TEXT: Mark B. Hatter
Es ist 15 Uhr. Die heiße, grelle Äquatorsonne steht immer noch hoch auf ihrem absteigenden Bogen zum westlichen Horizont. Der Wind ist ruhig und das Meer glatt, als Alex, unser Fahrer des Schlauchboots, die kurze Strecke von der Galapagos Aggressor III zu unserem Einstiegspunkt, einer Bucht in der Nähe von Punta Vicente Roca an der nordöstlichen Ecke der Isla Isabela, ansteuert.
In sieben Millimeter dickes Neopren gehüllt, beginnen wir unter der brennenden Sonne unangenehm zu schwitzen. Richard, unser Guide, ist ebenfalls komplett in schwarzes Gummi gehüllt und spürt unser Unbehagen. »Taucher, macht euch bereit!« drängt er uns. Also Masken auf, Atemregler in den Mund und ein letzter Fotoausrüstungs-Check.
Wie widersprüchlich, in dickes Neopren gehüllt auf dem Breitengrad 0.0536 südlich unterwegs zu sein – ein halbes Grad südlich des Äquators. Aber wir tauchen vor den Galapagos-Inseln, einem klimatischen Paradoxon aufgrund ihrer geografischen Lage, die die Breitengradlinie der Erde im östlichen Pazifik, 1000 Kilometer von Südamerika entfernt, überqueren.
Eigentlich ist anzunehmen, dass die Gewässer, die den Galapagos-Archipel umspülen, warm wie Badewasser sein sollten. Doch aufgrund der Lage werden die Inseln von drei großen und vier kleinen ozeanischen Strömungen umspült, die sich treffen, trennen, mischen und umwälzen, was zu ständigen »Wassertemperaturwidersprüchen« führt. Und das passiert auf den ganzen Inseln. »Auf drei!« warnt Guide Richard. Kurz danach versenken wir uns in eine warme, trübe Brühe.
Eröffnungsszene
Der Widerspruch geht weiter: An der Wasseroberfläche gibt es wenig Strömung. Das Meerwasser sammelt sich in der Bucht und erwärmt sich schnell in der tropischen Sonne. Das Ergebnis ist eine lokale Mikroblüte von Plankton im nährstoffreichen Oberflächenwasser, das im starken Kontrast zu dem kühlen Wasser unterhalb einer ständig präsenten Sprungschicht um bis zu 12 Grad Celsius steht.
An der schimmernden Übergangsschicht zwischen warm und kühl sinkt die Temperatur sofort von 26 auf 20 Grad, wobei sich die Sicht von einem auf über 30 Meter bessert. Wir gleiten den Abhang hinunter, passen den Auftrieb an, vorbei an spektakulär farbigen Wandteppichen aus Gorgonien, hinunter zum weißen Sandboden in fast 35 Meter Tiefe.
Im Zwielicht schießen ein paar junge Galapagos-Seelöwen, allgegenwärtig bei den meisten Tauchgängen vor den Galapagos-Inseln, von hinten an uns vorbei und machen eine Rolle durch unsere Luftblasen. Nun, drei Meter über dem sandigen Grund, hat sich die Wassertemperatur auf 17 Grad abgekühlt. Plötzlich schlägt Richard mit einem Metallklöppel gegen seine Tauchflasche und reißt mich aus meinen jammernden Gedanken über die Kälte.
In der Ferne tauchen ein paar Mondfische auf, die langsam auf unsere vor Staunen erstarrte Gruppe zuschweben. Ein seltener Anblick! Besonders nachdem Richard vor dem Tauchgang erklärt hatte, dass wir wahrscheinlich keine Mola Mola sehen würden, weil es »zu warm« sei. Ich checke meine Kamera, halte den Atem an, nähere mich und versuche, klein und harmlos auszusehen. Obwohl es kein ausgewachsener Fisch ist, scheint der Mondfisch hier mindestens zwei Meter zwischen den Flossenspitzen zu messen.
Ich gleite näher, der Mola Mola folgt mir mit einem großen, neugierigen Auge. Ich bin für ihn offenbar keine Bedrohung, aber auch nichts von Interesse. Denn er wendet sich der Tiefe zu und verschwindet. Eine faszinierende Begegnung mit einem Tier, das ich in 40 Jahren Tauchen noch nie gesehen habe.
Die Zeit ist knapp, und wir bewegen uns zu einem Tal aus Weichkorallen jenseits der sandigen Ebene auf der Suche nach Seepferdchen. Unser gutes Karma hält an.
Richard und einer unserer Taucher finden je ein geschickt getarntes Exemplar unter den Weichkorallen. Die Aufregung in der nun erfrischend kühlen Ozeantiefe ist groß, während wir Fotos machen und nach anderen Exoten suchen, bevor unsere Tauchcomputer zum Rückweg an die Wasseroberfläche mahnen.
Superlative
So kann es auf und vor den Galapagos-Inseln laufen. Ein Karneval der tierischen Kuriositäten und Seltenheiten. Sowohl an Land als auch im Meer. Eine Show, die Taucher aus der ganzen Welt anzieht. So einzigartig ist hier die Fauna, dass man sich einen Jahrmarktschreier aus dem 20. Jahrhundert vorstellen könnte, der die Exoten anpreist: »Meine Damen und Herren. Kommen Sie herein und staunen Sie über einen Fisch von einer Tonne Gewicht ohne Flossen und Schwanz!
Oder bewundern Sie die schwarmbildenden Haie, deren Köpfe wie ein Kleiderbügel geformt sind! Wie wäre es mit einer Schildkröte, die so groß wie ein Auto ist? Oder einer Eidechse, die im Meer frisst?« In der Tat könnten die Galapagos-Inseln die »größte Show auf Erden« sein. Seit dem Herbst 1835, als Charles Darwin an Bord der britischen Brigg »HMS Beagle« im Galapagos-Archipel an Land ging, nennen Naturforscher die Inseln ein »einzigartiges lebendes Museum und Schaukasten der Evolution« – und »Schmelztiegel der Meeresarten«.
Der Archipel im Pazifik besteht aus 127 Inseln, Eilanden und Felsen zwischen den Breitengraden 1,40 Grad Nord und 1,36 Grad Süd. Vulkanischen Ursprungs, sind die Inseln geologisch gesehen relativ jung, nur etwa fünf Millionen Jahre alt, und im Fall von Isla Isabela und Isla Fernandina immer noch aktiv in der Entstehung. Tatsächlich war, als die »Galapagos Aggressor III« am zweiten Abend unserer Reise nach Darwin Island dampfte, der Vulkan auf Isabela deutlich zu sehen, wie er Rauch, Asche und Lava an seiner Nordflanke ausspuckte.
Es ist die geografische Lage, Isolation und das Zusammentreffen von Meeresströmungen, die die metaphorische »Petrischale aus schwarzem Vulkangestein« geformt haben. Was zur Spezialisierung von 14 verschiedenen Landtieren geführt hat, die nirgendwo sonst auf der Welt zu finden sind.
Viele einheimische Arten wie der Hammerhai, der Galapagos-Hai, der Adlerrochen und die Grüne Meeresschildkröte sind auch anderswo zu finden. Die einzige endemische Art, die ich in meiner Forschung finden konnte, ist der Grüne Seeigel, der wunderbar zahlreich bei Roca Blanca vorkam. Der Wechsel der Wassertemperaturen, gepaart mit einzigartigen Landtieren und Meeresbewohnern, bietet eine actiongeladene Woche für Taucher und Unterwasserfotografen. Wo sonst kann ein Taucher an einem Tag tropische Langnasen-Schmetterlingsfische und am nächsten Tag kälteresistente Mondfische finden?
Der warme Norden
Die nördlichen Inseln Wolf und Darwin waren unser erstes Ziel auf unserer einwöchigen Safari. Diese Inseln liegen oberhalb des Äquators und werden von einem relativ warmen äquatorialen Strom umspült. Sie sind bekannt für Schulen von Hammerhaien, Adlerrochen und die seltenen Walhaie – wenn die Strömungen stark genug sind.
Seltsamerweise schienen die Strömungen während unseres Besuchs, der mit dem Ende des Vollmonds zusammenfiel, verwirrt zu sein: An der Oberfläche drängten sie in eine Richtung und in der Tiefe in die entgegengesetzte Richtung. Infolgedessen blieben die Haifischschwärme aus. Wir beobachteten jedoch viele einzelne Haie und konnten das Riff rund um Darwins Säulen, ehemals Darwins Bogen, und die Insel Wolf vollständig erkunden.
Die moderaten Strömungen gaben uns auch die Gelegenheit, andere Orte zu erkunden, zum Beispiel die Höhle bei Wolf Island, und weniger bekannte »Nebendarsteller« auf den Riffen zu fotografieren. So landeten auch Schulen von Barbierfischen und Grüne Meeresschildkröten auf unseren Speicherchips.
Die Show im Süden
Während die Showdarsteller der Galapagos-Inseln im Norden eine Pause einlegten, übernahmen die Nebendarsteller im Süden. Am Cape Douglas auf Isla Fernandina waren die Meeresleguane früh von der Sonne »aufgetankt« und gingen um 10 Uhr morgens ins Wasser, um zu fressen.
Eine Eidechse, die im Meer frisst! Zu Hunderten, wenn nicht Tausenden, sitzen die kohlefarbenen Reptilien auf den schwarzen Vulkangesteinen am Cape Douglas in der Nähe des Meerufers. Dort wärmen sie sich auf, bevor sie in den kühlen Pazifik eintauchen, um Meeresalgen zu verspeisen.
Weiter auf unserer Reise im Süden trafen wir auf die allgegenwärtigen Galapagos-Seelöwen, deren spielerische Eskapaden einen Fotografen glatt zur Verzweiflung bringen. Wie wirbelnde Derwische forderten die Robben die Fotografen heraus.
Und an einem Nachmittag begegneten wir an einem relativ unscheinbaren Felsen namens Cowley »der Mutter aller Fischschulen«. Der Ort ist berühmt für seine imposante Schule von schwarz gestreiften Salema Xenocys jessiae. Tausende, wenn nicht Millionen von ihnen verändern ihre Form endlos von der Wasseroberfläche bis zum Meeresboden. Wäre da nicht die Lampe unseres Divemasters oder das Flackern eines Blitzes meiner Tauchkollegen gewesen, hätte ich mich sicher verirrt, als die Fische den Tag zur Nacht machten.
Die Show über Wasser
Keine Reise zu den Galapagos-Inseln ist vollständig ohne Land-Safari. Die Galapagos Aggressor III ermöglichte uns zwei Landexkursionen sowie eine Küstenkreuzfahrt, um mehr Tiere zu finden, die auf den Galapagos-Inseln endemisch sind. Auf Isla Bartolome erklommen wir den Gipfel – berühmt aus dem Russell Crowe-Film »Master and Commander: Bis ans Ende der Welt« – wo ein Galapagos-Habicht auf einem hohen Felsen thronte, und eine Lava-Eidechse ihre Zehen auf dem Gestein kühlte.
Am Pinnacle Rock fanden wir Blaufußtölpel, Galapagos-Pinguin und den flugunfähigen Kormoran. An unserem letzten Nachmittag, nachdem das aufmerksame Personal unsere Tauchausrüstung gereinigt hatte, reisten wir ins Landesinnere zu einer Farm auf Isla Santa Cruz, wo wir den letzten »Akt« beobachteten: die größte Schildkröte der Welt in freier Wildbahn. Die Galapagos-Inseln sind in der Tat ein Zirkus der Kuriositäten, des Skurrilen und Großartigen. Und wie der Zirkus zieht er die Neugierigen wie eine Motte zum Licht. Deshalb lohnt jede weitere Reise an dieses Ende der Welt zur größten Show, die die Natur zu bieten hat.
Reiseinfo
Beste Reisezeit: Die Galapagos-Inseln können das ganze Jahr über besucht werden, da der Unterschied zwischen Sommer- und Wintermonaten am Äquator minimal ist. Bestimmte Arten trifft man jedoch zu bestimmten Zeiten mit höherer Wahrscheinlichkeit.
Der Weg zu den Inseln: Alle Flüge zu den Galapagos-Inseln starten entweder von Quito oder Guayaquil in Ecuador. Planen Sie, einen Tag vor dem Tauchsafaristart in Ecuador anzukommen. Direktflüge zu den Inseln von Quito oder Guayaquil sind von zwei Fluggesellschaften mehrmals täglich verfügbar.
Vor Ort Abtauchen: Neben anderen Anbietern führt die Aggressor Fleet Galapagos-Tauchsafaris durch. Hier kümmert man sich auch um Ihre Anreise und weitere Ziele, die Sie neben dem Tauchen sehen wollen.
Galapagos Aggressor III
Das Tauchsafarischiff Galapagos Aggressor III ist 30 Meter lang, verfügt über vier Deluxe-Kabinen mit zwei Einzelbetten und vier Hauptkabinen mit einem Doppelbett (das zu zwei Einzelbetten umgebaut werden kann) und einem großen Fenster. Jede der acht Kabinen hat eine eigene Toilette, Dusche, Haartrockner, TV/Media-Center, Temperaturregler und Safe. Für maximal 16 Gäste bieten der Salon, ein überdachter Cocktailtisch, Sofas, Liegestühle, Bar und Whirlpool alle nur erdenklichen Annehmlichkeiten an Bord. Alle Mahlzeiten, Snacks und Getränke sind im Reisepreis inkludiert.
Infos & Buchung
Die hier vorgestellte Route ist bei vielen deutschen Tauchreiseveranstaltern buchbar.