TEXT: Gerald Nowak |
Wer schon mal im spektakulären Samaranger See abgetaucht ist, weiß, was es heißt, einen klaren See zu ergründen. Dass diese Erlebnis noch getoppt werden kann, hätte ich nicht gedacht. Bis ich bei einem Besuch bei Franz Pramendorfer in Österreich am Traunfall die Bilder aus dem Lago di Capo d’Acqua gesehen habe. Der kleine See liegt mitten in den Abruzzen und damit auch im Zentrum von Italien. Die Bilder der versunkenen Mühle haben mich so fasziniert, dass ich kurzerhand bei Franz eine Tour dorthin buchte.
Es ist Anfang Mai, und ich mache mich gemeinsam mit meinem Tauchbuddy Peter auf den Weg, um Franz Pramendorfer und seinen Freund Franz Hajek bei Capestrano zu treffen. Unsere Unterkunft liegt idyllisch direkt oberhalb des Lago di Capo d’Acqua in einem Weinberg, weitab vom Lärm der Stadt in absoluter Ruhe. Ein perfekter Start für die Tour. Und ideal für die mentale Vorbereitung unserer Tauchgänge.
Dolce Vita und versunkene Mühlen
Am folgenden Tag erleben wir italienische Mentalität live. Gegen 9 Uhr sollen die Tore zur Tauchbasis öffnen. Wir warten vor dem Eingang, denn die erste Gruppe geht auch geschlossen als erstes ins Wasser. Als nach und nach weitere Gruppen eintreffen, haben wir schon Sorge, dass es zu viele Taucher im Wasser gibt. Ganz relaxt trudelt dann gegen 10 Uhr der Besitzer der Tauchbasis vor dem Tor ein und erklärt in Ruhe, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Er erlaubt nur immer einer Gruppe den Zugang zum See, damit es nicht zu viel Unruhe gibt, und das Wasser möglichst lang klar bleibt. Unsere Gruppe bekommt dann von ihm das Go. Nur wenige Meter vom dicht mit Pflanzen bewachsenen Uferbereich erreichen wir die versunkenen Reste zweier Mühlen. Vor der Flutung des kleinen Stausees standen sie an der Quelle des Tireno. Aber als man 1964 entschied, die Quelle zu stauen, um gesichert auch in der Trockenzeit Wasser zur Bewässerung der Felder zu haben, wurden sie quasi im See versenkt. Heute sind die verbliebenen Mauern eine perfekte Kulisse für Taucher und Unterwasserfotografen.
Wir machen zwei Tauchgänge, bevor wir am Nachmittag unsere Sachen packen und alles in der nahegelegenen Unterkunft zum Trocknen aufhängen, um dann hinüber nach Capestrano zu fahren. Die Stadt entstand nach der Errichtung der Burg im 13. Jahrhundert nach und nach auf dem Hügel rund um die Burganlage. Heute ist der Ort wie viele Gemeinden der Region am Verfallen. Nicht nur wegen des letzten Erdbebens 2017 sind viele Bewohner in andere Regionen geflohen. Nur noch knapp 800 Bewohner leben heute hier, doch der Ort und das Tal haben ihren Charme. Das Klima ist mild, die Nächte auch im Frühsommer angenehm kühl. Wir erleben einen ausgelassenen Spätnachmittag mit leckerer italienischer Brotzeit und lassen den Tag gemütlich ausklingen. Der Urlaub kann beginnen.
Tauchen (nicht) verboten
Gemütlich nach dem Frühstück geht es heute erst einmal Richtung Westen nach Stiffe. Dort besuchen wir eine kleine Tropfsteinhöhle. Das Höhlensystem ist nicht besonders groß, jedoch sehr beeindruckend, da man entlang eines unterirdischen Bachs weit in den Berg hineinlaufen kann. Wir haben viel Spaß und genug Zeit für tolle Fotos.
Der anschließende Besuch einer kleinen traditionellen Trattoria wird zum Highlight des Tages. Die Mama des Hauses kocht für uns auf, und wir dürfen hausgemachte Nudeln verkosten. Gegen Nachmittag geht es weiter nach Posta Fibreno, wo wir die folgenden vier Nächte verbringen werden. Direkt am Quartier liegt der Lago Fibreno mit tiefem Quelltopf und glasklarem Zufluss. Gleich nach der Ankunft springen wir bei einer Mühle in den kleinen Zufluss. Dieser ist nur wenige Meter tief, dafür super klar und irre bewachsen. Direkt am Einstieg prangt ein großes Schild: Tauchen verboten. Franz aber lacht nur: »Wir dürfen hier natürlich tauchen. Armando, mein italienischer Freund und Biologe, hat das für uns klargemacht.« Was Beziehungen im Leben alles möglich machen. Sowohl der Zufluss als auch der Speichertopf der alten Mühle sind ein optisches Paradies für Fotografen.
Dicht bewachsen mit verschiedensten Unterwasserpflanzen und hier und da kleinen Fischen. Auch eine Nutriafamilie ist hier heimisch, doch vor die Linse bekomme ich sie leider nicht. Das Wasser ist recht frisch, und bei nur elf Grad im Sieben-Millimeter-Anzug wird es schon nach kurzer Zeit ziemlich kühl. Da wir hier mehrere Tage verbringen werden, ziehe ich mich nach einer halben Stunde zurück und überlasse den anderen aus der Gruppe den kleinen Tümpel und das Bächlein. Dank des stetigen Zuflusses sind die von mir aufgewirbelten Partikel in kurzer Zeit verschwunden, und auch die anderen Fotografen haben perfekte Sicht. Den nächsten Tag verbringen wir am See und dem Zufluss des Lago Fibreno. Gegen Abend geht es hinauf in den Ort Posta Fibreno, wo wir einen herrlichen Blick über das Tal haben. Von hier aus sieht man auch die »schwimmende Insel«, die im Süden des Lago Fibreno je nach Wind umhertreibt. Ja, diese Insel schwimmt wirklich! Und das Baden dort birgt so seine Tücken.
Quellen über Quellen
Tagsdrauf geht es weit in den Süden, vorbei an der Stadt Cassino, zum »Lago Vulcano«. Der kleine Teich liegt mitten im Ort und darf normalerweise nicht betaucht werden. Nur mit Sondergenehmigung und unter Aufsicht dürfen wir hier ins Wasser. Unglaublich, wie klar das Wasser der Quelle hier ist. Wie Mini-Vulkane sprudeln hier kleine Quellen aus dem Boden. Der schwere Sand fällt sofort wieder zurück, und das Wasser bleibt klar. Rund um die Quellen ist dichter Bewuchs, wodurch die Szenerie schon fast ein wenig tropisch wirkt, wäre da nicht das erfrischend kühle Wasser. Nur zehn Grad stehen auf meinem Tauchcomputer. Mit sieben Millimeter Neopren wird es auch hier ziemlich schnell sehr frisch. Doch nicht nur ich lasse es mir nicht nehmen, zwei Tauchgänge zu absolvieren. Wann hat man schon die Möglichkeit, so ein tolles Gewässer zu betauchen? Auch wenn es nur wenige Meter tief ist. Gegen Nachmittag geht es über das Kloster Montecassino zurück nach Posta Fibreno. Der Besuch des Klosters ist ein »Muss«. Die Geschichte eine Story für sich. Zurück am Lago Fibreno verbringen wir einen weiteren Tag. Aber nicht nur die Tauchgänge hier sind atemberaubend, auch die Herzlichkeit der Menschen und die tolle Gastronomie der Region. Ich könnte Wochen bleiben. Ob meine Waage zuhause das aushalten würde? Fraglich.
Unterhalb der Abruzzen
Am vorletzten Tag unserer Reise verlassen wir die Abruzzen und fahren weit nach Süden, fast bis Neapel, nach Fiume Cipolla. Hier liegt eine kleine Mehlmühle direkt an einem Bach, der es in sich hat. Nicht nur, dass Teile des Bachs dicht mit Schleimalgen bewachsen sind. Auch finden sich hier Meeräschen ein, die in großen Schulen umherschwimmen. Der obligatorische Einkauf von frisch gemahlenem Mehl im Anschluss an die Tauchgänge gehört natürlich auch dazu. Am Nachmittag geht es dann in ein Restaurant direkt am Meer. Fischliebhaber werden hier verwöhnt. Es gibt das Beste aus dem nahen Meer und der italienischen Küche. Gut gesättigt müssen wir nun noch einige Kilometer bis nach Narni fahren. Der Ort liegt bereits nördlich der Abruzzen, unweit der Autobahn. Wir verbringen hier eine letzte Nacht und besuchen am Abend die mittelalterliche Stadt.
Das Abschlussabendessen ist ein weiteres kulinarisches Highlight auf dieser Tour. Vor der Heimreise wollen wir am letzten Tag noch einmal abtauchen und besuchen eine weitere teilweise versunkene Mühle. Auch hier gibt es einen Rückhaltetopf, in dem man abtauchen kann. Obwohl nur gut fünf Meter tief und knapp 30 Meter lang, gibt es hier wieder neue Dinge zu entdecken. Die Algen wachsen vom Grund bis an die Wasseroberfläche, und das bei absolut transparenter Sicht. Über die Wehranlage geht es in den angrenzenden Stausee, der größtenteils mit einer dicken Algenschicht bedeckt ist, die an der Oberfläche schwimmt. Darunter ist die Sicht glasklar, sodass sich die Sonnenstrahlen wie Laserstrahlen durch die wenigen Öffnungen in den schwimmenden Algen schneiden. Was für eine tolle Fotoszene!
Natürlich geht es auf einer Reise von Franz Pramendorfer gar nicht, dass man eine Tour einfach nur mit einer Verabschiedung beendet. Bevor wir uns alle auf den Weg zurück nach Hause machen, besuchen wir nochmal eine Trattoria. Das Thema unserer Reise könnte auch »genussvolles Italien« lauten. Franz weiß wirklich zu leben und zu genießen. Auch wenn das Tauchen im Mittelpunkt dieser Abruzzen-Reise steht, so sind doch auch Kultur und Genuss sehr wichtige Aspekte. So macht Tauchen und Reisen wirklich Spaß!
Lust, dabei zu sein?
Autor Gerald Nowak kommt wieder.
Wer 2025 Lust hat, diese Reise zu machen, kann unter mehreren Terminen wählen, um das Abruzzen-Abenteuer selbst zu erleben.
Weitere Termine finden Sie bei Franz Pramendorfer auf der Internetseite.
Franz Pramendorfer:
www.flusstauchen.at
Reisekosten: 1690 Euro für Selbstfahrer. Es lohnt sich, mit Buddy zu fahren, da die Maut in Italien teuer ist.
Mehr Arbeiten unseres Fotografen & Autoren Gerald Nowak findet man hier:
https://www.cr-photo.de/