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Was ist eigentlich … Sparatmung?

Hier erklären wir die tauchmedizinische Bedeutung hinter wissenswerten Begriffen. Heute: SPARATMUNG.

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TEXT: Prof. Dr. med. Claus-Martin Muth & Prof. PD Dr. med. Tim Piepho |

Von außen wirkt es ruhig und kontrolliert. Ein tiefer Atemzug, dann Stille. Kein Blubbern, kein Geräusch – nur ein stiller Gedanke: »So verbrauche ich weniger.« Diese Technik, die viele Taucher unbewusst oder sogar gezielt einsetzen, nennt sich »Sparatmung«. Doch das, was zunächst nach einem cleveren Kniff klingt, hat einen physiologischen Haken. Denn wer unter Wasser regelmäßig nach dem Einatmen die Luft anhält, riskiert nicht nur Migräne und Übelkeit, sondern auch gefährliche Situationen – bis hin zum Notaufstieg.

»Atemgas ist zum Atmen da. Wer weniger Atemgas verbrauchen möchte, macht das nicht über die Sparatmung, sondern durch Training und Tauchgangs-Optimierung.«

CO₂ als Auslöser: der eigentliche Übeltäter

Die Ursache liegt in einem erhöhten CO₂-Gehalt im Blut. Anders als Sauerstoff ist Kohlenstoffdioxid der zentrale Trigger für unseren Atemantrieb (Quelle). Wird zu wenig geatmet, steigt der CO₂-Partialdruck im Körper. Die Folge: Die Gefäße – insbesondere die im Gehirn – weiten sich. Der intrakranielle (innerhalb des Kopfes – Anm. d. Red.) Druck steigt, Kopfschmerzen setzen ein. Viele Taucher berichten von migräneartigen Schmerzen, die mitunter stundenlang anhalten, selbst nach dem Auftauchen. Medikamente helfen in diesen Fällen kaum.

Parallel dazu aktiviert der Körper das Stresssystem. Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet – mit gleich mehreren negativen Konsequenzen: Der Puls steigt, der Sauerstoffverbrauch ebenfalls, und die psychische Belastung wächst. Es kann zu Schwindel, Angstgefühlen oder sogar Panikreaktionen kommen. Die Luft, die man zuvor »gespart« zu haben glaubte, ist schneller verbraucht als gedacht (Quelle).

Wenn der Brechreiz unter Wasser kommt

Besonders gefährlich wird es, wenn sich durch den erhöhten Hirndruck auch das Brechzentrum im Gehirn meldet. In seltenen Fällen tritt unter Wasser so starke Übelkeit auf, dass Taucher erbrechen müssen. Ein unkontrollierter Brechreiz in der Tiefe – das ist eine der potenziell bedrohlichsten Situationen, die es unter Wasser geben kann. Wer dadurch in Panik gerät, evtl. auch noch desorientiert wird ist oder das Atemregler-Mundstück verliert, riskiert das Schlimmste.

Training statt Luftanhalten

Die Lösung ist ebenso einfach wie konsequent: Bedarfsgerecht atmen. Denn der Versuch, durch Luftanhalten länger unter Wasser zu bleiben, führt fast immer zu physiologischen Gegenreaktionen – und damit zu höherem Verbrauch. Wer wirklich sparsamer mit seiner Luft umgehen will, sollte an Bewegungsökonomie, Tarierung, Flossentechnik und Kondition arbeiten. Im Laufe der Zeit normalisiert sich die Atmung – ganz automatisch. Eine große Rolle spielt auch das persönliche Wohlbefinden: Wer sich unter Wasser wohlfühlt, atmet ruhiger und gleichmäßiger. Das alles wird in der Regel durch mehr Tauchzeit verbessert.

Natürlich gibt es individuelle Unterschiede. Manche Menschen haben von Natur aus einen höheren Luftverbrauch – das ist kein Fehler, sondern Biologie. In solchen Fällen hilft eine größere Flasche mehr als Druck von außen. Keine falsche Scham – einfach mehr Luft mitnehmen, wer mehr Luft benötigt.

Der richtige Rat

Tauchlehrer und Guides sollten ihre Schüler und Gäste nicht zu bewusstem Luftsparen auffordern – sondern auf einen ökonomischen Schwimmstil, gute Ausrüstungskontrolle und entspannte Gewöhnung an das Medium Wasser setzen. Die wichtigste Regel lautet:
„Atme unter Wasser so, dass du dich wohlfühlst. Ist die Flasche leer, tauch auf.“

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