(Titelbild: Gerenderte Grafik des MARUM-MeBo70, wie es auf dem Meeresboden des Amundsenmeeres landet)
Das »ewige« Eis in der Antarktis schmilzt stärker als bisher angenommen. Dabei scheint der Eisschild im Westen schneller zu verschwinden als im Osten. Das könnte seinen Ursprung in seiner Entstehung haben, wie nun ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts herausfand: Sedimentproben aus Bohrkernen verknüpft mit aufwendigen Modellierungsarbeiten zeigen, dass die Vereisung der Antarktis vor etwa 34 Millionen Jahren begann – jedoch nicht wie bisher angenommen vom Zentrum aus, sondern vielmehr vom östlichen Rand her. Erst etwa sieben Millionen Jahre später konnte sich Eis auch im Westen bilden. Die Ergebnisse zeigen, wie extrem unterschiedlich Ost- und Westantarktis auf äußere Einflüsse reagieren, wie die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift Science beschreiben.
Anhand eines Bohrkerns, den die Forschenden mit dem Bremer Meeresboden-Bohrgerät MARUM-MeBo70 vor den westantarktischen Pine Island und Thwaites-Gletschern gezogen haben, konnten sie erstmals in die Geburtsstunde des Eisschilds blicken: Überraschenderweise lassen sich dort während der antarktischen Erstvereisung vor etwa 34 Millionen Jahren keine Anzeichen für eine Präsenz von Eis finden. »Somit muss eine großräumige, dauerhafte Erstvergletscherung irgendwo in der Ostantarktis begonnen haben«, sagt Dr. Johann Klages, Geologe am Alfred-Wegener-Institut (AWI), der das Forschungsteam leitete. Denn: Die Westantarktis blieb während dieses ersten glazialen Maximums eisfrei. Zu dieser Zeit war sie weiterhin zu großen Teilen von dichten Laubwäldern bedeckt, und das kühl-gemäßigte Klima verhinderte, dass sich hier Eis bilden konnte.
Um genauer zu verstehen, wo sich das erste dauerhafte Eis der Antarktis bildete, haben Computersimulationen am AWI die nun neu vorliegenden, aber auch bereits vorhandene Daten zu Luft- und Wassertemperaturen und dem Vorkommen von Eis verknüpft. »Die Simulation hat die Ergebnisse des besonderen Kerns der Geologen gestützt«, erklärt Gerrit Lohmann, Paläoklimamodellierer am AWI. »Das krempelt unser Wissen um die antarktische Erstvereisung komplett um.« Demnach herrschten nur in der Küstenregion des Nördlichen Viktorialands in der Ostantarktis die klimatischen Grundvoraussetzungen, um dauerhaftes Eis zu bilden.
Die Erkenntnisse des internationalen Forschungsteams sind immens wichtig, um den extremen Klimaübergang vom Treibhausklima der Vergangenheit in unser heutiges Eishausklima zu verstehen. So können Klimamodelle nun sehr viel genauer greifen, welche Auswirkungen permanent vergletscherte Bereiche auf die globale Klimadynamik, also die Wechselwirkungen zwischen Eis, Ozean und Atmosphäre haben. Das ist von entscheidender Bedeutung, wie Johann Klages sagt: »Vor allem vor dem Hintergrund, dass uns in naher Zukunft wieder eine solch fundamentale Klimaänderung bevorstehen könnte.«