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Delfinwatching – aber bitte richtig. Worauf Sie achten können!

Viele Menschen träumen davon, mit Meeressäugern zu schwimmen oder zu tauchen. Weltweit gibt es unzählige Tour- Anbieter, die diesen Traum wahr werden lassen. Aus mangelndem Wissen über die Gewohnheiten und Verhaltensweisen der Tiere können Delfin-Touren jedoch zu negativen Auswirkungen auf ganze Populationen führen.

Angela Ziltener

TEXT: Angela Ziltener

Delfine halten sich stets aus ganz bestimmten Gründen in gewissen Gebieten auf. Forschungsdaten zeigen, dass die Indopazifischen Großen Tümmler im Norden und die Spinnerdelfine im Süden Ägyptens nachts auf der Jagd sind. Tagsüber suchen sie Lagunen und Korallenriffe auf, um sich auszuruhen.

Korallenriffe bieten einen sehr guten Schutz vor anderen Meeresbewohnern, die den Delfinen gefährlich werden könnten wie zum Beispiel Haie. Zudem sind es Plätze, an denen sie spielen, sich ihren Sozialkontakten hingeben und ihre Jungen während der Schlafphase auch säugen. 

Es scheint, die Delfine seien wach – der Schein trügt

Die Meeressäuger schlafen nur mit einer Gehirnhälfte, während die andere wach bleibt und das gegenüberliegende Auge der schlafenden Gehirnhälfte geschlossen ist. Dadurch werden die lebenswichtigsten Funktionen aufrecht erhalten. Man kann das sehr gut beobachten, wenn die Tiere unterwegs sind.

Delfine schlafen nicht in Ruhestellung, sondern sind in größeren Gruppen nahe beieinander und während sie mit erhöhtem Tempo unterwegs sind. Durch das Schwimmen in einer Gruppenformation sind sie beim Schlafen besser vor Feinden geschützt. Gleichzeitig halten sie Kontakt untereinander. Dabei suchen sie alle zwei bis drei Minuten miteinander die Wasseroberfläche auf, um zu atmen. Es scheint daher so, als seien die Delfine wach. Doch der Schein trügt. 

Unglücklicherweise fallen Schlafen sowie weitere soziale Aktivitäten häufig mit den Terminen zusammen, zu denen die Delfin-Touren für Touristen angeboten werden. Beispielsweise schlafen die Delfine, während Touristenboote ihnen hinterherfahren und ihnen  den Weg abschneiden. Dabei springen ungeschulten Schnorchler nicht selten mitten in die Gruppen der Tiere hinein. Das setzt diese unter enormem Stress.

Erstaunliche Toleranz

Auch kommt es immer wieder zu Bootskollisionen mit den ruhenden Meeressäugern. Niemand hat es gern, wenn mitten in der Schlafphase ganze Wagenladungen von Bussen ins Schlafzimmer springen und großen Lärm verursachen. Gleichzeitig ist es schwierig, die »Kinder« ins Bett zu bringen, wenn draußen »Ramba Zamba« herrscht. Da werden wir Menschen sehr schnell aggressiv.

Delfine hingegen scheinen über eine erstaunliche Toleranz uns gegenüber zu verfügen und reagieren selten aggressiv. Allerdings besteht natürlich das unkalkulierbare Risiko, dass sie sich bedroht fühlen oder es ihnen einfach zu viel wird. In solchen Fällen reagieren sie auch Menschen gegenüber aggressiv, was schnell zu gefährlichen Situationen führen kann.

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Die reduzierte Mimik der Delfine (zum Beispiel wird durch die nach oben gebogenen Mundwinkel ein «Lächeln» suggeriert) führt dazu, dass sie von uns Menschen als »fröhliche, friedliche Tiere« missverstanden werden. Selbst wenn Delfine kämpfen, aggressiv sind oder drohen, erscheinen sie uns immer noch »freundlich«.

Ein offenes Maul zum Beispiel, eine »s-förmige« Körperhaltung des Delfins, auch »shark position«  genannt, oder Flossenschläge (»tail slaps«) an der Wasseroberfläche weisen konkret auf ein Warnsignal hin. Diese Drohgebärden sollten nicht ignoriert werden. Mit einem Gewicht von bis zu 290 Kilogramm und einer Länge von bis zu 2,70 Meter sind sie keinesfalls ein zu unterschätzender Gegner. Auch ist bekannt, dass die Männchen der Großen Tümmler mit mehreren Männchen Allianzen bilden, um ein Weibchen zu monopolisieren, und sie dann mehrere Tage entführen. 

Keine Kuscheltiere

Delfine dürfen trotz ihrer Toleranz, Intelligenz und Neugierde nicht unterschätzt werden. Das heißt nicht, dass wir uns vor ihnen fürchten müssen. Doch ein gesunder Respekt muss vorhanden sein. Zudem können wir die Meeressäuger mit falschem Verhalten ihnen gegenüber aus ihrem Gebiet verdrängen.

Wenn das täglich geschieht, hat das negative Folgen für die Tiere, wie zum Beispiel für die Delfine vor Hurghada. Sie müssen sich neue Schlafplätze suchen, doch diese dürfen nicht zu weit von der Nahrungsquelle entfernt sein, auf die sie angewiesen sind. Die Population der Tiere kann durch den verursachten Stress über eine längere Zeit sogar abnehmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir Gäste im Meer sind und sollten uns dementsprechend respektvoll gegenüber den Meerestieren verhalten. 

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INTERVIEW

TAUCHEN sprach mit Angela Ziltener, Meeresbiologin und Gründerin der Dolphin Watch Alliance, die seit mehr als zehn Jahren die indopazifischen Großen Tümmler (Tursiops aduncus) im ägyptischen Roten Meer erforscht.

TAUCHEN:
»Angela, warum bist du nach Hurghada gekommen?«

AZ:
»Ich kam im Jahr 2004 das erste Mal nach Hurghada, tauchte über eine längere Zeit mit den wilden Delfinen dort und erkannte sofort, dass dieses Taucherlebnis einzigartig war. Als Forscherin ist es nicht leicht, Wale und Delfine unter Wasser zu beobachten, die meiste Forschung geschieht vom Boot aus. Ich entschloss mich deshalb, nach meinem Biologiestudium nach Hurghada zu ziehen, um gemeinsam mit einem ausgesuchten Team ein Delfinforschungsprojekt zu starten.« 

TAUCHEN:
»Was ist die Dolphin Watch Alliance, und wie entstand sie?«

AZ:
»Die Dolphin Watch Alliance ist eine schweizerische NGO, die sich für die Aufklärung und den Schutz von Meeressäugern engagiert und vor Hurghada und El Gouna die Indopazifischen Großen Tümmler erforscht. Da Schwimmen mit Delfinen ein beliebtes Touristenprogramm in Hurghada und Umgebung ist, lag es nahe, zu erforschen, in welcher Weise sich die Delfine mit den Touristen arrangieren. Als mein Team und ich erkannten, dass die Delfine die Riffe hauptsächlich zum Schlafen aufsuchen, musste reagiert werden, indem alle Tauch- und Schnorchelanbieter vor Ort aufgeklärt wurden.

So entstand ein lokales Aufklärungs- und Schutzprojekt namens »Care for Dolphins«. Um dieses Projekt finanziell unterstützen zu können, gründeten wir die Dolphin Watch Alliance. Unser Ziel ist die Ermöglichung einer respektvollen und regulierten Begegnung zwischen Mensch und Tier in der freien Natur. Mit dem Aufklärungsprojekt und in Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen und Behörden bauen wir in Ägypten schrittweise einen nachhaltigen Delfintourismussektor auf.«

TAUCHEN:
»Was habt Ihr bisher erreicht?«

AZ:
»Damit die Delfine weiterhin im Roten Meer und um die Regionen Hurghada und El Gouna bleiben können, hat die Dolphin Watch Alliance zusammen mit anderen Organisationen einen Verhaltenskodex, den »Code of Conduct« erarbeitet. Auch wurden aufgrund unserer Forschungsarbeiten bestimmte Riffgebiete im nördlichen Roten Meer als wichtige Meeressäugerschutzgebiete (die sogenannten IMMA – Important Marine Mammal Areas) erklärt. Die Korallenriffe sind nicht nur wichtige Schlafplätze für die Delfine. Sie sind auch ein essentielles Zuhause für viele andere Meeresbewohner, auf die wir Acht geben und uns dementsprechend respektvoll verhalten müssen.«

Weitere Infos: www.dolphinwatchalliance.org

© Dolphin Watch Alliance