El Niño beeinflusst Strömungspumpe in der Antarktis

Die Zahlen sind gewaltig. Wenn der Golfstrom die Floridastraße durchströmt, transportiert er 1,3 Milliarden Megawatt an Wärmeenergie. Und auf der Höhe von New York bewegt er rund 150 Mal mehr Wasser als alle Flüsse der Welt zusammen. Dabei ist der sogenannte Golfstrom nur einer von vielen Abschnitten eines Strömungssystems, das alle Weltmeere umfasst und unser Klima reguliert. Dieses globale Förderband bleibt in Bewegung, weil an mehreren Stellen des Weltmeers (Grönlandsee, Labradorsee im Atlantik sowie Weddell- und Ross-Meer nahe der Antarktis) kaltes, dichtes, salzhaltiges Wasser von der Meeresoberfläche auf den Meeresgrund sinkt. Dort fließt es als Bodenwasser weiter in Richtung Tropen, an der Oberfläche strömt wärmeres Wasser nach. Einer dieser zentralen Orte, an denen das globale Förderband angetrieben wird, ist das antarktische Weddell-Meer.
Schwankungen dokumentiert
Wissenschaftler des Lamont-Doherty Earth Observatory (LDEO) der Columbia University (New York, USA) sowie des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) haben nun mit einer Langzeitbeobachtung herausgefunden, dass es dort starke jahreszeitliche, aber auch mehrjährige Schwankungen in der natürlichen Strömungspumpe gibt. Sie hängen unter anderem mit den Windverhältnissen in der Antarktis zusammen und sind so auch an großräumige Klimaschwankungen wie das El Niño-Phänomen gekoppelt. „Das haben wir so nicht erwartet, vergleichbare Messungen am Ausgang der Labradorsee zeigten keine signifikanten jahreszeitlichen Schwankungen“, sagt Professor Martin Visbeck, Leiter der „Physikalischen Ozeanographie“ am IFM-GEOMAR und ein Mitautor der Studie, die in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature Geoscience erscheint.
Langzeitobservatorien in 3000 Metern Tiefe
Für ihre Studie konnten die Ozeanographen aus Kiel und New York auf zwei Messstationen südöstlich der South Orkney Islands zurückgreifen, die kontinuierlich zwischen 1999 und 2007 Strömungsgeschwindigkeiten, Temperaturen und Salzgehalt des Bodenwassers am Ausgang des Weddell-Meers aufgezeichnet haben. „Mit Schiffen ist das zumeist eisbedeckte Weddell-Meer der Antarktis nur im Sommer zugänglich. Daher erlauben nur am Meeresboden verankerte Langzeitobservatorien, die Veränderungen in 3000 Metern Wassertiefe kontinuierlich zu erfassen. Die ersten zwei Jahre sahen wir eine deutliche Erwärmung der Bodenwassertemperaturen und vermuteten erste Auswirkungen des Klimawandels“, sagt Professor Visbeck, „allerdings zeigt die längere Zeitreihe ein viel komplexeres Signal, das wir mit dieser ersten Studie analysieren. Schon jetzt ist klar, die Zeitreihe muss unbedingt fortgesetzt werden, um langfristige Trends sicher zu erkennen oder abrupten Wandel rechtzeitig zu detektieren.“
Langzeitobservatorien auch in der Labradorsee
Neben dem Weddell-Meer haben die Kieler Forscher noch eine weitere Schlüssel-Stelle im weltweiten Strömungsband im Blick: Die Labradorsee zwischen der gleichnamigen kanadischen Halbinsel und Grönland. „Alles kalte, dichte Wasser, das im Nordatlantik absinkt, kommt am Ausgang der Labradorsee auf dem Weg nach Süden am Meersboden vorbei. Dort lässt sich sozusagen das nördliche Gegenstück zur Pumpe im Weddell-Meer vermessen“, erklärt Professor Visbeck. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Projekts „Nordatlantik“ hat das IFM-GEOMAR auch am Ausgang der Labradorsee am Meeresboden mehrere Langzeitobservatorien verankert, die dort seit 1997 wichtige ozeanographische Daten aufzeichnen. Aktuell ist das Forschungsschiff „Meteor“ im Rahmen seiner 82. Expedition auf dem Weg zu diesen Messstationen, um die in den vergangenen Jahren gemessenen Daten auszulesen und die Geräte zu warten. „Wir erhoffen uns auch von dort neue Erkenntnisse über das Zusammenspiel zwischen Klima, Wetter und Meereströmungen“, sagt Professor Visbeck. Denn die neuen Messreihen aus der Antarktis zeigen, wie eng alle drei Faktoren miteinander verknüpft sind. „Langfristige Beobachtungen an Schlüsselpositionen der Meereströmungen sind unerlässlich, um Klimamodelle zu überprüfen, und führen in der Regel auch zu unerwarteten neuen Erkenntnissen über Prozesse im Ozean“, ergänzt der Ozeanograph. Weitere Infos: www.ifm-geomar.de