(Lesezeit ca. 15 Minuten)
Das Telefon klingelt. Hastig schaut er auf´s Display. Ein anonymer Anruf. Sein Fuß tritt auf das Bremspedal. Abrupt stoppt der Wagen. Der 7. April 2022, viertel nach neun Uhr morgens. Richard Wills befindet sich auf dem Weg zur Arbeit nach Mersing, einer Stadt am südchinesischen Meer in Malaysia. Er erwartet einen Anruf.
Einem lokalen Newsportal beschreibt er die Situation: »Ich war in einer Gegend mit schlechtem Empfang, also kehrte ich um, versuchte, ein besseres Signal zu bekommen. Als ich Kristines Anruf entgegen nahm, war ich in Tränen aufgelöst, sehr erleichtert und extrem dankbar, dass sie mich angerufen hat. Ich war noch nie so glücklich, dass sich jemand bei mir meldet«. Der damals 29-jährige Wills ist Manager des Sea Gypsy Village Resorts auf der malaysischen Insel Sibu im südchinesischen Meer. Er organisiert dort seit fünf Jahren Tauchgänge.
So auch einen Tag zuvor. Seine Tauchlehrerin Kristine Grodem bricht mit einer Tauchgruppe zum Spot Pulau Tokong Sanggol auf. Ihre Gruppe besteht aus einer Tauchschülerin, zwei Tauchschülern und einem Bootsführer. Sie planen zwei Tauchgänge vor der unbewohnten Insel. Diese liegt etwa neun Kilometer vor Sibu und knapp 17 Kilometer vom Festland entfernt. Die Tauchgänge sind bei allen Auszubildenden Teil des Advanced Open Water Diver-Trainings.
Starke Strömungen
Doch nur drei der vier Tauchenden werden diesen Trip überleben. Starke Strömungen zerreißen die Gruppe. Laut dem australischen Nachrichtenportal ABC News sagt die Tauchlehrerin später, die Gruppe sei für einen zweiten Tauchgang abgetaucht, den sie aber sofort wegen der schlechten Strömungsbedingungen abbrach. Sie sah, wie die gesamte Gruppe die Wasseroberfläche erreichte. Sie habe dann vergeblich versucht, die Aufmerksamkeit des Bootsführers zu erlangen. Kurz darauf wurde sie von ihrer Gruppe getrennt.
Kelana Ali, stellvertretender Vorsitzender des Tourismusverbands von Mersing, sagt: »Es wird vermutet, dass die Gruppe etwa 500 Meter entfernt vom Boot aufgetaucht ist. Normalerweise hängt die Strömung davon ab, ob Ebbe oder Flut herrscht. Aber vor Pulau Tokong Sanggol ist die Strömung immer stark. Ganz besonders bei Flut«, so Alis Aussagen in einer Lokalzeitung.
100 Kilometer auf offener See
Kristine Grodem trieb 20 Stunden in voller Tauchausrüstung fast 40 Kilometer durchs Meer, bevor sie von einem Boot, das auf dem Weg von Thailand nach Indonesien war, gerettet wurde. Noch von diesem Boot aus rief sie Richard Wills an. Zwei ihrer Tauchschüler, die 18-jährige Alexia Molina und der 46-jährige Adrian Peter Chesters, wurden erst nach zweieinhalb Tagen in indonesischen Gewässern von Fischern lebend aufgefunden. Sie waren über 100 Kilometer auf offener See weitergetrieben worden.
Der 14-jährige Sohn des Briten Chesters, Nathan Chesters, wurde nie gefunden. Die indonesischen Behörden stellten nach Tagen die Suche ein. Laut dem Vater starb er in dessen Armen an Erschöpfung. Das Tauchresort wurde am 23. Juni 2022 mit einer Strafe von 5000 malaysischen Ringgit bestraft, etwa 1100 Euro. Begründung: Das Tauchboot war nicht mit einer adäquaten Crew ausgestattet.
Drogen?
Was mit dem Kapitän geschah, der kurz nach dem Vorfall positiv auf harte Drogen getestet wurde, und ob er zum Zeitpunkt des Zwischenfalls unter deren Einfluss stand, ist nicht bekannt. Seit dem tragischen Unfall dürfen Tauchboote in Malaysia nicht mehr nur mit einem Kapitän ausfahren, sondern benötigen eine mehrköpfige Besatzung.
Handlungsbedarf
Nach solchen Zwischenfällen, die es leider regelmäßig gibt, die jedoch nur sehr selten bekannt werden, ist klar: Tauchsportler werden nicht nur im Moment des eigentlichen Unfalls von ihren Booten und den Crews allein gelassen, sondern auch im Vorfeld von den Ausbildungsorganisationen und der Industrie.
Daher sollten Ausbildungsverbände für ihre Tauchlehrerinnen und -lehrer zumindest ein Minimum an Know-how zum Thema Rettungsfrequenzen, Signalmittel – elektronisch und analog – und zu deren jeweiligen Vor- bzw. Nachteilen bereitstellen. Hersteller von Rettungsmitteln sollten ehrlich über das Für und Wider ihrer Systeme aufklären.
Nachfolgend zeigen wir verschiedene Lokalisierungs- und Trackingsysteme. Bevor wir diese einzeln vorstellen, erklären wir die wichtigsten Funktechnologien für die Seenotrettung. Am Ende des Artikels finden Sie noch ein kurzes Interview mit Ralf Baur. Er ist zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Er gibt uns Einblicke in die Seenotrettung in europäischen Gewässern.
AIS (Automatic Identification System)
Das System wurde ursprünglich für die Berufsschifffahrt entwickelt. Landantennen und Schiffe übertragen verschiedenen Daten. Es dient dazu, den Schiffsverkehr zu überwachen und Kollisionen zu vermeiden. Im Jahr 2000 wurde es verpflichtend in der Berufsschifffahrt eingeführt. Zehn Jahre später wurde es für Personensender zugelassen – mit deutlich geringerer Sendeleistung.
Tauchende knapp über der Wasseroberfläche, verdeckt von Wellen, nehmen eine äußerst ungünstige Sendeposition für das Versenden von Funkfrequenzen ein. Diese Tatsache und die geringere Sendeleistung begrenzen die Reichweite eines AIS-Signals auf maximal acht Kilometer. Damit Berufsschifffahrt, Sportschifffahrt und Mann-über-Bord-Signale (MOB) unterschieden werden können, wurden die Sender bezüglich ihrer Sendeleistung eingeteilt. Mit einem Watt besitzen die MOBs die schwächste Sendeleistung.
AIS ist sehr weit verbreitet. Das ist leider auch das Problem des Systems. Die Sender mit hoher Sendeleistung haben Vorrang. In vielbefahrenen Gebieten wie der Nordsee, der Ostsee und dem Mittelmeer kann es passieren, dass die schwachen Signale der MOBs nicht durchkommen und nicht empfangen werden.
Damit ein AIS-Signal empfangen und ein auf der Wasseroberfläche treibender Mensch lokalisiert werden kann, muss das Schiff über einen AIS-Plotter (eine Art Bildschirm) mit einer aktuellen Seekarte der Region verfügen. Auf dem Plotter geht das MOB-Notfall-Signal ein. Dies muss per Knopfdruck quittiert werden. Auf kleinen Booten, wie Schlauchbooten, sind diese Plotter so gut wie nie vorhanden.
Fehlalarm
Weiterhin gibt es eine große Zahl von Fehlalarmen, da die Geräte falsch eingesetzt werden oder damit herumgespielt wird (siehe INTERVIEW). Es kommt sogar vor, dass Küstenwachen für MOB-Notrufe gar nicht rausfahren. Und das müssen sie auch nicht. Denn, so hat die International Maritime Organization (IMO), ein Organ der Vereinten Nationen (UNO), im Jahr 2013 formuliert: »… derzeit ist die AIS-Technik nicht als MOB-Rettungssystem im internationalen SAR-Konzept [Anm. d. Red.: Search and Rescue-Konzept] geregelt.«
Außerdem hat die UNO nationale Einzellösungen gestattet. Daher haben einige Länder sehr unterschiedliche, auf ihre jeweiligen Bedingungen angepasste Strategien bezüglich der AIS-Nutzung entwickelt. Auf den Malediven stehen laut Aussagen von Experten nur zwei AIS-Antennen im Bereich der Hauptinsel Male. In deutschen Binnengewässern ist die Rechtslage derzeit so, dass AIS-MOBs nicht zugelassen sind, da es für Binnengewässer eine andere AIS-Frequenz gibt.
406 MHz
Dies ist eine der internationalen Notruf-Frequenzen. Notrufsender für Personen auf See, die mit dieser Technologie arbeiten, heißen PLB (Personal Locator Beacon). Diese Art des Notrufs löst eine sehr umfängliche Rettungskette aus: Das Alarmsignal geht an einen Satelliten, dann wieder an Land zu einem Kontrollpunkt (LUT). Von dort an das nächste Maritime Rescue Coordination Center (MRCC). Dort wird die Echtheit des Signals umständlich überprüft. Liegen keine Zweifel vor, wird das Rescue Coordination Center (RCC) benachrichtigt, das dann ein Search & Rescue (SAR) einleitet. Bei einem PLB müssen persönliche Daten in einer Datenbank hinterlegt sein, um die Echtheit des Signals überprüfen zu können.
DSC 70 (Digital Selective Calling)
Dieser Notruf-Kanal war ausschließlich Schiffen vorbehalten. Er besitzt eine hohe Reichweite mit bis zu 40 Seemeilen. Damit es nicht wie bei den anderen Technologien wie AIS und 406 MHz zu einer Überlastung durch Fehlalarme kommt, ist der Personen-Notruf sehr stark reglementiert. Der Notruf darf nur im sogenannten »closed loop« angewendet werden. »Closed loop« bedeutet: es darf nur mit dem eigenen Schiff kommuniziert werden. Das Schiff muss vorher mit einer genauen Kennung, der MMSI, in den Sender eingegeben werden muss. Für DSC benötigen Schiffe ein spezielles Empfangsgerät, das längst nicht immer auf jedem Schiff vorhanden ist, vor allem da dies nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.
Iridium & Inmarsat
Das sind private Anbieter für Satelliten-Telefonie. Wie bei allen Telefonanbietern muss hier ein Telefonvertrag mit einer gewissen Laufzeit abgeschlossen werden. Die Preise sind relativ hoch. Nicht überall auf der Welt sind die Satelliten verfügbar. Iridium ist US-Amerikanisch, Inmarsat ist ein britisches Netzwerk.
Hier nun vier Personensender mit Funktionsweise und Vor- bzw. Nachteilen
ENOS
seareq.de
Die deutsche Firma Seareq entwickelte das Gerät ENOS im Jahr 2004. Seit September 2021 wird es vom Unternehmen NRC International GmbH vertrieben. Anfänglich wurde es belächelt und teilweise als überteuert und überflüssig verunglimpft. Mittlerweile setzen es vor allem Tauchsafarischiffen weltweit ein. Dort erfreut es sich großer Beliebtheit.
Welche Vorteile es bringt, weiß Monika Hofbauer vom Tauchsafari-Anbieter Omneia: »Durch ENOS hatten wir bisher keinerlei Notfälle auf unseren Schiffen Spirit und Soul. Denn bevor eine Situation überhaupt zum Notfall wird, bekommen wir das Signal: Da treibt einer! Ein solches In-House-System funktioniert sehr schnell, der Taucher hat überhaupt keine Zeit, ein ungutes Gefühl zu bekommen.« Hofbauer sagt auch, für ihre Gäste sei es schön, da sie ihnen kein Zeitlimit setzen müsse. Sie könnten so lange tauchen, wie sie Luft haben, denn dank ENOS wird keiner an Bord unruhig, wenn der Tauchgang mal länger als eine Stunde dauert.
Mittlerweile suchen sich viele Tauchurlauber speziell Boote mit ENOS für ihre Safaris aus, da sie die Zuverlässigkeit kennen. Folglich kann ENOS kann also von den Bootsbetreiberinnen und -betreibern als Werbemittel und Buchungskriterium eingesetzt werden.
Funktionsweise:
ENOS steht für Elektronisches Notruf- und Ortungs-System. Ein Taucher trägt einen Sender bei sich. Dieser kann personalisiert werden. Auf dem Tauchboot steht ein Empfänger mit einer Antenne. Je höher die Antenne montiert ist, desto besser ist die Reichweite. Bis zu zehn Kilometer sind möglich. Beide Einheiten sind GPS-Signal-gestützt. Der Sender ist einfach zu bedienen. Ein Taucher dreht den roten Boden. Nun sendet das Gerät fünf Sekunden später ein Signal.
Ein hoher Ton zeigt der Crew jetzt an: Es gibt Handlungsbedarf! Die Mannschaft kann den Empfänger in einem Koffer mit auf ein Schlauchboot nehmen. Die Bootscrew lokalisiert so schnell zu Rettende und holt diese direkt ab. Alle umliegenden Boote mit Empfängern orten die ENOS-Sender. Dank der Personalisierung weiß der Skipper, wer zu ihm gehört.
+ Vorteile:
- Keine Zusatzkosten für die Tauchgäste
- Niedrige laufende Kosten (gelegentlicher Batteriewechsel)
- Keine Lizenzgebühren
- Keine Funkzeugnisse nötig
- Schnelle, direkte Verbindung mit dem Tauchboot – unabhängig von landgestützter Rettung.
- Deutlich erhöhte Sicherheit für alle Beteiligten.
- Sehr zuverlässig
– Nachteile:
- Hohe Anschaffungskosten für Bootsbetreiber. Bis zu 15.000 Euro kostet ein Komplettsystem mit Antenne, Empfänger und mehreren Sendern.
GARMIN inReach mini 2
garmin.com
Der Bootsausstatter und Satellitennavigationsexperte Garmin stellt ein kompaktes Kommunikationsgerät vor. Dabei ist es mit den Tauchcomputern des Herstellers koppelbar. Mit dem Gerät können weltweit Nachrichten verschickt, Positionen geteilt oder Notrufe abgesetzt werden. Hier geht die SOS-Nachricht mitsamt den GPS-Ortungsdaten an die Rettungszentrale von Garmin. Dort übernimmt diese dann die Notfall-Koordination. Die Kommunikation erfolgt über den Satelliten-Telefonanbieter Iridium.
Da es sich um ein US-amerikanisches System handelt, unterliegt die Benutzung in einigen Ländern strengen Auflagen. So besteht eine Meldepflicht zum Beispiel in Indien und auf Kuba. Um das inReach mini 2 mit unter Wasser zu nehmen, ist die hauseigene, wasserdichte Hülle notwendig. Die neueste Version des Satelliten-Kommunikationsgeräts kostet 399,99 Euro. Das Unterwasser-Gehäuse kostet weitere 79,99 Euro. Es ist wasserdicht bis 100 Meter. Für den Betrieb ist, ähnlich wie bei einem Mobiltelefon, ein Vertrag notwendig. Der günstigste, monatlich kündbare Tarif liegt bei 19,99 Euro.
+ Vorteile:
- Weltweite Abdeckung (bis auf wenige Ausnahmen)
- Sehr kompaktes Gerät
- Hohe Eigenständigkeit
- Zwei-Wege-Kommunikation
- verwendbar für alle Outdoor-Aktivitäten
– Nachteile:
- Hohe, laufende Kosten
- Technisches Verständnis notwendig
- Rettungskoordination ist aufwendig, da landbasiert.
- Satelliten-Telefonie ist in einigen Ländern reglementiert.
Nautilus Lifeline
nautiluslifeline.com
Dieses US-amerikanische Produkt basiert, ähnlich wie das nachfolgende beschriebene EasyRescue, auf der AIS-Technologie – mit all ihren Vor- und Nachteilen. Verglichen mit dem easyRescue-Produkt ist es mit einem aktuellen Internet-Preis von 245 Euro relativ günstig. Es ist nicht wieder aufladbar. Laut Hersteller benötigt das Nautilus jedoch lediglich alle fünf Jahre neue Batterien. Es ist bis 130 Meter Tiefe wasserdicht. Der rote Knopf ist für das Absenden eines Notrufs da. Mit einem Tastendruck auf den orangenen Knopf werden nur die Positionsdaten, ohne Notruf, gesendet – entweder einmalig oder dauerhaft.
Funktionsweise:
Das Nautilus sendet auf den AIS- und DSC 70-Frequenzen, die für Notrufe gedacht sind (DSC nur in Regionen der USA). Die Sendeleistung liegt mit einem Watt etwas unter der Leistung des weatherdock-Helfers (drei Watt im Notfall). Sobald ein Notfall eintritt, öffnet man das Gerät, drückt den roten Knopf, und ein Notruf-Signal wird an möglichst viele Schiffe im Umkreis versendet, wenn die Bedingungen stimmen. Eine realistische Reichweite beträgt etwa zwei bis vier Kilomter und ist abhängig von der Höhe der Empfangsantenne und weiteren Faktoren.
+ Vorteile:
- Günstig in der Anschaffung
- Eigenständiges System
- Weltweit einsetzbar
- Keine laufenden Kosten
- Viele Rettungsmöglichkeiten (Notfall geht bestenfalls an mehrere Boote)
Nachteile:
- AIS-Signal kann im Notfall eventuell nicht wahrgenommen werden (überlastetes System).
- Eventuelles Auslösen einer kostspieligen, landbasierten Rettungsaktion, die nicht zwingend notwendig wäre.
easyRescue Dive Pro
weatherdock.de
Das in Nürnberg ansässige Unternehmen weatherdock stellt dieses AIS-Gerät her und vertreibt es direkt. Der wiederaufladbare Sender kann auf einer reinen Lokalisierungsfrequenz senden. So wird er lediglich vom Tauchboot getrackt. Jeder Empfänger, der auf diese Frequenz eingestellt werden kann, kann dieses Tracking übernehmen. Das Gerät stört laut dem Hersteller nicht den AIS-Funkverkehr. Der Anschaffungspreis eines AIS-Senders mit Ladegerät liegt bei 555,60 Euro. Er ist bis 100 Meter wasserdicht. Der Preis für den Empfänger startet bei 983,50 Euro. Der hauseigene weatherdock-Empfänger wird für das Tracking benötigt.
Funktionsweise:
Das Tracking erfolgt auf der kostenfreien Frequenz 160,9 Megaherz. Vor dem Abtauchen schaltet der Tauchende das Gerät am Körper an. Der Schiffsführer sieht die Position dann auf seinem Bildschirm mit der Seekarte. Während des Tauchgangs sieht er den Tauchenden nicht. Sobald dieser wieder auftaucht, kann er ihn auf seinem Bildschirm sehen und abholen.
Sollte ein Notfall eintreten, bedarf es eines Tastendrucks vom Tauchenden. Dann wechselt das Gerät auf die AIS-Frequenz zur Absetzung eines Notfalls (mit verstärkter Sendeleistung von drei Watt). Diese wird im Optimalfall von allen Schiffen in Reichweite wahrgenommen. Dabei muss der Kapitän alle Notrufe auf dem AIS-Plotter quittieren.
Zwar hat der Schiffsführer im allgemeinen die Pflicht zu helfen, jedoch nur im Rahmen seiner Möglichkeiten! Im Klartext: Ein Containerschiff mit einem immens langen Brems- und Wendeweg sowie knapp berechnetem Treibstoff muss nicht für jeden Taucher, der nicht zum Boot zurückfindet und auch nicht für jeden verunfallten Hobby-Segler beidrehen. Selbstverständlich hat der Kapitän die Pflicht, dieses Problem an die SAR-Teams weiter zu melden.
+ Vorteile:
- Eigenständiges System
- Weltweit einsetzbar
- Keine laufenden Kosten
- Viele Rettungsmöglichkeiten (mehrere Boote werden im Notfall bestenfalls benachrichtigt).
– Nachteile:
- AIS-MOB-Signal kann im Notfall unter Umständen nicht wahrgenommen werden.
- Im Notfall unter Umständen Auslösen einer großen, kostspieligen Rettungsaktion, die nicht zwingend notwendig wäre.
Neben den elektronischen Hilfsmitteln gibt es auch noch die guten alten, analogen Rettungsmittel.
Auch diese haben Vor- und Nachteile.
Oberflächen-Boje
Sie sollte bei Tauchgängen in weiten, offenen Gewässern immer mit dabei sein. Bei Strömungstauchgänge ist sie absolut unverzichtbar. Bitte nicht nur eine pro Buddy-Team! Denn auch Buddies können getrennt werden. Optimalerweise ist die Oberflächenboje über 1,20 Meter lang, an der Spitze mit Reflektoren versehen und besitzt noch eine Befestigungsmöglichkeit für einen Blitzer oder Notruf-Sender.
+ Vorteile:
- Optische Hilfsmittel wie Bojen können über weite Strecken wahrgenommen werden.
- Sie benötigen keine Batterien und sind störungsunanfällig.
- Sie sind kompakt (also kein Ballast im Tauchgepäck).
– Nachteile:
- Der Umgang muss gut beherrscht und stetig geübt werden.
- Je nach Sonnenstand sind sie vom Boot aus schwer zu erkennen.
Blitzer & Lampen
Als optische Hilfsmittel sind Lampen oder Blitzer auch tagsüber hilfreich. Die Bootsführer schauen nach ungewöhnlichen Lichtbrechungen. Bei Nachttauchgängen sind solche Blitzer oder Lampen ein absolutes Muss.
+ Vorteile:
- Einfach zu bedienen.
- Gut mitzuführen.
– Nachteile:
- Die Batterie kann leer sein.
- Wasser kann einbrechen.
- Bei Tageslicht sind sie eventuell
nicht hell genug.
Signalpfeife
Sie baumeln an vielen Tauchjackets. Und manchmal, wenn man sehr nah am Tauchboot ist, und der Wind richtig steht, können sie sogar ein bisschen helfen. In vielen Fällen ist die kleine Tröte allerdings einfach viel zu schwach, um damit Aufmerksamkeit zu erregen.
WEITERE INFOS:
INTERVIEW MIT RALF BAUR,
Pressesprecher DER DGzRS
TAUCHEN: Nach unseren Recherchen arbeiten viele Personen-Rettungssysteme, oder auch MOB-Systeme, auf AIS-Frequenzen. Jedoch erwähnt die IMO ausdrücklich, dass die Personenrettung mit AIS kein Konzept im internationalen SAR-Konzept darstellt. Zu hoch sei die Anzahl an Fehlalarmen und missbräuchlicher Nutzung. Wie handhabt die DGzRS einen vermeintlichen AIS-Notruf? Wird sämtlichen Meldungen nachgegangen?
BAUR: Wenn die Rettungsleitstelle See der DGzRS Kenntnis von AIS-Signalen entsprechender Geräte bekommt, wird selbstverständlich dieser Information nachgegangen. Für den »Sender« ist es wichtig zu wissen, dass AIS kein echter Notruf ist, sondern die Aussendung lediglich als Ortungshilfsmittel zu sehen ist. Idealerweise geht einer Aktivierung eines AIS-MOB- bzw. AIS-SART-Gerätes die Aussendung eines »echten« Notrufes voraus. [Anm. d. Red.: als »echter« Notruf ist hier ein Sprachnotruf per Funk von einem Boot aus gemeint.]
TAUCHEN: Wie hoch ist ihrer Einschätzung nach die Quote an AIS-Fehlalarmen in deutschen Gewässern?
BAUR: Die durch AIS-Geräte ausgelösten Alarme erreichen uns relativ zuverlässig (immer abhängig von Verkehrsdichte, Antennenhöhe, Wellenhöhe, Sendeleiste) – die größte Herausforderung für unsere Rettungsleitstelle See (und das gilt ebenso für unsere Nachbarstaaten) ist aus rettungsdienstlicher Sicht die Tatsache, dass die Fehlalarmquote bei annähernd 99 Prozent liegt.
TAUCHEN: Stellt AIS ihrer Ansicht nach ein adäquates Sicherheitssystem für Personen, wie Tauchende, dar, die nach ihrem Tauchgang ihr Schiff nicht mehr wieder finden und abgetrieben sind? Oder gibt es andere Systeme, die sich für solche Fälle besser eignen?
BAUR: Persönliche AIS-Systeme (ebenso wie Kombinationen von DSC und AIS) sollen in erster Linie der Alarmierung und dem Auffinden von Personen durch das eigene Schiff dienen. Hier gibt es eine dynamische, technische Entwicklung beispielsweise von sogenannten AMRD-Geräten (Autonome Maritime Radio Devices).
KEINE GEWISSHEIT
TAUCHEN: Wie hoch sind die Chancen, dass ein solches AIS-Notsignal nicht im »normalen« AIS-Funkverkehr untergeht? Denn die Sender besitzen i.d.R. eine recht geringe Leistung und müssen mit denen konkurrieren, die mehr Leistung besitzen (wie sie z.B. in der Berufsschifffahrt eingesetzt werden)? Außerdem sind Personen an der Wasseroberfläche in keiner guten Sendeposition.
BAUR: Das sehen Sie richtig. Es gibt keine Gewissheiten, sondern nur hohe oder niedrige Wahrscheinlichkeiten, die von verschiedenen Faktoren wie Verkehrsdichte, Sendeleistung, Höhen der Antennen (Sender und Empfänger), Wellenhöhen, Abschattungen der Antennen auf den Empfängern (auf Schiffen bspw. Schornstein zwischen den Antennen), abgestellter Alarm auf ECDIS-Anlagen, Ausguck etc. abhängen.
AIS sendet über UKW-Funk. Sobald der Empfangsbereich verlassen wird, ist ein AIS-Signal (bspw. bei Marinetraffic) nicht mehr sichtbar. Schiffe, die sich bspw. auf dem Atlantik begegnen, können sich natürlich gegenseitig »sehen«, sobald sie in den gegenseitigen Empfangsbereich kommen. Das UKW-basierte System erreicht auf einem Fahrzeug mit der integrierten Antenne schätzungsweise eine Reichweite von kaum mehr als zwei Seemeilen (max. 3,6 Kilometer).
TAUCHEN: Aus welchen Gründen werden SAR-Mission abgebrochen oder unterbrochen?
BAUR: Eine Suche auf See wird immer dann eingestellt, wenn es nach menschlichem Ermessen keine Chance mehr gibt, die vermisste Person noch lebend zu finden.
TAUCHEN: Herzlichen Dank, Herr Baur!
(Das Gespräch führte Benjamin Schulze)
Über die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger
Die DGzRS ist zuständig für den maritimen Such- und Rettungsdienst in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben hält sie rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote auf 55 Stationen zwischen Borkum im Westen und Usedom im Osten einsatzbereit – rund um die Uhr, bei jedem Wetter. Jahr für Jahr fahren die Seenotretter mehr als 2.000 Einsätze, koordiniert von der deutschen Rettungsleitstelle See, dem MRCC Bremen der DGzRS (MRCC = Maritime Rescue Co-ordination Centre).
Die gesamte unabhängige und eigenverantwortliche Arbeit der Seenotretter wird ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen finanziert, ohne Steuergelder. Seit Gründung der DGzRS 1865 haben ihre Besatzungen annähernd 86.000 Menschen aus Seenot gerettet oder drohenden Gefahren befreit. Schirmherr der Seenotretter ist der Bundespräsident. Mehr über diese Arbeit finden Sie auf dieser Website www.seenotretter.de.