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Blutfette und die Dekompression aus tauchmedizinischer Sicht

In unserer Serie über die Faktoren, die Einfluss auf die Dekompression haben, erläutern unsere Tauchmediziner hier Wissenswertes zum Thema Blutfette.

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TEXT: Prof. Dr. med. Claus-Martin Muth & Prof. PD Dr. med. Tim Piepho |

Mit der Dekompressionstheorie ist das doch eigentlich ganz einfach, oder? Beim Tauchen nimmt der Körper vermehrt Stickstoff auf, der beim Auftauchen möglichst langsam wieder abgegeben werden muss. Wenn man alles richtig macht und sich an das hält, was der Tauchcomputer sagt, dann passiert auch nichts. So oder so ähnlich ist die Meinung vieler Taucher und Tauchlehrer. Leider sieht die Wirklichkeit ganz anders aus: In vielen Fällen sind sich Taucher, die einen Dekompressionsunfall erlitten haben, keiner Eigenschuld bewusst. Und in den mehr als der Hälfte der Fällen zeigt der Tauchcomputer auch keine Besonderheiten oder »Dekoverstöße« an. Das Problem liegt aber darin, dass sehr viele unterschiedliche Faktoren einen Einfluss darauf haben, ob es beim Tauchen zu einem Dekompressionsunfall kommt oder eben nicht, was dieser aktuelle Beitrag von Divers Alert Network (DAN) unterstreicht. Neben vielen anderen, zum Teil hier schon häufiger besprochenen Faktoren liegt ein Teil des Geheimnisses im Blut.

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Blut und Gasblasen

Tatsächlich bedeutet die Anwesenheit von Gasbläschen im Blut noch nicht zwingend, dass es auch zum Dekompressionsunfall kommt, so wie es bis vor etwa 30 Jahren angenommen wurde. Es ist hingegen so, dass Gasblasen grundsätzlich vom Körper toleriert zu werden scheinen, so lange eine gewisse Zahl und Größe nicht überschritten wird. Zum Dekompressionsunfall kommt es erst dann, wenn der Körper auf die Gasblasen reagiert – und zwar mit einer entzündlichen Reaktion, wie dieser wissenschaftliche Beitrag beschreibt. Wie schon angesprochen, gibt es hier eine Vielzahl von Faktoren, die mit darüber entscheiden, ob jemand einen Dekompressionsunfall erleidet oder nicht. Ein in der Taucherwelt wenig bekannter Faktor sind die Blutfette, also der Fettgehalt des Blutes. Es ist schon sehr lange bekannt, dass Menschen mit Übergewicht eine höhere Gefahr haben, einen Deko-Unfall zu erleiden als schlanke Taucher. Das wurde und wird meist damit begründet, dass Stickstoff sich gern in Fett löst.

Das Blutfett spielt auch eine wichtige Rolle

Leider ist das aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn tatsächlich ist nicht nur das Speicherfett (also das, was die »Rettungsringe« ausmacht) von maßgeblicher Bedeutung, sondern auch die Blutfette. Und die können sogar bei schlanken Menschen erhöht sein. Zu den Blutfetten zählen sowohl das Cholesterin als auch die sogenannten Triglyzeride, zusammengefasst Lipoproteine genannt. Erhöhte Blutfettwerte begünstigen die Gasblasenbildung.

Tatsächlich sind unsere Erfahrungen so, dass man bei Doppler-Ultraschall-Untersuchungen bei Tauchern mit erhöhten Blutfettwerten vermehrt Gasblasen findet. In diese Beobachtung passt auch, dass man bei solchen Menschen unmittelbar nach einem Dekompressionsunfall eine Reduktion der Blutfettwerte beobachtet. Was damit erklärt wird, dass jener Anteil der Blutfette, der an den Gasblasen hängt (frühe Dekompressionsforscher haben hier sogar von einer »Blasenhaut« gesprochen), der Messung entzogen ist. Es ist in diesem Zusammenhang aber auch wichtig zu betonen, dass das Beschriebene nicht nur für solche Taucher gilt, die dauerhaft erhöhte Blutfettwerte haben, also etwa unter einer Hypercholesterinämie leiden. Sondern dass der Fettgehalt des Blutes auch nach einer fettreichen Mahlzeit für mehrere Stunden erhöht ist. Darum ist es sicher keine gute Idee, zum Beispiel am Abend eine zünftige Mahlzeit mit Schweinshaxe (und vielleicht noch Alkohol) zu sich zu nehmen und am nächsten Morgen dann einen »ordentlich tiefen« Tauchgang in zum Beispiel einem kalten Alpensee zu absolvieren womöglich noch mit mehreren Gasen und kräftigen Dekostufen. Das gilt sinngemäß für alle fettreichen Speisen.

Wie ist das mit Omega-3-Fettsäuren?

Eine Ausnahme gibt es allerdings: Fettsäuren aus Kaltwasserfischen, wie zum Beispiel Lachs, scheinen genau das Gegenteil zu bewirken. Norwegische Forscher konnten zeigen, dass jene Fette, die vermehrt in den fettreichen Kaltwasserfischen vorkommen, einen gewissen Schutz gegen »Deko-Stress« bieten. Zwar kommt es auch hier zur Gasblasenbildung. Die Reaktion des Körpers auf die Gasblasen, die letztlich den Dekompressionsunfall ausmacht, fällt aber geringer aus. Hier wird angenommen, dass die Omega-3-Fettsäuren in diesen Fischen die Immunreaktion des Körpers auf die Gasblasen abschwächen.
Die Forscher empfehlen Tauchern daher Lachs als Alternative zur Schweinhaxe. Na ja, Hering geht sicher auch. Bleibt zusammengefasst der gute alte Rat, dass es sich beim Tauchen nicht empfiehlt, den Grenzbereich auszuloten. Angesichts der Vielzahl an individuellen Einflussmöglichkeiten ist es auch bei Tauchcomputer-Nutzung immer besser, Sicherheitsgrenzen einzuhalten und die theoretische Basis, auf der diese Geräte arbeiten nicht vollständig auszureizen.

Prof. Dr. Claus-Martin Muth ist Facharzt für Anästhesio­logie und Notfallmedizin. Er arbeitet am Universitäts­klinikum in Ulm und ist seit vielen Jahren Autor von anerkannter Fachliteratur.
Prof. PD Dr. Tim Piepho ist Leiter der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Brüderkrankenhaus Trier.