Praxis Wissen

Rettungsübung 2.0

Missglückten Rettungsversuche von Trockentauchern und aktuelle Erkenntnisse, wie man vorgehen sollte.

Andreas Oest

T Frank Ostheimer

In einem großen Bergsee in den Österreich: Zwei deutsche Taucher in Trockentauchanzügen mit Doppelgeräten lassen sich an einer Steilwand in die Tiefe fallen. Auf 35 Meter ist die Steilwand zu Ende, vor Ihnen liegt ein kleines Wrack. Plötzlich findet sich ein Taucher in einem Blasenschwall wieder. Sein Atemregler ist vereist. Er dreht sein Ventil zu und wechselt auf den zweiten Atemregler. Alles in deutlichem Abstand zum Grund. Sein Partner erkennt die Situation und denkt noch: »Der hat es im Griff – alles gut«. Nur kurze Zeit später sackt sein Partner zu Boden, kommt auf dem Doppelgerät zum Liegen. Arme und Beine zeigen nach oben. Die Sicht ist nun bei Null. Der Helfer ist sofort zur Stelle, fühlt mit den dicken Handschuhen den Inflatorschlauch, drückt den Inflatorknopf und nichts passiert! Er versucht nun mit verschiedenen Methoden den Tauchpartner anzuheben, bis er letztendlich Luft in sein eigenes Jacket füllt. Das Team beginnt sich zu bewegen. Kurzer Aufstieg, Absacken, erneuter Aufstieg, wieder Absacken. Bis beim dritten Versuch die Rettung komplett aus dem Ruder läuft und der Verunfallte mit den Beinen voran nach oben schießt. Am Ende verstirbt ein Taucher. Fragen und Ratlosigkeit bleiben zurück. Gerichtsmediziner finden einen massiven Lungenriss, der zum Tode führte und offensichtlich in der letzten Phase des Aufstiegs in der Kopf-Tief-Lage passierte.

Wie an den beispielhaften Tauchgangsprofilen zu sehen ist (alle endeten tödlich), sind missglückte Eigen- oder Fremdrettungen keine Seltenheit. Auch Erfahrungen in speziellen Kursen fürs Kaltwasser im Trockentauchanzug decken sich leider mit den Unfalluntersuchungen. Ein Problem in der Tiefe: Aufstiegsversuche folgten, die oft mehrmals abgebrochen werden und dann kommt es zum unkontrollierten Hochschießen mit erheblichen Aufstiegsgeschwindigkeiten. Die Profile zeigen Geschwindigkeiten zwischen 30 und 70 Meter pro Minute. Wie kommt es zu diesen unkontrollierten Situationen? Versuche in speziellen Kursen und bei Tauchlehrerprüfungen brachten für Trockentaucher folgende Erkenntnisse und Handlungstipps:

  • Ein ohnmächtiger Taucher mit Doppelgerät oder Kreislaufgerät liegt fast immer auf dem Rücken, Beine und Arme ragen nach oben. Einige liegen auf dem Kopf und der ganze Körper ragte mit den Flossen zuerst nach oben.
  • Taucher mit Monogeräten liegen oft auf der Seite.
  • Um eine kontrollierte Rettung zu starten, muss sich der Helfer Bauch auf Bauch auf den Verunfallten legen und die Beine nach unten drücken. Es darf keinesfalls eine Kopf-Tieflage während des Aufstiegs entstehen, da sonst Luft in den Beinen nicht mehr entweichen kann.
  • Nur das Jacket des Verunfallten wird belüftet. Alle Versuche, auch den Trocki als Auftriebshilfe zu nutzen, scheiterten und sind gefährlich.
  • Auslassventil des Trockis beim Verunfallten zunächst öffnen und während des gesamten Aufstiegs auch darauf achten, dass die Luft aus dem Trocki des Verunfallten entweicht. An der Oberfläche angekommen aber unbedingt das Ventil wieder schließen. Leider gab es tragische Unfälle, bei denen die Taucher schon die Oberfläche erreichten, wieder absackten und doch ertranken.
  • Der Bleiabwurf ist zwar an der Oberfläche nach wie vor anzustreben, aber heute mit Back Plates und verschraubtem Blei oft nicht mehr realisierbar.

Üben, Üben, Üben

Rettungsübungen mit Trockentauchern sind kontrolliert machbar, bei jeder »Auffindepostion«. Man muss es nur üben. Das geht in jedem See mit einer Plattform oder mit festen Untergrund. Der »Verunfallte« lässt sich circa fünf Meter über der Plattform »fallen«. Er macht gar nichts mehr: keinerlei Trimm- oder Stabilisierungsversuche. Alle Muskeln lassen los – wie im Yoga. Aus einem austarierten Zustand leitet eine Ausatmung das Fallen ein. Sehr schnell dreht sich der Körper um die eigene Achse, manchmal wird sogar eine Kopf-Tief-Lage eingenommen und der Verunfallte erreicht in dieser Lage die Plattform. Wichtig: Der Tauchpartner begleitet den Fall und sichert die Übung ab. Die Rettung erfolgt wie oben beschrieben. Dabei ist es auch wichtig, es auch mal aus größerer Tiefe bis zur Oberfläche zu üben – freilich nur zu Beginn eines Tauchgangs ohne Vorsättigung.

Gemischte Gruppen


Eine besondere Herausforderung sind gemischte Tauchteams mit Kreislauftauchern (CCR) und »offenen« Tauchern (OC). Wenn ein Kreislauftaucher gerettet wird, kommt die Gegenlunge als zusätzlicher gasgefüllter Raum hinzu, dessen Volumen sich ebenfalls umgekehrt zum Umgebungsdruck verhält. Einfacher wird die Rettung damit nicht – auch hier gilt: Üben!

EINE BITTE!

Ein Unfallbericht hat uns besonders schockiert. Hierbei gelang es der Bestatzung des Rettungshubschraubers nicht, einen Trockentaucher mit Frontreißverschluss freizuschneiden, da der Reißverschluss auch mit der stabilen „Retterschere“ nicht zu durchtrennen war. Der lebensrettende Defibrillator und auch Zugänge konnten nur mit erheblichen Zeitverlust platziert werden. Der Taucher starb.

Nun unsere Bitte: Wenn Sie alte Trockentauchanzüge, besonders mit Frontreißverschlüssen haben, sind wir an Bilderserien beim Freischneiden des Tauchers (Brustkorps, Arme, Halsbereich) sehr interessiert .

Senden Sie das Material an: frank.ostheimer@vdst.de

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Unser Experte

Dipl.-Ing. Frank Ostheimer ist Ressortleiter Tauchtechnik im VDST und leitet seit 18 Jahren die VDST-Tauchlehrerprüfung.