehr Stickstoff unterbringen als in vier Litern Flüssigkeit. Damit wird deutlich, dass Sie mit Ihrem Erklärungsansatz völlig auf dem Holzweg sind …
Andererseits beeinflussen sehr viele Faktoren die individuelle Dekoempfindlichkeit – und das teilweise sogar tagesformabhängig. Hatten Sie vielleicht einen kleinen Muskelkater? Vielleicht sogar etwas zu wenig Volumen an Bord, durch zum Beispiel starkes Schwitzen ohne hinreichende Zufuhr von Flüssigkeit vor dem Tauchgang oder am Vortag?  Oder haben Sie vielleicht am Vortag fett gegessen? Haben Sie eventuell eine Entzündung im Körper gehabt? Die Liste ist damit keinesfalls vollständig.
Und nicht zu vergessen: Anstrengung NACH dem Tauchen erhöht je nach Begleitumständen das Dekompressionsrisiko! Doch das habe ich hier nicht weiter ausgeführt, denn das steht ja im Artikel (siehe tauchen 9/08).