Aus Fehlern lernen Praxis Wissen

Aus Fehlern lernen: Blindes Vertrauen

Archiv TAUCHEN

 T Marco Furtner 

Wir hatten im Januar unseren AOWD in Thailand absolviert, im Sommer ein paar Tauchgänge am heimischen See durchgeführt und wollten mit unseren zirka 25 Tauchgängen eine coole Woche in Ägypten verbringen. Am dritten Tauchtag waren wir mit einem Guide und zwei weiteren Tauchern zu zwei Bootstauchgängen unweit der Tauchschule aufgebrochen. Der erste Tauchgang verlief problemlos: 29 Grad Wassertemperatur, ein einsames Riff und viel zu sehen. Wieder an der Oberfläche wurden wir gelobt für den geringen Luftverbrauch, was will man mehr? Logisch, noch einen Tauchgang! Also wieder rein ins Wasser und weiter getaucht, diesmal etwas tiefer (Fehler 1), der Guide wollte uns einen Hai zeigen, den er hier an einer bestimmten Stelle schon öfter gesehen hatte. Wir also hinterher, denn er als erfahrener Taucher wusste er ja, was er tut (Fehler 2). Dass wir geradewegs in unseren ersten dekompressionspflichtigen Tauchgang steuerten, war uns nicht direkt bewusst. Aber wir hatten ja eine vermeintlich professionelle Führung dabei, die schon wissen würde, was wir tun. Den Hai haben wir zwar nicht gesehen, dafür aber unsere zwei Begleiter, die samt Guide (Fehler 3) nach drei Minuten Safety-Stop das Wasser verliessen und wieder an Board gingen, während wir noch fünf Minuten Dekozeit auf dem Computern stehen hatten. Da wir uns (glücklicherweise) hier dazu entschieden, auf unsere Computer zu hören und die Deko einzuhalten, dauerte es nicht lange und unser Guide kam wieder ins Wasser gesprungen und war relativ überrascht über unsere Dekozeit. 

Nachdem wir auch laut unseren Computern wieder an Board gehen durften, sprachen wir den Guide auf den Tauchgang an und fragten was da los war. Seine Antwort: Unsere Computer sind zu konservativ, er kenne schließlich den Tauchplatz und es wär kein Deko-Stopp notwendig gewesen. Diese Aussage war uns zwar etwas suspekt, aber er war ja in unseren Augen der große Taucher, dem wir blind folgen würden. Die beiden anderen wussten übrigens nicht ob, sie ihre Nullzeit überschritten hatten, da sie ohne Tauchcomputer unterwegs waren. Zwar verwundert, aber nicht abgeschreckt, buchten wir am Abend gleich zwei weitere Tauchgänge für den nächsten Tag. 

Erneut waren wir mit dem gleichen Guide und zwei anderen Tauchern, welche am Vortag nicht tauchen waren unterwegs. Der erste Tauchgang verlief wieder relativ normal, abgesehen davon, dass sich unsere Nullzeit beträchtlich schneller verringerte, als die unserer Mittaucher. Während der Oberflächenpause besprachen wir den zweiten Tauchgang: maximal 55 Minuten und nicht tiefer als 20 Meter. Alle waren einverstanden. Also, bereit gemacht und ab ins Wasser. 

Es begann dann alles wie immer: viel Fisch, viel Koralle, gute Sicht. Bis der Guide immer tiefer ging.  Aus den besprochen 20 wurden schnell 30, dann 40 Meter. (Fehler 4) Bei 44,5 Metern nahm das Vertrauen in unseren Guide schließlich endgültig ein Ende und wir streikten. Er wollte zwar augenscheinlich noch tiefer, kam aber wieder zurück, als er bemerkte, dass ihm niemand mehr folgte. Wir stiegen alle gemeinsam wieder auf, während die Deko-Zeit rasant zunahm. Nach drei Minuten Safety-Stop sprang der Guide aus dem Wasser, unsere beiden Begleiter blieben noch ihre acht Minuten Deko bei uns und verliessen dann ebenfalls das Wasser. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch 18 Minuten auf drei Metern vor uns. Der Guide kam zwar nach einiger Zeit wieder ins Wasser, um nach uns zu sehen, eine Notfallflasche war aber nicht vorgesehen. Hier hatten wir Glück, dass wir trotz unserer geringen Erfahrung wirklich gut mit der Luft haushalten konnten. Nach insgesamt 84 Minuten hatten wir beide noch über 30bar im Tank. Unsere Begleiter nach  66 Minuten nur noch  5bar. Zu wenig, wären sie am Tag davor mit uns ebenfalls schon unterwegs gewesen und ebenfalls 26 min Deko gehabt. Die Ausrede des Guides für dieses lebensbedrohliche Abenteuer: Er wurde seine Gäste nicht in Gefahr bringen, da er die Tauchplätze schließlich alle kenne und zu jeder Zeit wisse wie tief man wo ist. Aus diesem Grund müsse er auch nicht auf seinen Computern achten, zumal dieser sowieso kaputt sei (Fehler 5). Danach ging es einfach wieder zurück zur Basis. Was wir nach wirklich sehr vielen Gesprächen unter uns und mit anderen Tauchern aus diesem Urlaub gelernt haben: »Vertraue niemandem blind, sei immer reflektiert und kritisch. Am Ende bist du selbst für dich verantwortlich! Bleib in deinen Limits, ohne Ausnahme. Plan your dive, dive your plan! Auf österreichisch: Sei ned deppad!«  

Fehleranalyse

Fehler 1: Grundsatz gesunder und sicherer Tauchgänge ist und bleibt, dass der erste Tauchgang immer der tiefere (Maximaltiefe an einem Tag) bei mehreren Tauchgängen sein sollte.   

Fehler 2: Eigenverantwortliches Denken steht immer vor blinden Gehorsam. Einfach den Guide die eigenen Bedenken klar und deutlich signalisieren und zur Not den Guide im Sichtfeld »in die Tiefe ziehen lassen«. 

Fehler 4: Der Guide bleibt normalerweise bis zum »letzten Taucher« mit im Wasser. 

Fehler 5: Geht der Tauchgang in eine »ungeplante« Richtung, sollte man sich selbst treu bleiben und dem eigenen Plan und zur Not den Blasen des Guides aus der Tiefe folgen. 

Fehler 6: Auch wenn es »Mut« erfordert, fragen Sie den Guide nach seiner Ausrüstung, deren Funktionsfähigkeit und schauen Sie sich die Ausrüstung an. Derlei kann man auch subtil und »versteckt« machen – vorausgesetzt man hat selbst Ahnung.    

Aus Sicht des Experten 

»Positiv an dem Bericht ist, dass die Taucher in Thailand ihren AOWD mit 25 Tauchgängen absolviert haben und daher schon einen guten Einblick in das Tauchen bekommen haben. Leider werden seit einiger Zeit auch AOWD-Taucher mit neu bis 12 Tauchgängen brevetiert und haben leider nicht die Qualität der hier involvierten Taucher. Der Fisch fängt am Kopf anzustinken und kann im übertragenen Sinn auf den Guide fatale Folgen haben. Hier fragt sich zunächst, wer setzt einen solchen unfähigen und arroganten Guide ein? Wäre der Guide ein Pilot in einem Flugzeug gewesen, dann wäre das Flugzeug abgestürzt. Unverständlich ist, dass trotz der Erfahrung der Taucher mit dem Guide, sie weiter mit im getaucht sind. Die Konsequenz aus den ersten Erfahrungen hätte sein müssen, erstens nicht mehr mit ihm zu Tauchen und zweitens die Tauchsportorganisation darüber zu informieren, der dieser Guide angehört. Die nachträgliche Reflexion der Taucher war gut, da ihnen so etwas vermutlich nicht mehr passiert. Sehr positiv ist festzustellen, dass der überwiegende Teil der Guides und Tauchlehrer sehr verantwortungsvoll handeln!« 

Thomas Kromp, Ausbilder für Instructor-Trainer und Kurs-Direktoren bei NASDS (www.nasds.com).