Aus Fehlern lernen

Tieftauchen – Kursziel um jeden Preis?

Ein Tieftauchkurs-Erlebnis, wie es nicht sein sollte.
Ein Leser berichtet.

Alexander Kassler

TEXT: Andreas Haslberger

Mein Vater und ich hatten gemeinsam unser OWD-Brevet im Wolfgangsee und anschließend im Griechenland-Urlaub ein paar schöne Tauchgänge gemacht, sodass wir beide je 15 Tauchgänge im Logbuch hatten. Angefixt vom Tauchen beschlossen wir, mit dem AOWD weiterzumachen.

Dafür suchten wir uns einen Tauchlehrer aus der Gegend, bei dem wir die Theorie zu den fünf Spezialtauchgängen in abendlichen Theoriestunden absolvieren konnten. Neben uns beiden war noch ein Bekannter des Tauchlehrers dabei, der die Spezialtauchgänge schon absolviert hatte und nun noch die Theorie erledigte. Für die Tauchgänge fuhren wir anschließend an die kroatische Küste.

Vorabszenario

Der Eingewöhnungstauchgang und die ersten Kurstauchgänge in Kroatien am flachen Hausriff der Basis verliefen problemlos, sodass am Morgen des dritten Tages ein Tieftauchgang anstand. Nachdem wir noch einmal kurz die Theorie dazu wiederholt hatten, erklärte uns der Tauchlehrer, wie der Tauchgang ablaufen sollte.

Um den Effekt des Tiefenrauschs zu zeigen, hatte er ein Kinderspielzeug dabei, bei dem man verschiedene Formen durch die entsprechenden Öffnungen in eine Plastikbox werfen muss. Wir machten die Übung einmal an der Wasseroberfläche, zum besseren Vergleich mit Tauchhandschuhen, und der Tauchlehrer stoppte die Zeit.

Während des Tauchgangs

Für den Tauchgang selbst war geplant, entlang des flach abfallenden Grunds auf 35 Meter abzutauchen. Mein Vater, ich und je nach Zeit und Luftvorrat auch der Bekannte sollten die Übung mit der Plastikbox absolvieren. Anschließend wollten wir wieder am Grund entlang auftauchen.

Das Abtauchen auf 35 Meter Tiefe verlief problemlos, und ich startete mit der Übung, was erwartungsgemäß länger dauerte als an der Wasseroberfläche. Während mein Vater die Übung absolvierte, bemerkte ich, dass die Grundzeit auf meinem Computer bei zwei Minuten war. Ich machte den Tauchlehrer darauf aufmerksam.

Nachdem mein Vater die Übung beendete und meine Grundzeit nur noch eine Minute betrug, fragte der Tauchlehrer nach dem verbleibenden Luftvorrat. Sein Bekannter hatte noch 130 bar, ich 110 bar, mein Vater 90 bar. Dann gab der Tauchlehrer seinem Bekannten das Zeichen, die Übung auch zu absolvieren.

Mein Vater und ich waren darüber sehr verwundert, da Grundzeit und Luftvorrat eigentlich zum Aufstieg rieten. Wir trauten uns aber beide nicht, zu zweit aufzutauchen. Also blieben wir mit wenig Luft und ohne verbleibende Nullzeit weitere zwei bis drei Minuten auf 35 Meter Tiefe, was natürlich nicht gerade zur Entspannung und niedrigem Luftverbrauch beitrug (Fehler 1).

Auf dem Rückweg

Als wir uns endlich auf den Rückweg machten, zeigte mein Tauchcomputer einen Pflichtstopp von fünf Minuten auf drei Metern an. Was die Computer der anderen zeigten, weiß ich nicht. Wir tauchten am Grund entlang zurück Richtung Ufer. Da mein Vater den niedrigsten Luftvorrat hatte, blieb er neben unserem Tauchlehrer, und ich bildete ein Buddyteam mit dessen Bekannten.

Auf einer Tiefe von sieben Metern, als mein Luftvorrat noch 30 bar betrug, gab mein Vater dem Tauchlehrer das Zeichen »keine Luft«, und dieser reichte ihm seinen Oktopus. Doch es schien ein Problem zu geben, da mein Vater plötzlich ohne Vorwarnung ziemlich schnell an die Wasseroberfläche schwamm, und der Tauchlehrer ihm folgte (Fehler 2).

Von der Wasseroberfläche aus gab er uns beiden ein Zeichen, unseren Dekostopp, der noch drei Minuten betrug, sowie einen zusätzlichen Sicherheitsstopp zu absolvieren. Der Tauchlehrer und mein Vater verließen anschließend das Wasser, und ich war froh, dass wohl nichts Schlimmeres passiert war. Nachdem unsere Stopps vorbei waren, verließen wir ebenfalls das Wasser. Ich hatte noch 10 bar in der Flasche.

Das Problem

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass aus dem Oktopus des Tauchlehrers trotz Ausblasen keine Luft, sondern Wasser kam. »Da war innen was umgeknickt, das hätte ich an sich vor dem Tauchgang merken müssen«, so der Tauchlehrer. Mein Vater hatte also beim Wechsel auf den Oktopus Salzwasser geschluckt, konnte aber zum Glück noch selbst auftauchen.

An der Wasseroberfläche musste er sich wegen des Salzwassers mehrfach übergeben. Sein Tauchcomputer war nach dem Tauchgang gesperrt. Er wäre also wie wir alle dekompressionspflichtig gewesen. Der Tauchlehrer fragte ihn zwar nach möglichen Symptomen einer Dekompressionserkrankung, die mein Vater zum Glück alle verneinen konnte. Auf die Idee, bei der Basis nach 100-prozentigem Sauerstoff zu fragen, kam er aber nicht (Fehler 3).

So nicht!

Nachdem sich vor allem mein Vater von dem Schock erholt hatte und es ihm auch körperlich gut ging, lieh der Tauchlehrer bei der Basis einen Ersatzcomputer aus, und wir machten nach einer etwas längeren Mittagspause als sonst den zweiten Tauchgang des Tages: »Damit wir mit dem Kurs fertig werden«, so der Tauchlehrer (Fehler 4).

Obwohl wir beide es an sich besser wussten, den Ernst der Lage aber damals nicht erkannten, stimmten wir zu. Zum Glück war der zweite Tauchgang sehr flach, und es kam zu keinen weiteren Problemen. Inzwischen haben wir beide mehrere Hundert Tauchgänge. Aber ein derart fahrlässiges und verantwortungsloses Verhalten haben wir seitdem zum Glück nicht mehr erlebt, weder bei Guides und Tauchlehrern noch bei anderen Mittauchern.

Fehleranalyse

Fehler 1: Anscheinend gab es hier vorab zu wenig Kommunikation, was wann wie gemacht wird. Aber gerade das gehört zu einem Ausbildungstauchgang dazu! Am einfachsten wäre es hier gewesen, dem Tauchlehrer zu signalisieren, dass man ein paar Meter aufsteigt und dort wartet.

Fehler 2: Wie sich in der späteren Fehleranalyse zeigt, wurde hier ein grundlegender Fehler gemacht. Vor der Übergabe des Oktopus hätte dieser kurz gecheckt werden müssen. Noch besser und sinnvoller: Man übergibt in solchen Situationen den eigenen Atemregler, da man so sicher sein kann, dass dieser auch funktioniert.

Fehler 3: Auch wenn es »nur« noch drei Minuten Dekompressionszeit waren, die fehlten, sollte präventiv und gerade auch dann, wenn der Taucher sich nach dem Tauchgang übergibt, 100-prozentiger Sauerstoff gegeben werden. Ohne Wenn und Aber!

Fehler 4: Hier fehlt uns jedes Verständnis für die Situation. Diesem Tauchlehrer gehört die Lizenz entzogen. Der zweite Tauchgang hätte auf keinen Fall stattfinden dürfen! Schon gar nicht mit einem Leihcomputer, dem sämtliche Tauchgangs-Paramter des ersten Tauchgangs fehlen.

UNFALL PASSIERT! Schreib uns deine Geschichte an: redaktion@tauchen.de

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