Reise Tauchsafaris

M/Y Independence II: Warum dieses Safarischiff Herzen gewinnt

Die M/Y Independence II gilt vielen als eines der charakterstärksten Tauchsafarischiffe im Roten Meer. Warum Stammgäste von »Seele«, »Wohlfühlcharakter« und einsamen Riffen schwärmen, zeigt eine außergewöhnliche Tour bis zu den Elba-Riffen.

Wolfgang Pölzer

Text: Barbara und Wolfgang Pölzer | Tauchsafari auf der Independence II

Wie oft sind Sie schon auf der Indy II – wie sie von Insidern liebevoll genannt wird – gewesen? Die meisten mitreisenden Gäste waren schon mindestens fünf Mal an Bord, einer sogar stolze 16 Mal. Über 70 Prozent Stammkunden sprechen eine klare Sprache. Am Erfolg nicht ganz unbeteiligt sind sicher auch gleichermaßen erfahrene wie sympathische Tourguides wie Annika Rabe, die seit zehn Jahren im Team ist.

Annika Rabe – Cruisedirector, Tourguide und einfach nur sympathisch! »Die Tauchbranche braucht mehr Leute wie sie«, meinen unsere Autoren.

Der Weg ist das Ziel

Mit der Genehmigung der Hafenbehörden in der Tasche laufen wir am nächsten Vormittag pünktlich von Port Ghalib aus. Es folgen der übliche Eingewöhnungstauchgang und dann noch ein vergleichsweise schöner Korallengarten etwas weiter in der Region von Abu Dabbab. Aber dann heißt es erst mal »Seemeilen machen«. Schließlich wollen wir ganz tief in den Süden Ägyptens bis hin zu den nach wie vor sehr wenig betauchten Elba-Riffen direkt im Grenzgebiet zwischen Ägypten und Sudan. Stolze 400 Kilometer durch das Rote Meer liegen daher vor uns. Zum Glück werden die langen Strecken meist nachts gefahren, damit keine Tauchgänge verloren gehen.

Kapitän Mohamed Abdallah

So wachen wir am folgenden Morgen dann auch schon vor Rocky Island auf, einer kleinen Felsinsel rund 60 Kilometer südöstlich von Ras Banas. Bekannt für spektakuläre Steilwände mit Hai und Großfischen an strömungsexponierten Stellen. Doch wegen spiegelglatter See und fast schon unheimlichem Fehlen jeglicher Wasserbewegung müssen wir uns mit üppigen Weichkorallen, bunt bewachsenen Riffspalten und kleinen Kavernen zufriedengeben. Große Napoleons, kleine Stachelmakrelen- und Füsilier-Schwärme scheinen die Strömung genauso zu vermissen wie wir. Also nix wie Leinen los und weiter gen Süden!

Makrelen-Auflauf vor den Elba-Riffen

Abermals laufen die PS-starken Maschinen der M/Y Independence II die ganze Nacht durch. Am dritten Morgen an Bord hören wir im Briefing, dass wir unser südlichstes Tourziel erreicht haben: die Elba-Riffe. Sie sind ein riesiger Komplex aus drei größeren sowie einer Vielzahl kleiner Riffe im Grenzgebiet zwischen Ägypten und Sudan. Obwohl schon seit Jahren bekannt, wird diese Region vor allem wegen der langen Fahrstrecke noch immer relativ selten betaucht.

Das einzige Schiff weit und breit, springen wir direkt vom Tauchdeck auf ein Korallenplateau im 25-Meter-Bereich. Empfangen werden wir von Stein- und Feuerkorallen in überraschend gutem Zustand, dazwischen einige Weichkorallen in moderater Strömung. Durch ein Labyrinth aus Felsblöcken und kleinen Türmchen versuchen wir etwas Tiefe zu gewinnen.

Ein stattlicher Trupp knallgelber Barben hält direkt auf uns zu. Hektisch wie immer wuseln sie mit geschwungener Flosse knapp über Grund durchs Riff. Dabei spüren sie mit ihren langen Barteln versteckt lebende Würmer, Krebse und kleine Fische auf, die blitzschnell verschlungen werden.

Dicht auf den Fersen beziehungsweise Flossen klebt den gelben Jägern eine farblich ihrem Namen alle Ehre machende Zitronen-Stachelmakrele, die von der aufgeschreckten Beute mitnaschen möchte. Kaum ist die Hetzjagd fotografisch eingefangen, erregt ein wesentlich größerer Schwarm unsere Aufmerksamkeit. Mit der Strömung im Rücken lassen wir uns vom Riff weg in den 30-Meter-Tiefenbereich treiben, um uns plötzlich inmitten einer Schule ausgewachsener Blauflossenmakrelen wiederzufinden.

Die beeindruckenden Raubfische schießen kurz neugierig um uns herum und werden dann fast nahtlos von einer noch größeren Anzahl silbrig glänzender Großaugenmakrelen abgelöst. Die kraftvollen Fischleiber umtanzen uns in nicht mal Armeslänge in horrendem Tempo. Nur wenige Sekunden, dann ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Und wenn‘s nicht wahr wäre, wär‘s gut erfunden: Wie aus dem Nichts schwimmt plötzlich eine Horde gelb gesprenkelter Zitronen-Stachelmakrelen aus der Tiefe auf uns zu. Sie bleiben länger bei uns, bevor sie schließlich verschwinden.

Als krönender Abschluss huschen im Flachwasser unweit vom Boot noch drei selten anzutreffende Stupsnasen-Pompanos an uns vorbei.

Wein und Salz am Wrack der SS Levanzo

Ein halbes Dutzend Tauchgänge später haben wir einen guten Überblick von den Elba-Riffen und weitere Schwärme von Makrelen, Barrakudas, Doktorfischen, Roten und Schwarzen Schnappern und natürlich Fahnenbarschen an uns vorbeiziehen sehen. Steilwände, Plateaus, Türme mit verschiedenem Korallenbewuchs, riesige Gorgonienfächer, große Felder von Peitschenkorallen sowie interessante Grotten im Riffdach und einige Weißspitzen-Riffhaie haben sich ebenfalls fotogen präsentiert.

Der Höhepunkt der Region ist jedoch für viele das Wrack der SS Levanzo: Der italienische Stahldampfer hat sich in über hundert Jahren zu einem beeindruckenden künstlichen Riff entwickelt. Kopfüber mit dem Bug nach unten, am Riff liegend, begeistert schon allein die gigantische vierflügelige Schiffsschraube im 20-Meter-Bereich, bedeckt von bunten Schwämmen, Muscheln und Weichkorallen.

Weiter geht es entlang des Wrumpfs bis zur Abbruchkante bei knapp 40 Metern. Vom größeren Bugteil sprießen ganze Büsche Schwarzer Korallen, doch liegt er größtenteils unterhalb der Sporttauchgrenze bis etwa 70 Meter Tiefe. Auch bei hervorragender Sicht lassen sich die Dimensionen des 113 Meter langen Frachters nur erahnen.

Da deutlich flacher gelegen, wagen wir einen Abstecher in einen der hinteren Laderäume. Fässer voll Salz und Kisten mit Chiantiwein-Flaschen waren einst Teil der Ladung. Leere, bunt bewachsene Flaschen lassen sich noch finden. Um Kisten und Fässer zu erkennen, braucht man Fantasie oder muss tiefer in den verkehrt herum liegenden Schiffsbauch hineintauchen. Gerade noch innerhalb der Nullzeit steigen wir am Seil von der Schraube bis zum Heck der Indy II auf – neugierig beäugt von einem Adlerrochen.

Ein Flugzeugswrack im Nirgendwo

An den beiden folgenden Tagen geht es sukzessive zurück nach Norden. Auf der Route liegen einsame Korallengärten und viele Fischbegegnungen. Doch ein besonderes Wrack begeistert uns besonders: ein hervorragend erhaltenes Wasserflugzeug auf ebenem Sandgrund knapp unter der Oberfläche – ein Spot, der sich sogar zum Schnorcheln eignet.

Bei dem knapp 20 Meter langen Flugzeugwrack handelt es sich um eine amerikanische Grumman HU-16 Albatross, die 1981 gesunken sein soll. Fischer kannten den Ort schon lange, doch für Safarischiffe lag er abseits aller üblichen Touren. Erst vor gut einem Jahr entdeckt, wurde er bisher nur sehr wenig betaucht.

Bis auf einen abgebrochenen Flügel und fehlende Propeller wirkt das Flugzeug erstaunlich intakt. Leicht bewachsen, schimmert das Aluminium silbrig im Sonnenlicht. Der Heckflügel ragt bis vier Meter hoch, unter den Flügeln zeigt der Sand knapp 14 Meter. Durch zerbrochene Fenster erhascht man einen Blick ins bunt bewachsene Cockpit, in dem Glasfische, Juwelenzackenbarsche und ein Drachenkopf residieren. Weiter hinten schweben Beilbauchfische in den Resten der ehemaligen Bestuhlung.

Wir umrunden das Flugzeug mehrfach und bestaunen selbst die Unterseiten der Flügel, die als bunt bewachsener Unterstand dienen.

Ein Schiffsparkplatz im Riff

Nur eineinhalb Bootsstunden weiter nördlich finden wir noch ein Wrack, das wohl noch seltener betaucht wurde als das Flugzeug. Ein 20 Meter langes Schiffsrelikt ruht hier am schräg abfallenden Sandgrund in nur fünf bis 20 Metern Tiefe, perfekt eingeparkt zwischen zwei Rifftürmen.

Niemand weiß Genaues. Angeblich ist das türkische Stahlschiff »Sabri Baba 1« vor einigen Jahren in einem Sturm gesunken. Das völlig intakte Fischereischiff erweist sich für Taucher als äußerst interessant und fotogen. Selbst seine Netze hängen noch an Ort und Stelle, bewegen sich sanft im Wellengang und erzeugen im Dämmerlicht eine mystische Stimmung.

Beschattete Bordwände, Reling und Rohre tragen leuchtend rote Schwämme, während auf gut beströmten Masten und Aufbauten bereits Steinkorallen wachsen. Das einstige Fischereischiff ist zum Lebensraum für Füsilierschwärme, Blauflossenmakrelen und zahlreiche kleine Rifffische geworden.

Allein am Riff

Seit einer Woche sind wir an allen Tauchspots das einzige Schiff weit und breit. Vor allem in ägyptischen Gewässern ist das eine tolle Sache. »Das ist natürlich nicht immer möglich«, erklärt uns Tourguide Annika, »aber gerade mit etwas längeren und ungewöhnlicheren Touren als die Masse der Tauchsafari-Anbieter sie fährt, ist das durchaus öfter der Fall.«

Nicht allein ist die Indy II in ihrer Firma »Bluewater Safaris«, die nächstes Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum feiert. Das modernere Schwesterschiff M/Y »Independence III« komplettiert seit 2022 die kleine Flotte von Firmeninhaber Bernard Wächter. Vielen noch gut in Erinnerung ist der schwere Schicksalsschlag, als Judith Wächter vor zehn Jahren durch einen Autounfall starb. Doch ihre »gute Seele« lebt an Bord weiter – etwa durch die beliebten Hasi-Maskottchen am Dekoseil, den Gong statt einer Schiffsglocke oder viele kreative Ideen zur Verschönerung des Schiffs.

Auch sonst macht die Indy II einen sehr guten Eindruck – ein Schiff von Tauchern für Taucher. Zweckmäßig, sicher und mit zwei unabhängigen, leistungsstarken Motoren ausgestattet. Selbst in den bekannten Regionen der St. Johns-Riffe und Fury Shoals sind wir wieder allein – abgesehen von einer Gruppe Spinnerdelfine, die uns zeitweise begleitet.

Tanz der Delfine

Am vorletzten Morgen der Safari erwachen wir vor Elphinstone, dem legendären Außenriff vor Marsa Alam. Wie eine gigantische Kompassnadel erhebt sich das 600 Meter lange Riff bis knapp unter die Oberfläche. Beide Längsseiten fallen als Steilwände in große Tiefen ab, während Plateaus im Norden und Süden seit jeher für Großfischbegegnungen bekannt sind.

Nach zwei Tauchgängen ohne nennenswerte Strömung versuchen wir nachmittags erneut unser Glück. Direkt vom Tauchdeck der Indy II geht es ins Blauwasser. Während andere auf die Jagd nach Hammer-, Grau- und Fuchshai gehen, suchen wir in fünf Metern Tiefe nach Weißspitzen-Hochseehaien. Doch stattdessen erscheint eine graue Silhouette, die sich in vier Delfine auflöst: Große Tümmler, die uns trotz bBlubbernden Tauchgeräts neugierig umkreisen.

Mal hier, mal dort, mal über, mal unter uns – immer in etwa fünf Metern Abstand werden wir umtanzt. Ab und zu ertönt Gepiepse und Gepfeife. Plötzlich entfernen sich zwei, während die anderen beiden uns zweimal umrunden, uns in die Augen blicken – und verschwinden. Ein fantastisches Szenario!

Fazit

Die Indy II ist ein Safarischiff mit Wohlfühlcharakter. Bei längeren Touren hat man gute Chancen, anderen Safarischiffen aus dem Weg zu gehen. Die Elba-Riff-Tour ist abwechslungsreich und immer für Überraschungen gut.

Technische Daten und Ausstattung

Baujahr: 2007
Länge: 41 m (Breite: 8,5 m)
Schiffs-Art: Holz-Motoryacht
Ausstattung: zehn Kabinen für maximal 21 Gäste: sechs Unterdeck-Kabinen, drei Hauptdeck-Kabinen sowie eine große Suite am Oberdeck. Alle mit Klimaanlage und großzügigem Bad/WC. Gemütlich ist die Aufteilung mit Speisesaal am Hauptdeck und Salon mit Sofas und Flatscreen am Oberdeck. Ein großes Sonnendeck mit Liegeflächen und Barbereich lädt zu Kaffee und Sundowner ein.

Tauchen: meist drei Tauchgänge pro Tag in geführten Gruppen. Mindestvoraussetzung: OWD und 50 TG. Je nach Erfahrung auch Buddy-Dives möglich.

Boote: ein sechs Meter langes Zodiac (für sechs Personen) und ein acht Meter langes Zodiac (für acht Personen)

Flaschen: 12-l-DIN/INT-Alu; 15-l-Flaschen gegen Aufpreis

Besonderheiten: Nitrox 30 for free, zentrales Feueralarmsystem, hoher Sicherheitsstandard, 22 ENOS an Bord, freies WLAN.

Nachhaltigkeit: Brauchwassererzeugung via Meerwasserentsalzungsanlage, Trinkwasserspender an Bord.

Touren: alle gängigen Touren vom Sinai bis zur sudanesischen Grenze, meist acht- und 12-tägig.

Kontakt & weitere Infos:
www.bluewater-safaris.com

Lesen sie hier weiter über Ägypten und die Krise der Tauchsafaris.