TEXT: Prof. Dr. med. Claus-Martin Muth & Prof. PD Dr. med. Tim Piepho |
Beim Tauchen ist eine stabile Körperkerntemperatur (die Körpertemperatur im Rumpfbereich) von etwa 37 Grad Celsius für den Menschen essentiell. Doch im Wasser, besonders bei Wassertemperaturen niedriger als 28 Grad Celsius, verliert der Körper Wärme viel schneller als an der Luft. Dies liegt an der hohen Wärmeleitfähigkeit von Wasser, was die Auskühlung fördert. Bewegung, Atmung und eine erhöhte Urinausscheidung begünstigen diesen Prozess zusätzlich. Auskühlung beim Tauchen ist daher ein ernstzunehmendes Problem, das zu Unterkühlung führen kann.
Was passiert bei Auskühlung?
Ab einer Körperkerntemperatur von 36 bis 34 Grad Celsius kommt es im Erregungsstadium zum Frieren. Der Körper reagiert mit Zittern und einer erhöhten Atemfrequenz, während die Blutzirkulation in den Extremitäten verringert wird, was Schmerzen an Fingern, Zehen und sogar Ohren zur Folge haben kann. Tauchen in kaltem Wasser birgt das Risiko, dass die Konzentration und Beweglichkeit nachlassen, was zu gefährlichen Situationen führen kann. Zudem wird der Luftverbrauch erhöht, was während eines Tauchgangs problematisch werden kann.
Die Folgen der Unterkühlung
Unterkühlung kann zu unkontrollierten Reaktionen und Panik führen, was in einer Stresssituation gefährlich werden kann. Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass der verminderte Abtransport von Stickstoff das Risiko eines Dekompressionsunfalls steigern kann. Dies ist besonders riskant, wenn die Unterkühlung gegen Ende des Tauchgangs auftritt, da sich der Stickstoff in den Geweben während der Dekompression nicht schnell genug abbauen kann.
Urinproduktion und ihre Auswirkungen
Ein weiterer Aspekt beim Tauchen ist die verstärkte Urinproduktion, die sowohl durch das Eintauchen in kaltes Wasser als auch durch die Kälte selbst verstärkt wird. Der Verlust von Flüssigkeit und Körperwärme durch das Wasser und den Urin kann das Dekompressionsrisiko ebenfalls erhöhen und zudem das Panikpotenzial steigern. Wenn Taucher während eines Tauchgangs frieren und die Blase drückt, ist das Risiko für gefährliche Situationen groß.
Präventive Maßnahmen: So bleibt man warm
Ein adäquater Kälteschutz ist beim Tauchen in kaltem Wasser entscheidend. Tragen Sie einen Kälteschutzanzug, der speziell für solche Bedingungen entwickelt wurde. Moderne Heizwesten im Trocki sind ebenfalls eine gute Lösung, um den Rumpf warm zu halten. Planen Sie Tauchgänge in kaltem Wasser so, dass Sie den Tauchgang beenden, bevor das Frieren einsetzt.
Was ist zu vermeiden?
Schnelles, forciertes Schwimmen als Methode zur Wärmeerzeugung ist wenig hilfreich, da es zu einer weiteren Abkühlung führt. Stattdessen sollte der Tauchgang so schnell wie möglich beendet werden. Ziehen Sie warme, trockene Kleidung an und trinken Sie alkoholfreie, gezuckerte Getränke, um Ihre Körpertemperatur wieder zu stabilisieren.
Hat die Umgebungstemperatur einen Einfluss auf die Dekompression?
Prinzipiell ja. Aber anders, als so mancher denkt. Wer die höheren Weihen der Taucherhierarchie anstrebt, also beispielsweise CMAS-3-Stern, Divemaster oder gar Tauchlehrer werden will, wird in der Theorie gern gefragt, welche Faktoren beim Gesetz von Henry (Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten) eine Rolle spielen. Gute Kandidaten antworten dann wie aus der Pistole geschossen: Art des Gases, Art der Flüssigkeit, Zeit, Kontaktoberfläche, Löslichkeitskoeffizient ά und Temperatur. Tatsächlich: Die Temperatur spielt eine Rolle, ob und wie stark sich Gase in Flüssigkeiten lösen und damit auch bei der Dekompression. Stimmt und stimmt auch wieder nicht.
Aus physikalischer Sicht ist es definitiv so: Ein Gas löst sich in einer Flüssigkeit besser, wenn die Flüssigkeit kalt ist, als wenn sie warm ist. Daher löst sich Kohlensäure in kalter Cola besser als in warmer, und Stickstoff in kaltem Blut besser als im warmen Blut. Doch der Mensch ist ein »gleichwarmes Wesen«. Das bedeutet: Im zentralen Kompartiment, also im Rumpfbereich und damit auch da, wo der Gasaustausch stattfindet, ist die Körpertemperatur und damit auch die Bluttemperatur konstant bei 37 Grad Celsius.
Spielt die Umgebungstemperatur also doch keine besondere Rolle? Doch, schon. Aber nicht wegen der Bluttemperatur, sondern wegen der Kontaktoberfläche: Bei kalten Temperaturen verengen sich die Gefäße in der Peripherie. Das kann gewaltige Auswirkungen auf die Dekompression haben: Das Blut, das aus der Lunge kommt, ist beim Tauchen mit Stickstoff gesättigt. Dieser Stickstoff wird überall hin weitertransportiert und sättigt sich in den Geweben auf. Kommt es nun im Verlauf des Tauchgangs zum Auskühlen des Körpers oder auch nur zum Kältereiz, verengen sich die venösen Gefäße in der Peripherie.
Doch genau über diese Gefäße soll der beim Auftauchen freiwerdende Stickstoff abtransportiert werden. Wenn das nicht ausreichend geschehen kann, kommt es in den betroffenen Geweben zu einer kritischen Überspannung und zur Blasenbildung. Tatsächlich könnte das kalte Blut in den peripheren Gefäßen sogar mehr Stickstoff lösen, was eher günstig wäre. Doch weil der Abtransport nicht gelingt, kommt es zum Ausgasen.
Daher gilt: In Fragen zur Physik ist die Temperatur des Lösungsmediums wichtig. In der Tauchmedizin ist es aber die geringere Austauschoberfläche und nicht die Bluttemperatur. Alles klar?
Wie kann der Taucher sich schützen?
Zunächst ist eine vernünftige Tauchgangsplanung wichtig, und Dekozeiten sollten vermieden werden. Zudem ist es auch sehr ratsam, beim Tauchen in kalten Gewässern und/oder langen Tauchzeiten einen Trockentauchanzug mit geeigneten Unterziehern zu verwenden. Baumwolle ist hier völlig ungeeignet, denn die Isolations-Eigenschaften sind schlecht. Zudem nimmt Baumwolle sehr gut Schweiß auf, ohne ihn abzuleiten, was für die Wärmekonservierung ungünstig ist.
Wolle ist grundsätzlich gut geeignet. Ebenso wie moderne Materialien, bei denen unter verschiedenen Isolations-Eigenschaften gewählt werden kann, ohne dass das Zwiebelschalenprinzip (Übereinandertragen mehrerer Lagen von Kleidung) übertrieben werden muss, weil das die Bewegungsmöglichkeiten einschränkt. Dazu leiten moderne Materialien Feuchtigkeit vom Körper ab, was sehr günstig ist.
Zusätzlich gibt es inzwischen auch akkubetriebene Heizwesten, die druckfest sind (darauf ist zu achten – auch im Hinblick auf den Akku!) und im Trockentauchanzug getragen werden können. Hier ist es sinnvoll, die Weste während des gesamten Tauchgangs in Betrieb zu haben, weil es dann keine großen Schwankungen in der Reaktion der peripheren Gefäße auf Kälte-/Wärmereize gibt, und die Durchblutung der Gewebe relativ konstant ist, was die wenigsten Störgrößen bei der Auf- und Entsättigungskinetik nach sich zieht.
Was nicht passieren sollte?
Der Akku darf zum Ende des Tauchgangs nicht so stark entladen sein, dass keine Heizleistung mehr erfolgt und es während der Dekompression zur Auskühlung kommt. Besonders im technischen Tauchen ist es populär, den Trockentauchanzug mit dem Edelgas Argon zu befüllen, das besonders schlechte Wärmeleiteigenschaften hat. Testergebnisse von Dr. Dietmar Berndt und Werner Scheyer, die als führende Experten gelten, konnten einen deutlichen Effekt durch Argon nachweisen. Und diejenigen, die es anwenden, berichten subjektiv über eine deutliche Wirkung. Allerdings auch über relativ hohe Kosten.