Biologie Wissen

Delfine nutzen die »Meeresapotheke«

Angela Ziltener 

Delfine haben eine empfindliche Haut. Sie reiben sich regelmäßig mit dem Schleim von Korallen und Schwämmen ein, um so Verletzungen und Pilzerkrankungen zu heilen.

T Ralph Schill

Vor 13 Jahren beobachtete die Meeresbiologin Angela Ziltener von der Universität Zürich und der Dolphin Watch Alliance, erstmals Delfine, die sich im nördlichen Roten Meer vor der Küste Ägyptens an Korallen rieben. Ihr und ihrem Team fiel auf, dass die Delfine sich nur an ausgesuchten Korallen rieben, und sie wollten verstehen, warum. Durch regelmäßige Besuche gewann sie im Laufe der Zeit das Vertrauen der Tiere vor der Küsten El Gounas und konnte ihr Verhalten weitgehend ungestört beobachten. 

Dabei zeigte sich, dass die Indopazifischen Großen Tümmler (Tursiops aduncus) durch das wiederholte Reiben an verschiedenen Korallen die winzigen Polypen, aus denen die Korallengemeinschaft besteht, aufrühren und diese Schleim freisetzen. Dieses bisher selten beobachtete Verhalten zeigten nicht nur einzelne Tiere, sondern wurde auch von den Delfinmüttern ihren Kinder gezeigt, so dass sich die nachfolgenden Generationen ebenfalls darin üben konnten. Schnell kam die Idee auf, dass sich die Indopazifische Großen Tümmler die biologisch aktiven Stoffe von Korallen und Schwämmen aus der natürlichen »Meeresapotheke« nutzt um Hautprobleme zu behandeln, so wie Menschen eine Salbe auftragen. »Ich hatte dieses Verhalten noch nie zuvor gesehen, und es war klar, dass die Delfine genau wussten, welche Koralle sie benutzen wollten«, so Angela Ziltener. 

Zusammen mit Jennifer Tersteegen und Franz Brümmer von der Forschungseinheit Biodiversität und Wissenschaftliches Tauchgruppe der Universität Stuttgart wurde bei den ägyptischen Behörden eine Sammelerlaubnis beantragt und das Ägyptische Umweltministerium genehmigt dies. Seitens der Nationalparkbehörde wurden die Tauchgänge und die Beprobung kontrolliert. Mit der entsprechenden Genehmigung tauchten die Wissenschaftler ab und sammelten von Gorgonien, Lederkorallen und Schwämme, an denen sich die Delfine zuvor gerieben haben, kleine Proben. 

An der Justus-Liebig-Universität in Giessen wurden die Proben analysiert und 17 biologisch aktive Substanzen mit antimikrobiellen, antioxidativen, hormonellen und toxischen Eigenschaften gefunden. Daher gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Delfine durch wiederholtes Reiben an den Korallen und Schwämme den Schleim auf ihre Haut auftragen und so das Mikrobiom, die Gesamtheit aller Mikroorganismen auf der Delfinhaut, reguliert, Infektionen behandelt und sogar vorbeugend wirkt. Über Franz Brümmer besteht seit vielen Jahren eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit auf dem Gebiet bioaktiver Metabolite zu Getrud Morlock von der Universität in Giessen, die früher an der Universität Hohenheim war. 

Diese spannende Forschung wurde vom ägyptischen Umweltministerium, den Rangern der Red Sea National Parks Authority, der Sawiris Foundation, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der TU Berlin, Campus El Gouna, der Dolphin Watch Alliance, dem Orca Dive Club El Gouna sowie Aqualung, Deutschland und Merck, Darmstadt, Deutschland unterstützt.