TEXT: Alena und Dietmar Steinbach
»Tausendmal gesehen«, wie in dem bekannten Lied von Klaus Lage, betrachten wir im Vorbeitauchen die üblichen Wasserpflanzen im Steinbruchsee Riesenstein in Meißen, allen voran das Ährige Tausendblatt. Es ist schon mit allerhand Mühe verbunden, inmitten von so vielen Pflanzen, die ganz oder teilweise unter Wasser leben, nach seltenen unter selbigen zu suchen.
Aber da! Unglaublich! Zwischen den verschiedenartigen Tausendblattgewächsen ragen zwei ganz feingliedrige Pflanzen hervor – mit Samenkapseln? Nein, ganz im Gegenteil, diese Kapseln dienen nicht der Vermehrung, sondern der Nahrungsaufnahme. Endlich, endlich haben wir die Pflanze gefunden, die in Deutschland als die einzige fleischfressende Art unter den Wasserpflanzen gilt: den Wasserschlauch, hier genauer den Gemeinen Wasserschlauch.
Bei den Kapseln handelt es sich sozusagen um Fangeinrichtungen. Sobald die Borsten an einer von ihnen von einem Wasserfloh berührt werden, saust ein Deckel wie bei einer Falltür nach innen. Durch den so erzeugten Unterdruck wird der Wasserfloh in die Kapsel gezogen und langsam verdaut. Kein Scherz, das gibt es wirklich – mitten in Deutschland.
Wenig beachtet
Nach Tauchgängen in unseren heimischen Seen ist bekanntermaßen meistens die Rede von »Monsterwelsen«, »Riesenhechten«, »Mordskarpfen« und dergleichen. Selten hört man etwas über die Pflanzen im See. Im Allgemeinen fällt diesbezüglich lediglich die Bemerkung: Alles grün. Womit das Thema dann aber abgehakt wird, und man sich wieder den fantastisch bunten Sonnenbarschen zuwendet oder dem angriffsfreudigen Zander.
Doch woran liegt dieses gewisse Desinteresse an unserer heimischen Flora unter Wasser? Wasserpflanzen haben einen ziemlich schlechten Ruf in der Öffentlichkeit. Regelmäßig erfolgt ihre Dezimierung in Binnengewässern, allein weil sie den Bootsverkehr behindern. Schwimmer erfasst das kalte Grauen, wenn sich »Schlingpflanzen« um ihre Beine legen und nach unten ziehen, was natürlich unzutreffend ist.
Und wir Taucher? Die Frage ist umso mehr berechtigt, da wir ja den Wasserpflanzen am nächsten kommen. Außerdem zeichnen sich viele Gewässer durch viele und nicht selten auch sehr schöne Pflanzen aus. Wer in den St. Leoner See in Baden-Württemberg, den Echinger Weiher in Bayern, den Kulkwitzer See in Sachsen, den Hufeisensee in Sachsen-Anhalt und den Groß-Glienicker See in Berlin steigt, der sieht zuerst Pflanzen, und zwar in Hülle und Fülle.
An den riesigen Beständen von Tausendblattgewächsen im Großen Ammelsheiner Steinbruchsee entlang zu tauchen oder über den Wäldern aus Tannenwedel im Nordstrand in Erfurt zu schweben, ist einfach ein Genuss. Unstrittig ist: Die Tiere in unseren heimischen Gewässern, insbesondere die großen Fische, sind spektakulärer als die Pflanzen.
Aber uninteressant, nein uninteressant sind die Wasserpflanzen nicht. Im Gegenteil. Um sie näher kennenzulernen, muss man nicht Botanik studieren oder ein Experte werden. Es gibt eine sehr gute Möglichkeit, recht schnell zum Kenner der zumindest gängigen Wasserpflanzenarten bei uns zu werden.
Das Naturschutz- oder Biologie-Seminar
Keine Frage: Das hört sich nach viel Theorie an, und dem ist auch so. Es hängt aber, wie bei aller Wissensvermittlung, viel von der Begabung der Vortragenden ab. Bei uns haben jedenfalls Silke Oldorff und Volker Krautkrämer, zuzüglich Tom Kirschey, Autoren des Buches »Pflanzen im Süßwasser« aus dem Kosmos-Verlag, unser bis dahin nicht so starkes Bedürfnis wachgerüttelt, sich mehr mit den Pflanzen unter der Wasseroberfläche zu beschäftigen.
Mit anderen Worten: Der Funke hat gezündet, wenn zunächst mit Erstaunen registriert wird, wieviel verschiedenartige Pflanzen es in unseren heimischen Gewässern gibt. Erinnerungen werden wach, die eine oder andere Pflanzenart schon mal gesehen oder gar fotografiert zu haben. Der Vorsatz wird geboren, beim nächsten Tauchgang genauer hinzusehen.
Aus dem Alltagslebender Wasserpflanzen
Was wir im Tierreich als »die Üblichen« in unseren heimischen Gewässern kennen, sind bei den Pflanzen die Tausendblattgewächse, Tannenwedel, Hornblatt- und Laichkrautpflanzen, Wasserpest und Krebsschere, Hahnenfußgewächse und Wassersterne, Kanadische Wasserpest sowie letztendlich die Characeen, die im weitesten Sinne mit zu den Algen gerechnet werden und deswegen auch Armleuchteralgen genannt werden.
Die genauere Beschäftigung damit offenbart einige wirklich interessante Erkenntnisse zu ihrer Lebensweise. Dass für Pflanzen die Photosynthese lebenswichtig ist, wissen wir seit der Schulzeit.Es erklärt somit auch, warum wir nur in Seen mit klarem Wasser dieselben bis in größere Tiefen antreffen. Bei einem Meter Sichtweite dringt das Sonnenlicht kaum tiefer ins Wasser ein, so dass auch nur mit einem bescheidenen, oft keinem Pflanzenwachstum darunter zu rechnen ist.
Wasserpflanzen sind sowieso keine Tieftaucher. Luft in ihren Stängeln oder aber in Auftriebskörpern ermöglicht ihnen das Aufrechtstehen, macht sie aber gegen größere Drücke empfindlich. Um dem zu begegnen, haben kleinwüchsige Armleuchteralgen ihre Stängel durch Kalkeinlagerungen stabiler gemacht und kommen so noch in Tiefen bis 40 Meter vor.
Wie überall hat auch die Natur bei den Wasserpflanzen alles sehr sinnvoll eingerichtet. Warum sollten sie unter der Wasseroberfläche eine umwerfende Blütenpracht entfalten, wo es doch keinen Wind und keine Insekten zum Bestäuben gibt? Nur im Ausnahmefall übernimmt diese Aufgabe das Wasser. Wenn es um ihre Vermehrung geht, wachsen die Stängel einiger Pflanzenarten mit ihren Blütenständen bis über die Wasseroberfläche hinaus und entwickeln dort durchaus schön aussehende Blüten.
Jedes Jahr auf‘s Neue, von Juni bis August, sind jene von den Tausendblattgewächsen und vom Tannenwedel überall zu sehen. Ganz anders verhält sich dabei die uns vor allem aus Gewässern im Norden Deutschlands her bekannte Krebsschere. Im Dreetzsee und Krüselinsee wächst diese Art wie angepflanzt. Die Pflanze hat aber kein Rhizom, keine Wurzel im Gewässergrund.
Ist die Zeit der Vermehrung gekommen, steigt ein Teil von ihnen auf zur Wasseroberfläche und bietet darüber seine Blütenstände zum Bestäuben an. Ganz nebenbei bringen die Pflanzen dabei Larven von Libellen mit nach oben.
Interessant ist auch die Vermehrung der Wasserpflanzen, die über Samen erfolgt. Oder vegetativ, das heißt über Ausläufer oder abgetrennte Pflanzenteile. Dabei kommen die »Turionen« ins Spiel. Klingt ein wenig nach Krieg der Sterne. Das heißt, die Pflanzenart bildet sich im Winter zurück und sichert ihr Überleben vegetativ durch »Turionen«: Das sind gurkenähnliche Winterknospen, aus denen dann im folgenden Frühjahr neue Pflanzen entstehen.
Wasserpflanzen sind vielseitig. Der Tannenwedel ist ebenfalls winterfest, aber immergrün und sichert sein Überleben ebenfalls durch Turionen. Es ist für Taucher unglaublich schön, zwischen einer Eisdecke über und diesen Pflanzen unter sich zu schweben.
Immer wieder ist vom »Krieg der Wasserpflanzen« zu lesen. Nun, sie schlagen dabei nicht gegenseitig auf sich ein, das geht ja nicht. Ihre Methoden, den Nachbarn zu schaden, sind viel tückischer! Beispielsweise gibt das Ährige Tausenblatt giftige Substanzen ab, um so Nachbarpflanzen am Wachstum zu hindern. Heute noch ein Scherz, morgen Realität: Vielleicht ermöglicht es uns die Forschung ja, eines Tages mit Pflanzen zu kommunizieren.
Unterwasserfotos von Pflanzen
Hierbei handelt es sich um ein »Stiefkind« der Unterwasserfotografie. Aber wir alle haben zum Beispiel schon wunderschöne Fotos von Seerosen gesehen, die aus der Unterwasserperspektive angefertigt wurden. Selbst wenn die größtenteils unter der Wasseroberfläche befindlichen Pflanzen vielleicht weniger schön sind als die im Garten zu Hause, so besitzen doch Fotos von ersteren einen viel größeren Seltenheitswert.
Etwas fotografiert zu haben, was nur wenigen Menschen vergönnt ist zu sehen, weil sie nicht tauchen oder zur falschen Zeit unter Wasser oder am falschen Platz sind, oder weil sie einfach aus Unkenntnis die Motive nicht wahrnehmen, ist auch eine Genugtuung. Die Meinung, dass all die Pflanzen in unseren Gewässern nicht fotogen sind, entspringt eher der Ahnungslosigkeit. Entsprechend freigestellt sind besonders Pflanzendetails auf Fotos richtig schön anzusehen.
Eigentlich wäre es sinnig, am Beginn einer Unterwasserfoto-Karriere vor allem Pflanzen in unseren heimischen Gewässern zu fotografieren. Sie sind immer da, reißen nicht aus, sind also ideale Motive zum Probieren mit Weitwinkel-, Normal- oder Makroobjektiv. Ihre Arten und Lebensweisen machen das Ablichten von Wasserpflanzen zur Lebensaufgabe für jeden biologisch interessierten Unterwasserfotografen, sowohl dokumentarisch als auch kreativ.
Wozu brauchen wir Wasserpflanzen in unseren Seen?
Leider wird auch heutzutage oft gelacht, wenn der Tauchpartner mit Pflanzen behangen das Wasser verlässt. Pflanzen gibt es ja genug. Wenn schlecht tarierte Taucher den Gewässergrund umpflügen, erregt das bei den Tauchpartnern wegen der dann eingeschränkten Sichtweite schon eher Missfallen. Es schadet aber bekanntermaßen auch beträchtlich den Pflanzen unter der Wasseroberfläche.
Einen überzeugenden Eindruck davon vermitteln Badestellen, aber auch manche Einstiegsstelle für Taucher. Die Nützlichkeit von Wasserpflanzen ist unbestritten. Für sauberes Wasser und vielgestaltiges Leben in unseren Seen sind sie unentbehrlich. Wasserpflanzen produzieren Sauerstoff und binden Kohlendioxid. Aber nicht nur das. Wasserpflanzen konkurrieren mit dem im Freiwasser schwebenden Phytoplankton um Nährstoffe.
Gewinnen die Wasserpflanzen, bleibt das Wasser sauber. Wenn nicht, beispielsweise durch erhöhten Nähstoffeintrag ins Gewässer, hat allerdings auch das Phytoplankton genügend Nahrung, und das Wasser wird grün. Und wer geht schon gern in grünes Wasser baden oder gar tauchen? Fische und andere Wasserbewohner haben da keine Wahl.
Ganz übel geht es dann den Pflanzen: Kein Sonnenlicht, keine Photosynthese – das ist das »Aus« für die Pflanzen. Und gibt es keine Pflanzen mehr im See, fehlen sie als Nahrungslieferanten. Von dem sogenannten »Aufwuchs« auf den Pflanzen lebt das Kleingetier in den Seen, und von dem wiederum die größeren Tiere. Speziell für die Fische fehlen die Pflanzen beim Ablaichen. Nicht umsonst gibt es bei den Pflanzen die Familie der »Laich«-krautgewächse. Zudem: Wo sollen die Jungfische, eigentlich alle Tiere unter Wasser, Schutz suchen, wenn nicht zwischen oder unter den Pflanzen?
Fazit
Mit dem Wissen und Interesse an Unterwasser-Pflanzen wird jeder Tauchgang interessanter. War bisher das Schweben über riesige grüne Flächen am Gewässergrund eher eintönig, wird nun aufmerksam registriert, um welche Pflanzen es sich hier handelt. Mehr oder weniger, ob man will oder nicht. Und natürlich ist die Freude groß, wenn dabei eine vergleichsweise seltene Pflanzenart gefunden wird. <<
Nachricht und Info: steinbach@aikq.de
LINK: Das Buch ist hier erhältlich.
Nicht nur ein prima Hilfsmittel
Das »Herbarium«
Einverstanden: Herbarium klingt irgendwie, als wenn sich ältere Semester, tief gebeugt über ihre getrockneten Pflanzen, ständig über deren wissenschaftliche Namen streiten.
Nun, aller Anfang ist für den überhaupt nicht schwer, der dicke Mappen mit gebundenen Fachzeitschriften loswerden möchte. Heben Sie eine Mappe auf für folgenden Verwendungszweck: Beim nächsten Tauchgang in einem Gewässer, dem problemlos für die Natur Pflanzenarten entnommen werden dürfen und können, werden Einzelexemplare nicht geschützter Arten in einem Beutel gesammelt und in einem geeigneten Gefäß nach Hause gebracht. Im allereinfachsten Fall, sozusagen zum Probieren, werden nun die Pflanzen zwischen das Papier eines Presseerzeugnisses gelegt und alles zusammen zwischen den Seiten der Zeitschriftenmappe gepresst. Dazu reicht es aus, die geschlossene Mappe mit einigen Gewichten des Bleigurts zu beschweren.
Wer all diese Schritte einigermaßen ordentlich vollzieht, wird nach knapp einer Woche die Verwandlung der Pflanzen zwischen dem Zeitungspapier überraschend finden. Mit kleinen Leimmengen an der Unterseite behaftet, wird jede gepresste Pflanze auf ein Blatt Kopierpapier gelegt und im Flachbettscanner gescannt. Das Ergebnis ist zunächst, je nach Pflanzenart, ein Kunstwerk, das zum Beispiel als Raumschmuck so manch langweiliges Bild dort in den Hintergrund rücken lässt. Das eigentliche Ziel ist allerdings eine Sammlung von gepressten Pflanzen in einem Herbarium, in dem wir einige Besonderheiten jeder Pflanze ganz in Ruhe näher kennenzulernen können.
Wie dem auch sei. Damit ist der Wunsch geboren, das alles nun besser zu machen. Die Beschäftigung mit dem Eigenbau einer ordentlichen Presse beginnt. Um die Farben der Pflanzen beim Pressen besser zu erhalten und um ein Festkleben derselben zu vermeiden, erfolgt dieses nun zwischen Blättern aus Backpapier. Die fertigen Seiten werden entsprechend beschriftet. Sowohl Bauanleitungen für Eigenbaupressen als auch Hinweise zur Beschriftung der Blätter für‘s Herbarium gibt es im Internet in großer Anzahl. Man kann das Pressen der Pflanzen natürlich auch gleich »ordentlich« machen.
Achtung: Nicht geeignet für das Sammeln von Pflanzen sind natürlich Gewässer in Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten. Aber auch Pflanzen, die geschützt sind, bleiben, wo sie sind!