TEXT: Prelević Miloš |
Eingebettet zwischen zwei Ländern liegt einer der tiefsten und ältesten Seen Europas in idyllischer Schönheit. Sein Wasser beeindruckt mit enormer Klarheit, und seine Biodiversität ist mit über 200 endemischen Arten außergewöhnlich. Die Wunder dieses Sees gehen jedoch weit über seine natürliche Schönheit hinaus. Archäologische Beweise zeigen, dass vor über 6000 Jahren Menschen an seinen Ufern lebten.
Der Ohridsee, ein uraltes Gewässer, das durch die Verschiebung der Erdkruste entstand, erstreckt sich über die zwischen Nordmazedonien und Albanien verlaufende Grenze. 1979 erklärt die UNESCO die nordmazedonische Seite zum Welterbe. 1980 wurde die historische Altstadt von Ohrid in das Schutzgebiet aufgenommen.
Hauptsächliche speisen unterirdische Quellen den See. Dabei kommt der Hauptzufluss durch unterirdische Kanäle vom Prespasee, die nur wenig Sediment transportieren. Besonders die Quellen des Schwarzen Drim sind für ihr kristallklares Wasser bekannt. Die Sichtweiten betragen bis zu 60 Metern. Taucher können beobachten, wie das Wasser aus dem sandigen Boden hervorquillt, während Ruderboote mit Touristen darübergleiten. Doch auch ohne Tauchausrüstung wird man von der Schönheit dieses Flusses und der umliegenden Klöster beeindruckt sein.
Die Bucht der Knochen
Neben seinen klaren Wassern, seiner reichen Biodiversität und seiner uralten Entstehungsgeschichte birgt der Ohridsee noch einen weiteren Schatz – eine unterwasserarchäologische Stätte namens »Bucht der Knochen«.
Der schaurig klingende Name rührt von der Entdeckung zahlreicher Tierknochen, hauptsächlich von Hirschen, her. Der lokale Taucher Milutin Sekuloski, liebevoll »Mića« genannt, entdeckte diese bemerkenswerte Stätte 1997. Was als Freizeit-Tauchgang begann, führte schließlich zu der Entdeckung von Holzpfählen und Keramikgefäßen im Sand.
Nach seiner Entdeckung informierte er das Ohrid-Museum. Dadurch wurden umfangreiche archäologische Forschungen an der Fundstelle ausgelöst. Man kartierte das gesamte Ausmaß der Siedlung unter Wasser und legte ein Raster an. Dies geschah, um die verschiedenen Forschungsbereiche gründlich zu untersuchen. Diese Erkundungen brachten zahlreiche Artefakte aus der Bronze- und Eisenzeit zutage. Dazu gehören fragmentierte und intakte Keramikgefäße, Stein- und Feuersteinwerkzeuge, Bronzeobjekte sowie eine beeindruckende Sammlung von Tierknochenfragmenten. Während ursprünglich angenommen wurde, dass die Siedlung 3200 Jahre alt sei, haben dendrochronologische Untersuchungen bewiesen, dass sie rund 6000 Jahre alt ist.
Ein Museum unter Wasser und an Land
Heute hat sich die Bucht der Knochen in einen faszinierenden Museumskomplex verwandelt. Der Standort umfasst mehrere Attraktionen: eine rekonstruierte Pfahlbausiedlung über dem See, ein restauriertes römisches Kastell auf dem höchsten Plateau des Gradište-Hügels, ein Vor-Ort-Museum und ein Tauchzentrum.
Die rekonstruierte Pfahlbausiedlung in Ploča Mićov Grad besteht aus 24 Häusern aus Lehm und Stroh. Die quadratischen Strukturen dienten als Wohnräume, während die runden für Versammlungen innerhalb der Siedlung genutzt wurden.
Der Tauchspot unter der Siedlung ist relativ flach, zwischen drei und fünf Meter tief. Er bietet eine ideale Möglichkeit für Tauchanfänger. Hier kann man noch immer die ursprünglichen Holzpfähle sehen, die einst die Siedlung stützten. Etwa 1200 dieser Pfähle sind noch in der Region erhalten. Unter der Siedlung schwimmen zahlreiche Fische, und auch Schlangen werden immer wieder gesichtet.
Etwas tiefer – der Tauchspot Pithos
Für erfahrene Taucher bietet der nahegelegene Tauchspot »Pithos« ein tieferes Abenteuer. In 34 Metern Tiefe liegt ein massives Keramikgefäß. Dieses Pithos stammt aus dem vierten Jahrhundert und sank vermutlich während eines Bootstransports.
Muscheln umgeben den Pithos. In der Nähe findet man Kolonien des einzigartigen Ohrid-Rundschwamms. Tauchgänge im Ohridsee sind einfach, entspannend und für fast jeden realisierbar. Das macht sie zu einer idealen Ergänzung des Besuchs von Museum und Siedlung.
Derzeit kann die Tauchstelle nur über das »Amfora Diving Center« erreicht werden, das vom ursprünglichen Entdecker Milutin und seinem Sohn Jovan betrieben wird. Diese Einschränkung dient der Aufsicht, da viele antike Artefakte noch unter Wasser verbleiben und sorgfältig verwaltet werden müssen.
Ein Schatz für Natur- und Kulturliebhaber
Der Ohridsee ist ein wahrer Schatz, an dem Geschichte, Natur und Abenteuer aufeinandertreffen. Von den antiken Pfahlbausiedlungen in Ploča Mićov Grad bis zu den verborgenen Schätzen der Bucht der Knochen bietet dieses Reiseziel einen einzigartigen Blick in eine längst vergangene Welt.
Ob Sie als Tauchanfänger von den Lichtspielen unter der Wasseroberfläche verzaubert werden oder als erfahrener Entdecker in die Tiefen des Pithos eintauchen – die Gewässer des Sees laden zu einer Reise durch die Zeit ein. Mit engagierten Einheimischen wie Milutin und Jovan, die diese Unterwasserschätze bewahren, wird jeder Tauchgang zu einer Gelegenheit, Geschichte hautnah zu erleben.
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