TEXT: Barbara & Wolfgang Pölzer
Als einer der einzigen Touristen in einer der abgelegensten Regionen der Philippinen abzutauchen, klingt fast zu schön um wahr zu sein. Bevor das große Abenteuer beginnt, muss man sich jedoch verständlicherweise etwas akklimatisieren und ein wenig eintauchen. Dazu steigen wir an der Westküste der Philippinen-Insel Negros im Easy Diving & Beach Resort von Christian Reinwald ab. Der ehemalige Schweizer Fußballprofi nennt die Philippinen bereits seit 23 Jahren seine Wahlheimat und ist hier inzwischen tief verwurzelt. Der begeisterte Taucher betreibt nicht nur diese gemütliche Drei-Sterne-Anlage, sondern auch zwei weitere Tauchbasen auf Negros, eine auf der Insel Palawan und organisiert zudem Tauchsafaris in der Inselgruppe der Visayas. Eines seiner absoluten Lieblingsprojekte ist jedoch zweifellos Cagayan.
Eintauchen muss sein
Doch alles der Reihe nach. Zuerst einmal hinein in die Tauchklamotten, und ab auf eines der blauweiß gestrichenen Auslegerboote, das am feinsandigen Badestrand vor der Tauchbasis liegt. Wenige Bootsminuten entfernt geht es mit Nitrox am Rücken ab ins angenehm warme Nass. Im leicht grünlichen Wasser mit mittelmäßiger Sicht folgen wir Fred, einem der besten Guides von Christian. Der stufenförmig abfallende Korallenhang geht bald in eine senkrechte Steilwand über, die vor Makroleben nur so strotzt. Adlerauge Fred spürt sie alle für uns auf: bunte Plattwürmer, Krabben und Garnelen, skurrile Tarnkünstler als Untermieter auf Feder- und Seesternen, aber vor allem kleine Gorgonienfächer mit nicht wenigen Pygmäenseepferdchen. Als persönliches Highlight gelingt es uns sogar, zwei unterschiedlich gefärbte Pygmies auf ein Foto zu bannen.
Noch besser wird es dann später beim Nachttauchgang, keine zwei Bootsminuten geradeaus vor dem Resort. Der auf den ersten Blick langweilig wirkende helle Sandgrund mit künstlichen Riffelementen aus Beton entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Dorado für Makrofotografen. Es präsentieren sich: drei stolze Himmelsgucker, Flügelross- und Krokodilsfisch, Scham- und Weichkorallenkrabbe, diverse Nackt- und Gehäuseschnecken sowie eine ganze Reihe der sonst eher seltenen Bobtailsquids.
Und zwei dieser nur fingernagelgroßen, wunderschön in allen Farben irisierenden Zwergtintenfische bringen uns richtig zum Staunen. Anstatt sich wie üblich bei Störungen im Sand einzubuddeln, schweben zwei eng umschlungene, knallbunt leuchtende Mini-Tintenfische minutenlang im Freiwasser. Paarung ist angesagt. Bei dem bis zu mehreren Stunden andauernden Akt übergibt das Männchen mehrere Samenpakete, sogenannte Spermatophoren, in die Körperhöhle des Weibchens. Und wir werden Zeugen dieses faszinierenden Naturschauspiels.
Am nächsten Morgen geht es dann auf Tagesfahrt mit drei Tauchgängen, unter anderem zu einem halbverfallenen Verladesteg einer ehemaligen Kupfermine. Wie nicht anders erwartet, tobt hier das Leben im Dämmerlicht am Sandhang zwischen den reich bewachsenen Säulen. Ein prima Muckdive mit diversen Nacktschnecken über Anglerfisch und Sardinenschwarm, Drachenkopf und Stachelrochen bis hin zu Korallenwelsen und Schnepfenmesserfischen. Generell ist die Küste hier vor Negros nicht für tolles Weitwinkeltauchen im kristallklaren Wasser mit unberührten Korallenriffen bekannt. In punkto Artenvielfalt und Makro-Raritäten kann sie jedoch durchaus sehr gut mithalten.
Auf ins Abenteuer!
Genug der Eingewöhnung. Alles so klein wie möglich verpackt, starten wir im Minibus frühmorgens bei strahlend blauem Himmel zur nahegelegenen Flugpiste einer stillgelegten Goldmine. Es erweist sich als Herausforderung, uns mitsamt kompletter Kameraausrüstung und Tauchgepäck in die sechssitzige Propellermaschine zu quetschen. Doch wo ein Wille, da ein Weg. Und so rumpeln wir nach kurzer Verabschiedung von Christian auch schon über die holprige Graspiste. Möge das Abenteuer beginnen! Schnell gewinnen wir an Höhe, lassen die Küste von Negros hinter uns und halten über dem offenen Meer Kurs Richtung Westen.
Unser Ziel ist der Cagayan-Archipel: eine kaum besiedelte, nahezu völlig unbekannte Gruppe aus Koralleninseln inmitten der Sulusee. Ein unterseeischer Gebirgsrücken erstreckt sich hier auf einer Länge von rund 500 Kilometern und kratzt mit einigen wenigen Inseln, Sandbänken und Riffen an der Wasseroberfläche. Bekanntestes Beispiel für solch submarine Formationen sind die als UNESCO-Weltnaturerbe und Nationalpark streng geschützten Riffe von Tubbataha, etwa 140 Kilometer weiter südwestlich. Eine gute halbe Stunde später setzen wir auch schon auf der Südspitze der gerade mal zehn Kilometer langen Hauptinsel Cagayan auf, von wo es per Moped-Taxi ins nahegelegene Tauchcamp geht.
Dort erwarten uns sechs geräumige Zelte mit richtigen Betten, Nachtkästchen, Strom und Ventilator neben öffentlichen Toilettenanlagen mit Duschen und WC unter tropischen Bäumen nur wenige Schritte vom Strand entfernt. Daneben gibt es einen rustikalen Aufenthaltsbereich mit Tischen, Bänken, Getränken, Trinkwasserspender – und Snacks. Unser Zuhause für die kommende Woche! Na, nicht ganz. Denn alle fünf Teilnehmer unserer Reisetruppe haben die geringfügig bequemere Variante vorgezogen und die neugebauten Bungalows mit Klimaanlage gewählt, nur drei Minuten weiter entfernt.
Ab in die Tiefe!
Getaucht wird von einem großen Auslegerboot aus, das gleichzeitig als schwimmende Tauchbasis und Restaurant fungiert. Die täglichen Ausfahrten starten je nach Ziel schon im Morgengrauen. Im kleinen Beiboot setzen wir über und staunen nicht schlecht über Unmengen von Braunalgen, die auf schwimmenden Seilen knapp unter der Wasseroberfläche kultiviert werden und weite Teile der flachen Lagune bedecken. Wie wir erfahren, dienen diese schnellwüchsigen, dickfleischigen Algen nicht nur roh genossen als mineralstoffreicher Salat, sondern werden getrocknet und in großen Säcken vor allem nach China verkauft, wo in einem aufwändigen Verfahren aus ihnen eine Art Plastikgranulat für die Herstellung von Wasserflaschen und Angelleinen gewonnen wird.
Eine gute halbe Stunde später haben wir endlich den Ausgang der riesigen Lagune erreicht und machen Halt an der vielversprechend aussehenden Riffkante. Wunderschönes, tiefes Blau lockt beim Blick nach unten! Eine senkrecht abfallende Steilwand zieht an uns vorüber. Ebenso tief eingeschnittene Canyons, Spalten und Überhänge. Doch Diveguide Panoi paddelt zielstrebig weiter. Erst im 30-Meter-Bereich stoppt er vor einem regelrechten Wald an Gorgonien.
Riesige Fächer mit gut und gern drei Metern Durchmesser sprießen von der Steilwand und einem schmalen Riffvorsprung. Daneben klebt ein mannshoher Tonnenschwamm neben einem knallrot leuchtenden Geflecht aus Fingerschwämmen neben unzähligen Kelchkorallen sowie kleinen Büschen von Weichkorallen und flächig wuchernden Schwämmen. Ein Schwarm Füsiliere huscht eilig vorüber. Nach der nächsten Riffkante erwartet uns eine riesige Schule von Doktorfischen.
Bei guter Sicht treiben wir mit moderater Strömung an der spektakulären Wand entlang. Immer wieder lässt sich die charakteristische Silhouette eines Riffhais weit draußen im Freiwasser ausmachen. Nach der Sichtung von Karettschildkröte und Seeschlange ermahnen uns Guide und Tauchcomputer, wieder höher zu steigen. Denn Nitrox ist hier am Ende der Welt leider nicht verfügbar.
Während des leckeren Frühstücks an Bord steuern wir über die spiegelglatte See – hin zum 20 Kilometer entfernten Calusa Island. Dieses abgelegene Inselchen ist umgeben von senkrecht abfallenden Riffen und verspricht noch besseres Steilwandtauchen. Tatsächlich entpuppen sich die Wände dort dann auch als fantastisch. Und das bei noch wesentlich besseren Sichtweiten von gut 30 Metern! Riesige Gorgonienfächer und Felder orangeroter Weichkorallen scheinen um die Wette zu sprießen.
Gleich nach dem Abtauchen kommen uns zwei neugierige Weißspitzen-Riffhaie bis auf brauchbare Fotoentfernung entgegen. Weiter unten begegnen wir sogar einer Gruppe Grauer Riffhaie. Aber den sprichwörtlichen Vogel schießt ein Trupp Stachelrochen ab: Völlig unüblich für diese Bodenbewohner schwimmen sechs Exemplare der weit über einen Meter großen Knorpelfische in dichter Formation im Freiwasser knapp neben der Steilwand direkt auf mich zu. ein Eine tolle Show.
Für immer glückliches Wrack
Tags darauf heißt es wieder vor Sonnenaufgang aufstehen und los. Das nordöstlich vorgelagerte Boombong Island steht jetzt auf dem Programm. Von oben betrachtet geht die winzige, grün bewachsene Koralleninsel mit schneeweißem Strand und türkisblauer Lagune als wahre Augenweide durch. Für die »Xian Ni« , die auf Englisch ironischerweise »Forever Lucky« heißt, ist diese Trauminsel im Jahr 2019 hingegen zum Albtraum geworden. Auf eine Sandbank aufgelaufen und später in einem schweren Taifun an seine jetzige Position verfrachtet, wurde das Schiffswrack erst kürzlich von Christian entdeckt.
Jetzt ruht das ehemalige chinesische Flusskreuzfahrtschiff, das vor seinem Untergang als philippinisches Passagierschiff fungierte, zwischen 15 und 30 Metern Tiefe. Das knapp 130 Meter lange Stahlschiff liegt auf seiner Backbordseite, und seine drei Schrauben ragen als flachste Stelle mahnend Richtung Wasseroberfläche. Wegen der enormen Größe und der beträchtlichen Strömung ist es unmöglich, das gesamte Schiff zu inspizieren. Daher beschränken wir uns auf ein paar Kabinen mitsamt Dusche, WC und Waschbecken sowie den großen Aufenthaltsraum mit allerlei Gerümpel, Rohren und scharfkantigen Stahlteilen.
Einsamkeit über und unter Wasser
Die folgenden Tage und Tauchgänge verrinnen viel zu schnell. Ein Genuss sind nicht nur die überwiegenden Steilwand-Abstiege, sondern vor allem die Tatsache, dass wir in diesem Atoll wirklich die einzigen Touristen sind. Obwohl Christian bereits seit über 15 Jahren Expeditions-Safaris hierher organisiert, sind viele Riffe noch völlig unbetaucht. Überraschungen kann man hier bei jedem Tauchgang erleben. Das wird uns auch bei unserem letzten Tauchgang nochmals vor Augen geführt: Um unser 24-stündiges Flugverbot einzuhalten, springen wir kurz vor 6 Uhr morgens unweit vom Tauchercamp an der Riffkante ins Wasser. Der gemütliche Drift-Tauchgang entlang eines Steilhangs voller Korallen erweist sich anfangs als wenig spektakulär. Als uns eine große Stachelmakrelen-Schule ins Freiwasser hinaus lockt, schälen sich plötzlich schräg unter uns die Konturen eines großen »Etwas« mit hellen Punkten aus dem morgendlichen Dämmerlicht im 30-Meter-Bereich. Tatsächlich! Ein Walhai. Ganz gemächlich gleitet das etwa fünf Meter lange Tier herbei, beäugt uns neugierig, dreht eine kleine Runde, gibt uns Zeit genügend Fotos zu schießen und entschwindet wieder in den Weiten des dunklen Ozeans. Was für ein krönender Abschluss dieser Tauchtour! Wer exklusives Tauchen in einer weit abgelegenen Region voll erstklassiger Tauchgründe sucht, für eine Woche auf Luxus (und Nitrox) verzichten kann und dazu noch etwas Expeditionsgeist mitbringt, ist hier, so unser Fazit, wirklich bestens aufgehoben.
Reiseinfo:
Easy Diving & Beach Resort / Cagayan Island
PHILIPPINEN
Anreise: Zum Beispiel mit Cathay Pacific von Frankfurt nach Manila. Nach einer Hotelnacht geht es per Inlandsflug nach Bacolod oder Dumaguete auf Negros. Von dort folgt ein zirka vierstündiger Autotransfer ins Resort nahe Sipalay.
Unterkunft: Das Drei-SterneTauchresort ist in malerischer Lage mit langem Sandstrand stufenförmig in den Tropenwald gebaut. Es verfügt über insgesamt 22 Zimmer in drei verschiedenen Kategorien und bietet Platz für bis zu 50 Gäste. Alle Zimmer sind komfortabel ausgestattet mit Klimaanlage, Ventilator, Safe, Kaffee/Tee Maker, Bad/WC und Terrasse. Die Super Deluxe Bungalows verfügen zusätzlich über Kabelfernsehen und Minibar. Lediglich die zwei preisgünstigsten Standardzimmer besitzen keine Klimaanlage. Ein reichhaltiges Frühstück ist immer inkludiert. Wer nicht Halb- oder Vollpension gebucht hat, findet im Restaurant eine große Auswahl an leckeren A la carte-Gerichten der philippinischen und europäischen Küche. Das Tauchresort gehört seit 2000 dem ehemaligen Schweizer Fußballprofi Christian Reinwald und ist ganzjährig geöffnet.
Lage: an der Westküste der Philippinen-Insel Negros unweit von Sipalay in Hanglage mit Sandstrand, etwa 180 Kilometer südlich vom Flughafen Bacolod gelegen.
Handy/Internet: Deutsche Handys funktionieren tadellos. Sowohl im Resort als auch im Camp auf Cagayan gibt es kostenloses WLAN.
Tauchen: Getaucht wird bis zu viermal täglich in geführten Kleingruppen (maximal 4/Guide) von überdachten Auslegerbooten, sogenannten Bangkas aus. Außer bei Tagesfahrten (mit 2-3 TG) oder auf Kundenwunsch kommt man nach jedem Tauchgang zur Basis zurück. Insgesamt lassen sich an die 40 Tauchspots innerhalb von zwei bis 60 Minuten erreichen. Beste Zeit zum Tauchen ist Anfang Oktober bis Ende Juli. Die Sicht beträgt ganzjährig zehn bis 25 Meter. Die Basis verfügt über drei Holz-Auslegerboote mit Sonnendach für je sechs bis acht Taucher sowie zwei Schnellboote für je sechs Taucher. Die Wassertemperaturen schwanken zwischen 27 Grad Celsius im Dezember/Januar und 30 Grad Celsius im Juni.
Ausbildung: nach PADI von OWD bis Divemaster, Kindertauchen wird ab 10 Jahren angeboten.
Kontakt & Infos:
www.sipalay.de
Cagayan Camp/Easy Diving Eco Resort
Anreise: Bei der Cagayan-Tauchsafari fliegt man in viersitzigen Propellermaschinen in etwa 30 Minuten von Sipalay hinüber auf die rund 130 Kilometer entfernte Insel Cagayan.
Unterkunft: wahlweise in einem der sechs geräumigen Glamping-Zelte mit 24 Stunden Strom, Ventilator und Gemeinschaftsbad/WC. Oder in einem der fünf gemauerten einfachen, aber sauberen Bungalows mit Klimaanlage und eigenem Bad/WC. Insgesamt ist Platz für zwölf Gäste. Trinkwasser, Kaffee, Tee, Softdrinks und Snacks stehen jederzeit bereit. Das Abendessen wird im Camp serviert.
Tauchen: Frühmorgens geht es auf ein großes Auslegerboot, das gleichzeitig auch als schwimmende Tauchbasis inklusive Kompressor fungiert. Hier gibt es neben drei Tauchgängen auch Frühstück, Mittagessen und leckere Snacks.
Zurück geht es erst am späten Nachmittag wieder ins Tauchercamp.
Reisezeit: Cagayan wird von Ende Dezember bis Mitte Juli angeflogen.
BUCHUNG & INFOS:
Aquaventure Tauchreisen
aquaventure-tauchreisen.de
Preisbeispiel:
Flug mit Cathay Pacific ab/bis Frankfurt, sieben Übernachtungen und Frühstück im Easy Diving & Beach Resort in Sipalay im Standard-Bungalow, ein 10er Paket Bootstauchen, sowie eine Woche Cagayan-Safari im Glamping- Zelt mit Vollpension und sechs Tage Bootstauchen inklusive Flasche, Blei und Guide, sowie eine Hotelnacht in Sipalay inklusive Frühstück, Inlandsflüge und alle Transfers: ab 3580 Euro pro Person (inklusive internationalem Flug).
Weitere Infos:
morefunphilippines.de