Aus Fehlern lernen

Ein vermeintlich ganz normaler Tauchgang

Wieder ein Fall aus der realen Taucherwelt: Schon ein kleiner Schluck Wasser kann tödlich sein. In unserem Fall ist die Taucherin mit dem Schrecken davongekommen.

Titel: Benjamin Schulze
Weitere: Shutterstock / Archiv

TEXT: Simone Kropmanns

Dezember 2022: eine Tagesboottour auf dem Roten Meer zum Außenriff Shaab Sheer Ost. Die äußeren Bedingungen könnten nicht besser sein: 28 Grad Lufttemperatur, 25 Grad Wassertemperatur, die Wasseroberfläche leicht bewegt. Der perfekte Tag also für diesen Bootstrip und optimale Bedingungen für einen großartigen Tauchgang auf maximal 15 Metern Tiefe.

Unser Boot lag im Bereich eines Korallenriffs. Ein wunderschöner Tauchplatz erwartete uns mit einer Sandstraße, die an Tunneln und kleinen Höhlen vorbeiführte. Wir starteten unseren Tauchgang wie immer mit einem Buddycheck und tauchten in einer kleinen Gruppe los. Die Sicht unter Wasser war spitze, und es herrschte kaum Strömung.

Ein erstes Highlight war ein wunderschön anzusehender Drachenkopf. Auch die Korallen mit Schnecken und Muränen begeisterten uns. Der Tauchgang verlief ganz normal mit klassischem Tauchprofil. Nur mussten wir den relativ hohen Luftverbrauch meines Buddies regelmäßig im Auge behalten, was aber an sich kein Problem darstellen sollte.

Schwierigkeiten

Nach der Erkundung eines Korallenblocks schon auf dem Rückweg nahm die Strömung dann merklich zu. Wir gingen automatisch auf acht Meter Tiefe und näher ran ans Riff. Doch der Luftverbrauch meines Buddies war stark angestiegen. Daher beschlossen wir, uns von der Gruppe zu trennen und zurück zum Boot zu tauchen.

Das aber sollte sich schwieriger gestalten als gedacht! Aus dem geschützten Tunnel raus ans Riff, an dem auf der Rückseite das Boot lag, ging es für uns unerwartet ordentlich zur Sache. Krasse Strömung! Wir mussten richtig paddeln, um gefühlt überhaupt einen Zentimeter vorwärts zu kommen.

Dadurch war der eh schon höhere Luftverbrauch meines Buddies gefühlt dann noch an die zehnmal höher als vorher. Und da wir uns bereits auf dem Rückweg befanden, waren in unseren Flaschen auch nicht mehr viel bar übrig. Aus 60 wurden ruckzuck 30 bar! So war uns klar, dass wir es tauchend nicht mehr zum Boot zurückschaffen würden. Auch nicht mit meiner Luft.

Also blieb uns nichts anderes übrig als einen kontrollierten Aufstieg durchzuführen, um danach an der Wasseroberfläche ans Boot zu schwimmen oder uns vom Zodiac abholen zu lassen. Das hatte wir auf der Tour mit dabei.

Wellengang unterschätzt

Souverän nach unserem kontrollierten Aufstieg an der Wasseroberfläche angekommen, hatte sich diese mittlerweile stark verändert. Jetzt herrschte ordentlich Wellengang. Das sollte uns aber erst mal noch nicht weiter stören, da das Boot schwimmend für uns in erreichbarer Nähe war. Und wir zudem auch das Zodiac sahen, das gerade andere Taucher einsammelte.

Noch völlig entspannt im Glauben, dass ich die Lage im Griff hatte, nahm ich meinen Atemregler aus dem Mund, um mit meinem Buddy beide Möglichkeiten zu besprechen. Wir dümpelten mit aufgeblasenen Jackets an der Wasseroberfläche und überlegten, ob wir auf das Zodidac warten oder in Rückenlage zum Boot schwimmen sollten. Unser Gespräch wurde vom Boot aus beobachtet. Da wir keinerlei Anschein erweckten, dass bei uns etwas nicht stimmte, waren sowohl die Bootscrew als auch die Gäste an Bord ebenfalls völlig entspannt.

Leider unterschätzte ich den starken Wellengang. Und ließ meinen Atemregler die ganze Zeit über aus dem Mund, was sich schließlich rächen sollte. Denn auf einmal erwischte mich eine große Welle. Ich habe dabei nicht nur einen ordentlichen Schluck Salzwasser zu mir genommen, sondern, wie sich später herausstellte, auch noch eine ordentliche Ladung inhaliert.

Mit kräftigem Hustenanfall beschloss ich mit meinem Buddy, nun doch in Rückenlage zum Boot zu schwimmen und nicht auf das Zodiac zu warten. Wie sich herausstellte, war das nicht mehr möglich. Denn sobald ich in Rückenlage kam, hatte ich das Gefühl, zu ertrinken. Mein Husten wollte sich einfach nicht mehr beruhigen. Die Luft blieb mir aufgrund des inhalierten Wassers regelrecht aus.

Ein schreckliches Gefühl! Langsam machte sich Panik in mir breit, weil ich dieses Gefühl überhaupt nicht kannte. Die Bootscrew erkannte dann zum Glück unsere Zwangslage. Sie warf uns eine Strömungsleine zu, damit wir abgeschleppt werden konnten. Denn aus eigener Kraft war mir mittlerweile gar nichts mehr möglich. Wie ein Korken dümpelte ich im Roten Meer.

Am Boot angekommen, wurde mir von allen Seiten geholfen. Ich war extrem außer Kraft und zu nichts mehr in der Lage. Endlich in Sicherheit an Bord, hörte ich beim Ein- und Ausatmen das laute Kettenrasseln meiner Lunge. Und alle, die drumherum standen, auch. Diagnose: Wasser in der Lunge!

Für mich das schlimmste Gefühl, das ich je hatte. Zwar wurde ich an Bord großartig erstversorgt. Doch die Bootstour zurück an Land kam mir ewig vor. Ich musste aufrecht sitzen, da ich im Liegen immer wieder das Gefühl des Ertrinkens bekam. Und das Kopfkino wurde auch nicht besser.

Ab zum Arzt

An Land angekommen, war der erste Weg zum Arzt, weil ich mir schon Gedanken gemacht hatte, wie schwer meine Lunge geschädigt war. Und was aus meinem Rückflug in zwei Tagen wurde? In so einem Zustand macht man sich ja über alles Gedanken. Und all das nur, weil man den Atemregler nicht im Mund gelassen hat. Man ärgert sich in so einer Situation über sich selbst am meisten.

Zum Glück war der Arzt sehr zufrieden mit der Erstversorgung an Bord des Tauchboots. Und in meiner Lunge war kaum noch Rasseln oder sonst Auffälliges zu hören. Mir sind da echt Wackersteine vom Herzen gefallen, und ich konnte die restlichen zwei Urlaubstage in Ägypten noch genießen. Zurück in Deutschland, war ich dann auch nochmal beim Arzt, um alles abchecken zu lassen. Mein Fazit: Glück gehabt! 

Das sagt der Experte: Prof. Dr. Claus-Martin Muth
Facharzt für Anästhesiologie und Notfallmedizin

»Bei dem hier geschilderten Fall handelt es sich tatsächlich schon um ein »Ertrinken«, das auch ganz anders hätte ausgehen können. Schon vergleichsweise geringe Mengen eingeatmeten Wassers können in der Lunge eine Reihe von Reaktionen auslösen, die bis zum Lungenversagen führen können.

In der maritimen Medizin ist das »Ertrinken an der Wasseroberfläche« bei Schiffbrüchigen wohlbekannt: Auch hier sind die Ursache Wellen und/oder das Einatmen von Gischt. Gerade bei Wellengang ist es daher für Tauchende sehr sinnvoll, den Atemregler an der Wasseroberfläche im Mund zu behalten.

Und vor allem auch, die Flasche nach dem Aufstieg noch nicht ganz leergeatmet zu haben. Auch der Schnorchel ist in solchen Fällen ein sehr sinnvolles Ausrüstungsteil und sollte daher beim Tauchen immer mitgeführt werden. Für die Ersthelfer bleibt hier nur: Oberkörper des Betroffenen hochlagern. Und Sauerstoffgabe. Wenn es richtig schlecht wird: Beatmung und gegebenenfalls Herzdruckmassage.«

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