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Tauchen & Fitness: Wie wichtig ist körperliche Kondition wirklich?

Unser Autor ist begeisterter Apnoetaucher. Wie wichtig die körperliche Fitness für das Tauchen mit einem Atemzug ist, und warum man auch beim Tauchen mit Gerät sportlich sein sollte, erfahren Sie hier.

TSC Esslingen (Titel)
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TAUCHEN Archiv

TEXT: Nik Linder |

Nik, wie tief warst Du?« Ich zeige ihm meinen Tauchcomputer. In dieser ersten Session war ich auf 37 Meter. »Ich war tiefer«, grinst er und zeigt mir seinen Computer, auf der die erste Ziffer eine vier ist. »Glückwunsch«, sage ich und mustere mein Gegenüber. Er ist sicher kein Modellathlet. Aber mit Tauchgerät kam er recht einfach auf unter 40 Meter Tiefe. Taucht man hingegen mit einem Atemzug in diese Tiefen, setzt das Fitness, Technik, Gesundheit und Training voraus. Während meine Freediving-Gruppe den Tauchgang mit Stretching, Atemübung und Yoga begonnen hat, startete er mit einer Gauloises-Zigarette und einem schwarzen Kaffee. Seinen Begleitern merkt man an, dass abgesehen vom Tauchen nicht viel Sport betrieben wird. Aber auch wenn man mit Tauchgerät und Pressluftflasche »einfacher« in die Tiefe tauchen kann: Sollte man nicht doch eine gewisse Fitness mitbringen?

Fitness-Test für Taucher

Vor mehr als zehn Jahren lernte ich Dr. Tobias Dräger kennen, um am Programm »Fit2Dive« teilzunehmen. Er. war damals Lehrbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutsche Sporthochschule Köln. Dabei handelte es sich um eine Methode zur Leistungsbestimmung von Gerätetauchern im Grenzbereich unter sicheren Bedingungen. Wir durften unter anderem einen Schwimmtauchtest mit Tauchgerät in einer sich steigernden Geschwindigkeit durchführen. Anhand dieser und anderer standardisierter Methoden erfolgte eine Leistungsdiagnose und weiterführende Trainingsempfehlung in Form einer digitalen Auswertung. Dr. Tobias Dräger ist promovierter Sportwissenschaftler und war für die Firmen Dräger und Aquamed tätig, bevor er sich mit seiner Firma »Diving Consultant Group« selbständig machte.

Dr. Tobias Dräger hat sich intensiv während seiner Arbeit als Wissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule Köln mit dem Thema »Menschliche Leistungsfähigkeit unter Wasser« auseinander gesetzt.

Was wurde aus dem Programm?

Das Ziel war, den Fitnessgrad die Taucher zu analysieren und sie im besten Fall fitter zu machen? Die Fitness liegt ihm immer noch am Herzen, auch wenn »Fit2Dive« nie wirklich den Durchbruch geschafft hatte. Dass der Erfolg letztlich ausblieb, und sich das Programm nicht so richtig durchsetzte, hatte vermutlich mehrere Gründe. Zum einen ließen sich eher Menschen auf so einen Test ein, die ohnehin schon eine gute Fitness mitbrachten. Zum anderen glaubt Dr. Dräger, dass es im Tauchsport auch darum ginge, möglichst vielen Menschen das Tauchen zu ermöglichen. Sodass die Tauchverbände wenig Interesse gezeigte hätten, das Programm an die Leute zu bringen. »Jeder kann tauchen«, so die Idee vieler Verbände. Aber sollte auch wirklich jeder tauchen?

Fitness gehört eigentlich dazu

Für Susanne Olah gehört eine gute körperliche Fitness zum Tauchen dazu. Olah ist Inhaberin des Tauchsportcenters Esslingen, zudem Tauchlehrer-Ausbilderin und hat während der Corona-Pandemie eine Ausbildung zum »Personal Fitness Trainer« gemacht. In ihrem Tauchgeschäft hat sie ein »Fitness Boot Camp«, ein wöchentliches Training für Taucher etabliert. In meinem Gespräch mit ihr erklärt sie, dass es im Tauchen Situationen geben kann, in denen körperliche Fitness lebenswichtig ist. Während man sich in diesem »Sport« auch mit »Worst Case«-Szenarien beschäftigen sollte, gehen viele Taucher von einem »Best Case«-Szenario aus. Doch gerade im Wasser gibt es zusätzliche Risikofaktoren wie Strömungen, Brandung und Wellen sowie schwierige Ein- und Ausstiege. Wie wichtig die Fitness ist, zeigt sich dann, wenn man nach dem Tauchen wieder in ein Zodiac einsteigen muss – im dümmsten Fall bei Wellengang. Oder wenn man abgetrieben wurde und Ausstieg oder Tauchschiff erst mühsam wieder erreicht werden müssen.

Auch die Ernährung und das Wohlbefinden spielen eine Rolle. Wer am Abend vorher zu viel Alkohol getrunken, zu viel und schwer gegessen oder schlecht geschlafen hat, fühlt sich nicht fit, und dem wird in den Wellen schneller schlecht.

Vorbildfunktion?

»Wenigstens der Tauchlehrer sollte sich seiner Verantwortung und Vorbildfunktion bewusst sein und über eine gute grundlegende Fitness verfügen«, sagt Dr. Tobias Dräger. Susanne Olah sieht das ähnlich: »Wenn ich einen Tauchverband gründen würde, würde ich bei der »Dive Pro«-Ausbildung tatsächlich höhere Anforderungen an die Fitness der Kandidaten stellen. Tauchlehrer und -Guides sind Vorbilder und sollten in meinen Augen immer einen gesunden Lifestyle vorleben.« Ähnlich wie Dräger ist auch sie der Meinung, dass beim Tauchen der Sport sehr häufig zu kurz kommt. So dringt die ungünstige Signalwirkung nach außen: Man muss nicht fit sein, um tauchen zu können.

Fitness und Technik

»Einen fitten Taucher zeichnen nicht nur Sportlichkeit und ein gesunder Lebensstil aus, sondern auch die richtige Technik«, so Dr. Dräger. Manche betrieben im »Fit2Dive«- Programm einen extremen Aufwand und kamen trotzdem nicht richtig voran, weil der Flossenschlag ineffizient war oder die Haltung zu wenig hydrodynamisch. Auch auf die verbesserungsfähige Technik wurde im Testergebnis hingewiesen. Flossentraining hilft und trainiert sowohl Technik als auch die Fitness im Wasser.

Ob ich meinen Tauchgängen gewachsen bin, liegt aber auch an anderen Punkten wie Training und Ausbildung, Erfahrung, Routine und der Fähigkeit, eigene Grenzen zu erkennen. Und das ist gar nicht so einfach. Denn Tauchen ist ein Teamsport, und nicht jeder gibt gern zu, dass er sich dem Tauchgang nicht gewachsen fühlt. Diese Ehrlichkeit zu sich selbst und zum Tauchpartner sind aber wichtig und gehören bei Tauchern, die technische Tauchgänge in Wracks und Höhlen oder sehr tiefe Tauchgänge mit verschiedenen Gasgemischen unternehmen, dazu. Hier ist es okay, zuzugeben, dass man sich heute nicht fit genug fühlt, den Tauchgang zu machen. Wie in jedem Sport steigen auch beim Tauchen durch mangelndes Training und fehlende Fitness die Unfallgefahr und die Wahrscheinlichkeit einer unangenehmen Erfahrung. Völlig gleich, ob man mit einem Atemzug, einer Pressluftflasche oder einem Doppelgerät taucht.

»Fit für die eigene Sicherheit«

Susanne Olah vom Tauchsportcenter Esslingen tritt für mehr Fitness in der Tauchgemeinde ein, insbesondere beim Ausbildungspersonal.

Fünf Fragen an Susanne Olah vom Tauchsportcenter Esslingen

Susanne, was macht für Dich einen fitten Taucher aus?
»Meiner Meinung nach sollte jeder Taucher eine gewisse Grundfitness besitzen. Er sollte regelmäßig Sport treiben, zum Beispiel laufen, Fahrrad fahren, schwimmen oder ähnliches. Ein Taucher muss kein Triathlet sein. Aber wir alle wissen ja, dass es beim Tauchen auch Situationen geben kann, in denen es extrem wichtig ist, dass wir körperlich fit sind.«

Warum spielt Deiner Meinung nach die körperliche Fitness eine Rolle?
Der Hauptpunkt ist ganz einfach die eigene Sicherheit. Nur wenn man als Taucher wirklich fit ist, kann man auch eine stressige Situation unter Wasser bewältigen. Aber es geht ja nicht nur rein ums Tauchen. Es beginnt schon beim Vorbereiten und Anziehen der Ausrüstung. Jeder Taucher sollte körperlich soweit fit sind, dass er sein eigenes Equipment tragen kann.

Was erwartet die Teilnehmer Deines Boot Camps?
Ich habe mir als Tauchlehrerin schon immer gewünscht, dass die Tauchverbände das Thema Fitness viel mehr in den Fokus rücken. Viele Tauchunfälle sind zum Beispiel keine klassischen Tauchunfälle wie »DCS«- oder Lungen-Überdruck-Verletzungen, sondern Unfälle beim Tauchen, die durch mangelnde Fitness begünstigt wurden. Auch das Thema Übergewicht darf hier nicht unerwähnt bleiben. Die Deutschen werden immer dicker. Fit zu werden und vor allem fit zu bleiben ist natürlich ein Stück harte Arbeit, und man muss es auch wirklich wollen. Also habe ich selbst die Initiative ergriffen und mir Gedanken zum Thema gemacht. Ich bin selbst aktive Fitnesstrainerin und habe mein eigenes Taucher-Fitness-Boot Camp entwickelt. Mittlerweile trainieren jede Wochen zwischen sieben und 13 »Booties« mit mir, und wir haben gemeinsam ziemlich viel Spaß, auch wenn sie mich für manche Übungen hassen. Aber wer schön und fit sein will, muss halt auch manchmal leiden.

Wie sieht so eine Einheit im Boot Camp aus?
Es findet einmal pro Woche statt, dauert 90 Minuten, beinhaltet ein Warm-Up, einen Zirkel mit sieben Stationen, die einen Mix aus Kraft und Cardio bieten und ein Cool Down. Das ganze findet in einer Freilufthalle statt, sodass wir immer an der frischen Luft trainieren, aber vor Regen, Schnee und zu viel Sonne geschützt sind.

Dein Fitness-Tipp für Urlaubstaucher, Tauchanfänger und Tauchlehrer?
Im Allgemeinen würde ich bezüglich der Fitness und Ernährung keinen Unterschied zwischen Urlaubstauchern, Tauchanfängern und Tauchlehrern machen. Jeder Taucher muss fit sein und muss schauen, dass er etwas für sich und seinen Körper tut, um damit diverse Risiken beim Tauchen zu minimieren. Wir haben nur den einen Körper, und auf den sollten wir gut Acht geben.