Aus Fehlern lernen

Glück gehabt!

Mit dem maximalen Sauerstoff-Partialdruck ist nicht zu spaßen.

TAUCHEN Archiv

TEXT: André Truong

Der folgende Vorfall liegt schon einige Zeit zurück. Aber seine Auswirkungen auf das Taucherleben meines Stamm-Buddies und auf mich sind immer noch vorhanden.

Damals ging es fast jedes Wochenende zum Tauchen in einen Steinbruch der Lausitz. Die Tauchgänge waren meist um die 30 Meter tief und kratzten schon mal an der Nullzeitgrenze. Beide hatten wir jeweils gut 100 Tauchgänge an Erfahrung. Als der kommerzielle Tauchclub an unserem Stamm-See »Nitrox for free«, also Nitrox zum Luftpreis einführte, entschlossen wir uns zu einem entsprechenden Kurs, den wir dann auch gemeinsam belegten.

Das Nitrox wurde meist aus einem 32-prozentigen Nitrox Premix (fertige Nitrox-Mischung mit 32 Prozent Sauerstoffanteil) aus einer Kaskade gefüllt und gegebenenfalls nach der Partialdruckmethode mit reinem Sauerstoff getoppt. Dadurch schwankten die realen Mischungen in ihrem Sauerstoffanteil in geringen Grenzen – je nach Restmix und Fülltemperaturen.

1,6 bar Sauerstoffpartialdruck

Wie üblich, wurde nach jeder Füllung vom Taucher der tatsächliche Sauerstoffgehalt gemessen und dokumentiert. Am Tag des Unfalls hatte mein Buddy 34-prozentiges Nitrox und ich eine 32-prozentige Mischung in unseren 15-Liter-Monoflaschen. Wir bestimmten die maximale Tiefe (MOD) für einen maximalen Sauerstoffpartialdruck von 1,6 bar (Fehler 1). Für den 34er Mix gilt eine MOD von 37 Metern. Für mein 32er Nitrox liegt die MOD bei 40 Meter.

Damit planten wir einen Tieftauchgang in einem nahegelegenen Steinbruch. Ziel war – laut Karte – ein einzelner, mittig im See liegender Felsblock auf 36 Meter Tiefe. Wir ließen unsere Tauchcomputer im Luftmodus, um besonders konservativ zu tauchen. Das Anrödeln und Abtauchen lief routiniert. Ab 30 Meter Tiefe wurde es sehr dunkel, und die Wassertemperatur betrug, obwohl Sommer war, nur acht Grad Celsius.

Unsere starken Lampen und Trockentauchanzüge ließen jedoch keine Probleme aufkommen. Schließlich erreichten wir den Felsblock. Mein Buddy schwamm herum, und ich blickte auf den Felsblock. Bei der Kontrolle meines Tauchcomputers stellte ich eine Tiefe von 37 Metern oberhalb des Felsblocks fest (Fehler 2).

Tiefe mit Folgen

Mein Buddy war gerade an der Unterkante des Felsen, als ich feststellte, dass etwas nicht stimmte. Auf den Boden gesunken, sah ich einen nahezu konstanten Blasenstrom aus seiner zweiten Stufe aufsteigen. Sofort tauchte ich näher. Mein erster Gedanke war: Vereisung seines Atemreglers. Nur zu oft wurde davor gewarnt.

Näher dran stellte ich dann fest, dass mein Buddy hektisch atmete, und Wasser in seine Maske eindrang. Seine Gesichtszüge wirkten grotesk verfälscht, seine Augen waren weit aufgerissen. Eine Atemgasspende, die ich zunächst erwog, hätte bei der Verkrampfung seiner Gesichtsmuskulatur womöglich zum Ertrinken geführt. Ich suchte Kontakt zu seiner Schulter und signalisierte ihm, ruhig zu bleiben, um mit ihm aufzusteigen.

Sogleich ging es langsam höher. Zum Glück waren wir in Sichtweite einer Steilwand und konnten entlang dieser optischen Referenz unsere Wassertiefe verringern. Auf 22 Meter Tiefe war ein Felsvorsprung, an dem wir eine fünfminütige Pause einlegten. Die Symptome meines Buddies hatten sich inzwischen alle gebessert, und wir waren immer noch deutlich innerhalb der Nullzeit.

Auch der Atemgasvorrat war mit jeweils knapp 100 bar ausreichend. Die Pause auf 22 Meter Tiefe half, den Stress abzubauen. Danach tauchten wir über einem Felsplateau in fünf Meter Tiefe ruhig aus. Dabei beobachteten wir einige Barsche. Auch ein Hecht zeigte sich. 

Ursachensuche

Im Nachgang resümierten wir den Tauchgang und eruierten noch lange mögliche Ursachen. Der Tauchcomputer meines Buddies zeigte eine Maximaltiefe von 38 Meter. Damit war die MOD von 37 Meter bereits überschritten. In Rücksprache mit dem Tauchclub wurde uns bewusst, dass für Tauchgänge unter solchen Bedingungen eine MOD bereits bei einem Sauerstoffpartialdruck von 1,4 bar erreicht ist.

Das bedeutete für das 34er Nitrox meines Buddies eine maximale Tiefe von 31 Meter. Für mein 32er Nitrox hätte eine MOD von 33 Meter gegolten. Mit 37 bzw. 38 Meter Tiefe waren wir unterhalb dieser Grenze. Die an meinem Buddy beobachteten Symptome wurden von allen Tauchlehrern eindeutig als Sauerstoffkrampf interpretiert. Letztlich hat ihm das zeitnahe Auftauchen am besten geholfen.

Mein Buddy hatte noch lange nach diesem Vorfall Probleme mit dunkler und tiefer Tauchumgebung. Daher machten wir in der Folgezeit nur entspannte und flache Tauchgänge. Nach langsamer Steigerung konnten wir dann auch wieder tiefere Tauchgänge durchführen. Mit Nitrox ist mein Buddy jedoch nicht mehr getaucht. Wenn ich Nitrox verwende, stelle ich das Gemisch beim Tauchcomputer ein und wähle grundsätzlich einen maximalen Sauerstoffpartialdruck von 1,4 bar.

Fehleranalyse 


Fehler 1:
Im Sporttauch-Bereich gilt als absolute Obergrenze ein Sauerstoffpartialdruck von 1,6 bar. Diesen Grenzwert gilt es jedoch zu vermeiden, da bereits geringe Abweichungen wegen zusätzlicher körperlicher Belastung oder durch den Einfluss der Wassertemperatur zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber der Sauerstoff-Intoxikation führen können. Der empfohlene Bereich liegt zwischen 1,2 bis 1,4 bar PO2.

Fehler 2: Vor allem, wenn man in der Nähe von Grenztiefen taucht, wie hier die Tiefengrenze bezüglich MOD, muss die Tiefe stets kontrolliert werden. Zudem muss in solchen Bereichen das Buddy-Team funktionieren, was gegenseitiges Beobachten und minimale Abstände zueinander erfordert. Stets näher dran zu sein, hätte es erleichtert, Symptome beim Buddy schneller festzustellen und noch schneller zu reagieren.

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