TEXT: Barbara & Wolfgang Pölzer
Ein Schiff von Tauchern für Taucher – ein Motto, selten so passend wie hier. Denn die Expertise der Eigner lässt sich kaum toppen. Der Vater ist taucherisches Urgestein und Malediven-Pionier der ersten Stunde: der Deutsche Norbert Schmidt. Bereits Mitte der 1970er Jahre kam er auf die Malediven und hat dort eine der ersten Tauchbasen gegründet – und seit 1981 mehr als ein halbes Dutzend Tauchsafariboote geleitet. Seine drei Söhne Coco, Manu und Amir, allesamt auf den Malediven geboren und sowohl mit dem Tauchtourismus vor Ort als auch einer soliden Ausbildung in Deutschland und Österreich aufgewachsen, wechseln sich als Tourguides auf ihrem »schwimmenden Baby«, der M/V Keana, ab.
Reiner Familienbetrieb
Kaum an Bord, erfolgt schon eine herzliche Begrüßung durch Amir, dem ältesten der drei Brüder. Der studierte Meeresbiologe bringt nicht nur Berufserfahrung von der Universität Wien mit, sondern hat auch auf den Malediven mehrere Jahre lang in der Umweltschutzforschung für die Umweltschutzorganisation »International Union for Conservation of Nature« (IUCN) wissenschaftlich gearbeitet. Wissen aus erster Hand, gepaart mit zigtausend Tauchgängen als Tourguide erwartet uns.
Bereits die erste Nacht an Bord ist anders als sonst.
Statt sich tief unten im Schiffsbauch mit Klimaanlage und Fixverglasung zu verkühlen, schlummern wir bei angenehmem Luftzug durchs weit geöffnete Seitenfenster am Hauptdeck. Alle acht Gästekabinen verteilen sich auf Haupt- und Oberdeck und sind neben den längst üblichen Panoramafenstern auch mit Fenstern zum Öffnen ausgestattet.
Am Morgen dann die nächste Überraschung: Statt sich in aller Herrgottsfrüh schlaftrunken ins Neopren zu zwängen, um als erster im Dämmerlicht auf 30 Meter Tiefe zu sein, ruft uns die Glocke erst um 7 Uhr zum Briefing. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es ist deutlich heller im Wasser. Man ist meist wieder allein am Riff. Und wenn die Strömung passt, sind um 7:30 Uhr genauso viele Haie zu sehen wie um 6:30 Uhr. Uns kann es recht sein. Zumal wir beim Checkdive mit leichter Strömung an einem wunderschönen Steinkorallenhang voller Blaustreifen- und Leuchtfleck-Schnapper nebst zahllosen Barben gemütlich vorbeitreiben, während die Morgensonne im Flachwasser fantastisch anzusehende Lichtkringel aufs Riff zaubert. Ein kapitaler Federschwanz-Stechrochen, der im Sandgrund nach Frühstücks-Leckerbissen wühlt, rundet diesen ersten Tour-Tauchgang entspannt ab.
Nachhaltiges Stromwunder
Zurück auf der Keana überrascht uns dann eine Auswahl an Leckerbissen, die von veganer Ayurveda-Küche über frisch gebackene Brötchen bis hin zum klassischen Spiegelei und noch weit mehr reichen. Kumar, der langjährige Koch aus Sri Lanka, hat‘s wirklich drauf. Interessantes Detail: Der Restaurantbereich verfügt über Innen- und Außenplätze – ähnlich wie Relax- und Barbereich am Oberdeck sowie das riesige Sonnendeck darüber. Neueste Errungenschaft und absolut lobenswert ist die frisch installierte Photovoltaikanlage am Sonnendeck: Sie vermag nicht nur über 16.000 Watt zu erzeugen, sondern auch den hochmodernen 80kWh-Lithium-Eisenphosphat-Batteriespeicher zu füllen. Konkret heißt das, dass übers Jahr nicht nur rund 8000 Liter Generator-Diesel eingespart werden können, sondern es auch jede Nacht mucksmäuschenstill auf der Keana ist. Wahrlich eine Investition in die Zukunft, die das Wasserfahrzeug zum derzeit wohl nachhaltigsten Safarischiff seiner Klasse auf den Malediven und seine Eigner erneut zu Vorreitern macht.
Emsige Mantaputzer
Mit so viel ökologischem Gewissen macht der Vormittagstauchgang gleich doppelt so viel Spaß. Gerade mal fünf Minuten im Dhoni dauert die Anfahrt zu einem der besten Mantaspots des Landes. Lange Zeit gut gehütetes Geheimnis der wenigen ansässigen Tauchbasen auf den Inseln vor Ort hier im südlichsten Atoll der Malediven, ist die Putzerstation mit ganzjährigem Mantavorkommen mittlerweile auch den meisten Safaribooten bekannt. Amir kennt sie freilich schon lange. So flattern uns schon bald nach dem Abtauchen die ersten Mantas regelrecht um die Ohren.
Ein schräg abfallender Riffblock zwischen 15 und 25 Meter Tiefe hat es ihnen angetan. Genau hier tummeln sich bei einströmendem Gezeitenwasser eine ganze Reihe von Putzerlippfischen, um ihre Dienste den 50 mal größeren Rochen anzubieten. Die Sicht könnte besser sein. Doch das halbe Dutzend Mantas aus nächster Nähe beobachten zu dürfen, entschädigt. Es ist faszinierend anzusehen, wie die riesigen Tiere scheinbar bewegungslos in der mittlerweile beträchtlichen Strömung verharren, während wir ohne Strömungshaken längst vom Winde verweht worden wären. In den weit geöffneten Rochenmäulern, ihren aufgespreizten Kiemenspalten, am Bauch und Rücken – überall suchen die eifrigen Putzerfisch-Winzlinge nach lästigen, aber für sie schmackhaften Parasiten. Immer wieder schwimmt einer der Mantas mal absichtlich direkt über uns und verharrt punktgenau, bis unsere Ausatemluft wie in einem Whirlpool über seinen Bauch sprudelt. Anstatt erschrocken das Weite zu suchen, scheinen manche Tiere diese Blasendusche zu genießen. Auch wir kosten das Schauspiel, so lang wie es Finimeter, Tauchcomputer und Amir zulassen, aus. Nachmittags gönnen wir uns bei deutlich besserer Sicht das gleiche Spiel noch mal. Da sind zwar nur zwei Rochen anwesend, doch dafür mischt sich kurz ein Grauer Riffhai unter das putzwillige Volk. Hier müssen die Putzerfische jedoch blitzschnell zur Sache kommen, denn lange bewegungslos an einem Ort verweilen ist nicht das Ding des Grauen.
Tigerhai-Spektakel
Auch die Keana verharrt nicht bewegungslos. Denn am folgenden Morgen steht bereits das nächste Safari-Highlight an. Bei spiegelglatter See geht es um 3 Uhr morgens Richtung Norden, um pünktlich zur Briefingzeit vier Stunden später im winzigen Atoll von Fuvahmulah anzukommen. Auch erst in den letzten Jahren richtig bekannt geworden ist das gleichnamige Fischerdorf für seine Tigerhaifütterungen. Mittlerweile ist das zum enorm einträglichen Geschäft für eine Handvoll Einheimischen-Tauchbasen geworden, die quasi das Fütterungsmonopol auf der Insel haben. Für den Tauchgang gibt es Slots, die auch von jedem Tauchsafarischiff im Vorfeld gebucht werden müssen und nur 30 Minuten dauern. Als wir pünktlich in den kleinen Fischerhafen einlaufen, springen zwei Malediver mit einem Sackvoll Fischköpfen auf unser Dhoni und kassieren dafür die derzeit zu entrichtenden 30 US-Dollar pro Person. Im Gegenzug verteilen sie Haiabwehrstöcke aus Alurohren und trichtern uns höchste Disziplin für den kurzen Tauchgang ein. Verlangt ist: Negativer Einstieg vom Dhoni und im Blauwasser zügig zur nahen Riffkante tauchen! Dort werden wir von einem der lokalen Diveguides in einer Reihe, Schulter an Schulter, am oberen Rand der Abbruchkante in kaum fünf Meter Tiefe platziert. Vor uns eine leicht ansteigende Sandfläche unmittelbar neben der Hafeneinfahrt.
Kaum ist die Gruppe halbwegs zur Ruhe gekommen, schieben sich auch schon die ersten Tigerhaie in unser Sichtfeld. Allerdings nicht von vorne. Hinter unserem Rücken gleiten dunkle Schatten aus dem tiefen Blau der ins Endlose abfallenden Steilwand. Große Körper, vier Meter lang. Und schnell. Wie in höchster Eile schießen sie knapp an der Wand entlang, weichen aus, umrunden uns weiträumig – und sind plötzlich im Flachwasser vor uns. Nicht zu wenig Sand aufwirbelnd, durchsuchen die Tiger die Arena und sind blitzschnell wieder verschwunden. Kein Wunder! Denn der generöse Fischkopf-Spender springt erst in diesem Moment knapp vor uns vom fahrenden Dhoni ins Wasser, paddelt zügig in die Tiefe und versucht, die wenigen Thunfischköpfe unter ein paar großen Steinen zu verstecken. Sicher schon vielfach praktiziert, geht der Plan jedoch völlig daneben. Noch bevor der Taucher den Grund erreicht, lösen sich ein paar Fischköpfe aus seinem defekten Beutel. Wie aus dem Nichts sind plötzlich ein halbes Dutzend Tigerhaie da! Schießen wild umhehr, schnappen sich die Beute, streiten heftig, wirbeln Sand auf und entschwinden fast ebenso schnell wieder unseren Blicken. Zurück bleibt ein verdutzter Fütterungsguide, mit dessen Adrenalinspiegel ich nicht tauschen möchte. Wir starren weiter gebannt auf die eingetrübte Sandarena vor uns, in der Hoffnung, dass das jetzt noch nicht alles gewesen ist. In den verbleibenden 20 Slot-Minuten lässt sich zwar noch ab und zu ein Tiger blicken. Das wahre Spektakel ist jedoch längst vorbei. Dennoch sind die meisten in unserer Gruppe zufrieden und beeindruckt. Manche auch etwas verängstigt und froh, überlebt zu haben. Kein Wunder, war es doch für die überwiegende Mehrheit die erste Tigerhai-Sichtung überhaupt.
Kanaltauchen pur
Die folgenden Tour-Tage verbringen wir in den Atollen weiter nördlich. Dort ist Kanaltauchen angesagt. Wenn an den äußersten Atollrändern das Wasser aus dem Meer in die Lagunen einströmt, konzentriert sich das Leben an der Riffkante. Das bedeutet: Strömung bis zum Abwinken! Und das erfordert ebenfalls Disziplin und gute Tauchgangsplanung. Wieder mal ist Amirs Erfahrung hier Gold wert. Punktgenau führt er uns an die besten Spots und lässt uns am Strömungshaken baumelnd das Schauspiel genießen. Vor allem Graue Riffhaie patrouillieren an den Plätzen in großer Zahl. Je nach Sichtweite, Strömungsstärke und Sonnenstand bekommen wir ganze Wände von Haien zu Gesicht oder können die Konturen der weiter draußen schwimmenden Tiere nur erahnen. Kurz vor Ende der Nullzeit beginnt mit dem Lösen des Strömungshakens der eigentliche Spaß: Die wilde Drift durch den Kanal, begleitet von Barrakudas, Stachelmakrelen, Schildkröten, Fledermausfischen und Adlerrochen.
Intakte Korallenszenerien
Aber auch Korallenfans kommen auf der Tour auf ihre Kosten. In den südlichsten Atollen der Malediven findet man noch viele intakte Steinkorallenriffe – laut Amir die am besten erhaltenen des Landes. Riesige Felder imposanter Hartkorallen, eingehüllt in Schwärme bunter Fahnenbarsche, metallisch glänzender Füsiliere und geschäftig durchs Riff wuselnder Doktorfische, bieten einen Ausgleich für die spektakulären Haitauchgänge.
Unser Fazit
Maximal 16 Taucher an Bord, Nachhaltigkeit, sympathische Crew, Nitrox und tolles Essen: Eine Malediven-Tauchsafari auf der Keana macht Spaß. Die von uns unternommene Südtour besticht durch Manta- und Haispots. Auch die Steinkorallen sind jeden Abstieg wert.
Steckbrief M/V Keana
Baujahr: 2015
Besitzer: die Brüder Amir, Alexander (Coco) und Manuel Schmidt
Crew: 14 Mann Besatzung (inklusive zwei Tauchguides). Einer der Besitzer ist als Cruisemanager immer mit an Bord.
Länge/Breite in m: 30/8
Schiffs-Art: Holz-Motoryacht, mit GFK beschichtet
Motor: 500 PS Schiffs-Diesel
Kabinen: acht Doppelkabinen (vier am Oberdeck, vier am Hauptdeck). Alle mit zu öffnendem Panoramafenster, großzügigem Bad/WC und individuell regelbarer Klimaanlage.
Ausstattung: großes Platzangebot durch drei Schiffsebenen. Restaurant mit Innen- und Außenbereich, Bar und Sofabereich mit Video/Fernseher und großes Sonnendeck mit Teilbeschattung, Liegestühlen, -matten und Sitzsäcken sowie einer nagelneuen PV-Anlage inklusive 80 kWh Speicher. Membran-Nitrox-Anlage am Hauptschiff.
Tauchen: Alle Tauchgänge erfolgen vom begleitenden, 12 Meter langen und vier Meter breiten Tauchdhoni aus, das über Kameratisch, Spülbecken, zwei Süßwasserduschen, Sonnendeck sowie ein extra Beiboot verfügt. Es stehen 12-Liter-DIN/INT-Alutanks (kein Adapter notwendig) sowie auf Anfrage 15-Liter-Stahlflaschen gegen 48 Euro Aufpreis pro Woche zu Verfügung. Vier komplette Leihausrüstungs-Sets sind vorhanden, gegen Voranmeldung auch mehr. Getaucht wird meist dreimal täglich in zwei geführten Gruppen zu je acht Tauchern oder an vielen Spots auf Wunsch auch im Buddyteam. Nachttauchen je nach Tour meist einmal wöchentlich.
Schnorcheln:Bei speziellen Familien-Safaris kommen auch Schnorchler auf ihre Kosten.
Ausbildung: Nitrox- und AOWD-Kurse nach PADI jederzeit möglich.
Maximaltiefe: 30 Meter, keine Dekotauchgänge!
Mindestvoraussetzungen: AOWD und 50 TG, Strömungserfahrung von Vorteil.
Tauchlehrer: 1 TL und 1 DM
Preise: Nitrox 32% gegen Aufpreis: 78 Euro/Woche. AOWD-Kurs: 281 Euro. Nitrox-Kurs: 174 Euro.
Strom: deutsche Steckdosen in jeder Kabine, 220 V.
Touren: Es werden ganzjährig 7-, 10-, 12- und 14-Tage-Touren angeboten. Die 12 bis 14-tägigen Südtouren finden meist von Februar bis April statt.
Weitere Infos: www.keana.mv
Reiseinfo Malediven
Anreise: z.B. mit Emirates über Abu Dhabi nach Male (Gesamtflugzeit ca. 10 Stunden). Einreise: Das Einreisevisum ist kostenlos und 30 Tage lang gültig.
Reisezeit: Die Malediven sind ein Ganzjahresziel. Beste Reisezeit und Hochsaison ist von Dezember bis April, Nordostmonsun. Von Mai bis November herrscht Südwestmonsun wo man mit kurzen Regenschauern, länger bewölktem Himmel und höherer Planktondichte – also mehr Walhaien und Mantas – rechnen muss. Am meisten Niederschlag gibt es zur Zeit der Monsunwechsel. Riffhaken und Dekoboje unbedingt mitnehmen!
Weitere Infos: www.keana.mv
Preisbeispiel von Tropical Seas:
Flug z.B. ab Frankfurt nach Male, Inlandsflug nach Gan und Koodoo, alle Transfers, 10 Nächte Südtour (Tiefer Süden) auf der Keana in der Doppelkabine Hauptdeck mit Vollpension und unbegrenzt Trinkwasser, Kaffee/Tee, 11 Tage Tauchen mit 3 Tauchgängen täglich (inkl. Flasche, Blei & Guide): ab 4680 Euro pro Person. Nicht enthalten: Green Tax (120 US-Dollar) und Nitrox (115 US-Dollar).
Buchung: www.tropical-seas.at