In mehreren Teilen beleuchten unsere Tauchmediziner die diversen
möglichen Einflüsse und deren direkte Auswirkungen.
Text: Prof. Dr. Claus-Martin Muth & Prof. Dr. Tim Piepho
Es kommt häufiger vor, dass TAUCHEN-Leser aller Geschlechter über einen Tauchunfall berichten, ohne dass der Tauchcomputer etwas Auffälliges gemeldet habe. In der Regel wird dann nach dem einen unbedingten Grund gefragt, der diesen Tauchunfall hat möglich werden lassen. Tatsächlich ereignen sich jedoch heutzutage viele Tauchunfälle trotz Computerbenutzung und ohne dass offensichtlich gegen Auftauchvorschriften verstoßen wurde. Dabei sind die derzeit auf dem Markt befindlichen Tauchcomputer ungeachtet aller Unterschiede grundsätzlich sehr zuverlässig und prinzipiell auch sichere Geräte. Die eigentlichen Probleme, die zu einem Tauchunfall führen, liegen in einem ganz anderen Bereich. Neben den bekannten Einflussgrößen Tauchtiefe und Tauchzeit gibt es eine große Vielzahl von individuellen Einflussfaktoren, die das persönliche Dekompressionsrisiko erhöhen – oder verringern können. Einige unbekanntere dieser Faktoren, die übrigens von keinem Rechenmodell der Welt bislang adäquat berücksichtigt werden können, sollen hier vorgestellt werden. Wobei es sehr viel mehr solcher gesicherter Faktoren gibt. Doch das würde den Umfang dieses Beitrags sprengen. Zu beachten ist außerdem, dass bis heute sicher auch noch nicht sämtliche Einflussgrößen bekannt sind, die bei der individuellen Entstehung des Tauchunfalls eine Rolle spielen können.
Faktor Rauchen
Es gibt ein relativ einfaches, wenn auch teures Mittel, die Gewebsdurchblutung zu verschlechtern, welches bei Tauchern geschlechtsunabhängig leider durchaus beliebt ist: das Rauchen. Hier sei nur kurz erwähnt, dass in einer großen wissenschaftlichen Untersuchung sehr deutlich gezeigt werden konnte, dass ein Tauchunfall bei Rauchern wahrscheinlicher ist. Zudem ist die Symptomatik des Tauchunfalls bei Rauchern meist schwerer als bei Nicht-Rauchern. Zusätzlich stellt Rauchen einen relevanten Risikofaktor für das sogenannte Air Trapping dar. Dabei können die durch das Rauchen im Bronchialsystem verursachten Veränderungen den raschen Abstrom der sich beim Auftauchen ausdehnenden Atemluft in einzelnen Alveolarabschnitten behindern. Hierdurch kann es beim Auftauchen zu einer Lungenüberdehnung kommen, was schließlich zum Lungenriss führen kann.
Faktor Alter
Während das Rauchen ein selbstverschuldetes Problem darstellt, kann man gegen das Altern kaum etwas tun. Doch hier gilt, dass die Durchblutung der Gewebe mit steigendem Lebensalter schlechter wird. Dadurch ist natürlich sowohl die Stickstoffaufnahme als auch die Stickstoffabgabe verändert. Dementsprechend nimmt die Gasblasenbildung mit steigendem Alter zu. Beängstigend ist dabei, dass dieser Effekt bereits um das 40. Lebensjahr herum nachweisbar ist. Der Prozess des Alterns lässt sich zwar nicht aufheben, aber immerhin etwas aufhalten und verlangsamen. Wie? Na, nicht rauchen und regelmäßig Ausdauersport treiben.
Faktor Geschlecht
Auch das Geschlecht hat einen Einfluss auf die individuelle Empfindlichkeit des Tauchers und somit auf das Auftreten eines Tauchunfalls. So konnte zum Beispiel bei Taucherinnen gezeigt werden, dass das Risiko, einen Dekompressionsunfall zu erleiden, vom Monatszyklus abhängt und offenbar nicht über den ganzen Zyklus gleichmäßig hoch ist. Bei Taucherinnen, die einen normalen Menstruationszyklus haben, also nicht die Pille einnehmen, scheint die erste Zykluswoche mit einem höheren Dekompressionsrisiko einherzugehen, die dritte Zykluswoche hingegen mit einem erniedrigten Risiko. Bislang ist noch nicht endgültig bekannt, woran genau das liegt. Wahrscheinlich spielen hier die Blutspiegel der weiblichen Geschlechtshormone eine wesentliche Rolle.
Welche Konsequenzen ergeben sich jetzt für den Taucher?
Wie eingangs erwähnt, ist die obige Aufzählung der Risikofaktoren keineswegs komplett. Doch mit Kenntnis des obigen Textes, gepaart mit einem risikobewussten Tauchverhalten, ausgeführt mit Sinn und Verstand, lässt sich das persönliche Dekompressionsrisiko schon erheblich reduzieren. Es könnte sich also lohnen, das Thema Dekompression nicht mit dem Kauf des Tauchcomputers als erledigt zu betrachten, sondern ein paar weitere Gedanken in das Thema zu investieren. Hier ist der wichtigste Tipp, dass man die theoretischen Möglichkeiten des Tauchcomputers niemals ausreizen sollte. Es ist sicher eine gute Idee, seinen Tauchgang so zu gestalten, dass der Rechner bei Erreichen der Wasseroberfläche bereits wieder fast die maximale Nullzeit anzeigt. Und prinzipiell lohnt es sich – das gilt nicht nur für Taucher – sich körperlich fit zu halten, und zwar unabhängig von Alter und Figur. Taucher sind übrigens gut beraten, in ihre Trainingsaktivitäten auch das Schwimmen, und hier vor allem auch das Flossenschwimmen mit aufzunehmen, da hierdurch die für das Tauchen notwendigen Bewegungsabläufe ökonomisiert werden.