Praxis Reportage Wissen

Sicherheit unter Wasser – Unterwegs mit der Wasserwacht

In unserer Reihe »Tauchen als Beruf(ung)« stellen wir heute die Arbeit als Einsatztaucher der Wasserwacht vor.

Harald Hois

TEXT: Harald Hois |

Einsatztaucher sind spätestens dann am Werk, wenn die Rettungsschwimmer und/oder Motorrettungsboote allein nicht mehr ausreichen. Zudem werden Güter, Fahrzeuge oder auch Müll als Gefahrenquelle von den ehrenamtlichen Kräften aus dem Wasser entfernt. Das Bergen von Leichen zählt zu den psychisch wohl herausforderndsten Aufgaben eines Wasserwacht-Einsatztauchers. Geistige wie körperliche Fitness zählen zu den Grundkompetenzen der Wasserwacht nicht zuletzt bei solchen Extremeinsätzen. Wir begleiten das Team der Wasserwacht Unterfranken unter der Einsatzleitung von Tobias Kallenbach, das sich aus Mitgliedern von mehreren unterschiedlichen Kreiswasserwachten zusammensetzt.

Auch Alfred Sporrer, Bundesbeauftragter für Tauchen im Deutschen Roten Kreuz e.V., beobachtet die zweitägige Übung in Sundhausen/Thüringen mit Argusaugen. Die Vorgaben für die Übung am Forellensee könnten herausfordernder nicht sein: Es gilt, einen verunfallten leblosen Taucher zu finden und zu retten. Der Forellensee zählt zum Seenkomplex des Sundhäusersees und stellt für die Wasserwacht ein willkommenes Trainingsgebiet über wie unter Wasser dar. Der Kreisverband Nordhausen der lokalen Wasserwacht sorgt für eine funktionierende Infrastruktur mit Ausbildungs- und Übungsplattformen, eigens präparierten Seezugängen, Schwimmpontons, Edelstahleinstiegen und Container-Aufbauten für Theorie und Praxisübungen.

Bergungsübungen gehören zum regelmäßigen Training der Taucher.

Details, die sitzen müssen

Schon die richtige Aufstellung der Einsatzfahrzeuge muss trainiert und einstudiert werden. Exakt nach Wunsch der Einsatzleitung werden die Fahrzeuge samt Bootsanhänger so positioniert, dass die folgenden Abläufe möglichst reibungslos vonstatten gehen können. Die Aufstellung des Wasserwachtteams ist ebenso ein essentieller Teil des Such- und Bergeprozesses, da in der halbkreisförmigen Anordnung des Teams die akustisch beste Kommunikation gewährleistet ist. Dem Briefing folgt quasi parallel das Slippen des KAT-Boots sowie das Vorbereiten des technischen und des Tauch-Equipments.

Einer der beiden Philipps im Team legt den Rückwärtsgang im Einsatzwagen ein, und schon geht es hangabwärts zur Slipanlage. Bei nasser abschüssiger Wiese ist das Unterfangen gar nicht mal so ohne. So rutscht das Zugfahrzeug gleich mal am nassen Untergrund. Der zweite Philipp im Bunde startet das einmotorige 90-PS-Alu-Boot und ist sofort einsatzbereit. Die mechanische Bugklappe erleichtert die Rettung und Bergung. Ein »Humminbird 998c« Sidescan-Sonar hilft den Einsatzkräften beim Suchen im zuvor definierten Suchgebiet. Es wird unweit des Führerstands angebracht und von Nina, der jungen Taucheinsatzführerin, bedient.

Die Taucher im Team

Die Einsatztaucher verwenden eine Tauchausrüstung, die teilweise aus Mitteln des bayrischen Rettungsdienstes und teilweise durch sie selbst finanziert ist. Gerade an dieser Stelle ist es umso wichtiger, dass kein Ausrüstungsteil vergessen oder übersehen wird. Tobias Kallenbach hat aus diesem Grund PVC-Matten entwickelt, auf denen die einzelnen Equipmentteile abgebildet sind. Sicherheitshalber wird die Vollständigkeit vor dem Betreten des KAT-Boots mit Listen kontrolliert. Auch diese verantwortungsvolle Aufgabe fällt in den Aufgabenbereich von Nina, die die Herausforderungen als Taucheinsatzführerin und Signalfrau mit Akribie erfüllt.

Das Gerät wird häufig aus eignen Kassen finanziert oder mit anderen Behörden geteilt.

Sind alle Gerätschaften geklärt und verstaut, die Einsatztaucher Florian und Dirk parat, Funkgeräte gecheckt und das Motorrettungsboot der Kategorie 2 (mit Steuerstand, ohne Pinne, 5 bis 5,5 Meter lang, für maximal sieben Personen zulässig) startklar, geht es hinaus ins Freiwasser, wo nach kurzer Zeit in einem mäanderförmigen, also wechselförmig in parallelen Reihen gesteuerten Fahr- und Suchmuster die Stelle abgescannt wird.

Der Einsatz

Nach geraumer Zeit ist die Suche erfolgreich und die »Person« an der Wasseroberfläche »identifiziert«: Es handelt sich bei dieser Übung natürlich nicht um einen »Menschen«, sondern um eine Puppe, der eine Tauchflasche mit Tariermittel und Gewichtssystem übergezogen wurde. Diese Puppe liegt am Grund des hier etwa zwölf Meter tiefen Forellensees. Die Sicht im Gewässer ist aktuell sehr gut. Solch gute Sichtweiten sind in anderen Gewässern oder Notsituationen jedoch nicht zu erwarten. Einsatztaucher Dirk ist nicht zuletzt deshalb zum einen über eine Seilverbindung mit dem Signalmann, hier eine Signalfrau, verbunden. Zum anderen ermöglicht seine Dräger-Vollgesichtsmaske eine akustische Verbindung zu der Signalfrau.

Bei der Rettung der Puppe bzw. im Ernstfall einer verunfallten Person achtet Einsatztaucher Dirk darauf, den Körper möglichst sanft an die Wasseroberfläche zu hieven, indem die Tariermittel des Verunfallten und der Trockentauchanzug des Einsatztauchers parallel bedient werden. Suche und Rettung sind hier erfolgreich und wurden in diesem Fall auch sehr rasch durchgeführt. Doch mit dem Finden und Retten ist der Einsatz noch nicht abgeschlossen. Üblicherweise folgen an dieser Stelle medizinische lebenserhaltende Maßnahmen: Reanimation, Herz-Druckmassage und Beatmung etc. Doch heute steht das Verstauen des gesamten Equipments auf dem Plan. Und zwar so, dass auch für etwaige Folgeeinsätze alles am richtigen Platz ist und sofort einsatzbereit wäre. Das Motorrettungsboot wird zurück auf den Trailer gezogen. Dann muss noch ein detailliertes und schon aus rechtlichen Gründen nötiges Einsatzprotokoll ausgefüllt werden.

Der Weg ins Team

Wie wird man Einsatztaucher der Wasserwacht? Die Ausbildung dauert in der Regel ein bis zwei Jahre und kann in zwei Stufen erfolgen. Für beide Stufen gilt, dass die Ausbildung schon ab dem 15. Lebensjahr begonnen werden kann, wenn man aktives Mitglied der Wasserwacht ist, eine Sanitätsausbildung vorweisen kann und Rettungsschwimmer im Wasserrettungsdienst ist. Eine gesundheitliche Eignung versteht sich von selbst. Für den volljährigen (= 18 Jahre) Einsatztaucher der Stufe 1 gilt es, 58 Unterrichtseinheiten zu absolvieren. Die Themen Tauchmedizin, Tauchphysik, Einsatz und Praxis sowie Sicherheitsanweisungen werden in 23 theoretischen Einheiten abgewickelt. Zehn Einheiten an Land und 25 praktische Einheiten komplettieren die Stufe 1, mit der der Einsatztaucher auf maximal zehn Meter Tiefe tauchen darf. Der Einsatztaucher der Stufe 2 durchläuft zuvor 35 theoretische Ausbildungseinheiten, 20 praktische an Land sowie 50 praktische Einheiten unter Wasser. Unterrichtseinheiten aus der Stufe 1 können angerechnet werden. In dieser Ausbildung müssen neben den üblichen Tauchstandards Nachttauchen, Eistauchen und Strömungstauchen erlernt werden. Die Tauchtiefe ist auf 20 Meter begrenzt. Mit einer zusätzlichen Ausbildung und einer jährlichen Überprüfung darf bis auf 30 Meter getaucht werden. Zudem können Zusatzqualifikationen wie Tauchen mit Nitrox und Trockentauchen erworben werden. Die Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften sind bundeseinheitlich in der Ausbildungs- und Prüfungsvorschrift »Tauchen« festgelegt. Abgesehen von den umfassenden theoretischen und praktischen Voraussetzungen, die an Einsatztaucher gestellt werden, zählen zum Selbstverständnis eines jeden Wasserwacht-Mitglieds die Grundsätze der Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit und Universalität. Mein Fazit an der Übungsteilnahme: Ich habe selten eine so angenehme, wertschätzende, kooperative und sympathische Gruppe erlebt.

Alfred Sporrer (re) ist Bundesbeauftragter für das Tauchen im Deutschen Roten Kreuz e.V. Tobias Kallenbach (li) ist Tauchgruppeneinsatzleiter bei der Wasserwacht Unterfranken.