Text: Nik Linder | Die Kraft der Atmung
In dem ersten Teil dieser Serie erklärte unser Autor Nik Linder, wie man mithilfe der richtigen Technik Teil der Unterwasserwelt wird. Beim Schnorcheln bedeutet weniger Ausrüstung weniger Ablenkung. Aber auch kaum technische Unterstützung. Das muss kein Nachteil sein. Denn unser Körper kann mehr leisten, als wir für möglich halten.
Alles okay? Ja, alles okay! Abtauchen? Ja, abtauchen! Es wird ausgeatmet, und langsam geht es mithilfe des ebenfalls Luft abblasenden Deflators in die Tiefe. So oder so ähnlich taucht ein Buddy-Team im Scuba Diving ab. Ganz anders sieht das beim Schnorcheln aus: einatmen, Duckdive und runter geht’s – wie wir es im zweiten Teil dieser Serie gelernt haben.
Beim Schnorcheln spielt die Atmung eine wichtige Rolle. Sie sorgt dafür, Luft einzuatmen, um den Körper mit Sauerstoff zu versorgen. Atmen Sie bewusst und eher langsam, so sorgen Sie für mehr Ruhe und einen niedrigen Puls. Für den Schnorchler ist die Lunge eine Kombination aus Tarierjacket und Pressluftflasche. Der Vorteil: Sie brauchen kein neues Jacket oder eine größere Flasche kaufen, wenn Sie mehr Auftrieb brauchen oder länger tauchen wollen. Der Nachteil: Sie können sich keine zusätzliche Lungenkapazität kaufen, sondern müssen sie erschließen.
Alles eine Frage der Atmung
Um lange abtauchen zu können, müssen Sie einen möglichst tiefen letzten Atemzug nehmen. Das bedeutet einerseits mehr Auftrieb, andererseits längere Tauchgänge. Denn ähnlich wie beim Tauchen mit Tauchgerät gilt: Wer mehr Luft zur Verfügung hat, kann länger unten bleiben.
Youtube-Kanal findet Ihr
die Bauch- und Vollatmung.
Wie kann man mehr einatmen?
Ein tiefer und voller Atemzug gelingt dann, wenn man zunächst in den Bauch atmet. Mit der Einatmung senkt sich das Zwerchfell ab, und der Bauch wölbt sich dabei nach außen. Bei der reinen Bauchatmung sollte sich der Brustkorb nicht bewegen. Mit der Einatmung wölbt sich der Bauch nach außen, mit der Ausatmung flacht der Bauch wieder ab.
Die Bauchatmung hat zwei Vorteile: Nur wer zuerst in den Bauch atmet, kann im Anschluss das volle Potential der Lunge ausnutzen, um eine Vollatmung zu machen. Atmen Sie ruhig und langsam in den Bauch. Atmen Sie so, als ob Sie schlafen und signalisieren Sie so Ihrem Nervensystem, dass alles in Ordnung ist. Dadurch wird sich eine innere Ruhe in Ihnen ausbreiten.
Dann die Vollatmung: Nachdem sich nach einem tiefen Atemzug der Bauch nach außen wölbt, atmen Sie nun in den Brustkorb. Die Schultern können sich dabei leicht anheben. Kurze Atempause, und dann wieder langsam ausatmen. Keine Sorge, die Reihenfolge zuerst in den Bauch und dann in den Brustkorb ist nur bei der Einatmung wichtig.
Atemtraining für mehr Lungenkapazität
Ob Ihre Lunge groß oder klein ist, darauf haben Sie wenig Einfluss. Größere Menschen haben meist eine große Lunge, kleine Menschen eine eher kleine. Viel wichtiger ist, wie viel nutzbares Volumen, die Vitalkapazität, Sie aus Ihrer totalen Lungenkapazität schöpfen können. Um möglichst viel davon zu haben, können Sie tief und vollständig einatmen, aber auch komplett ausatmen.
Eine gute Übung, um das Einatem-Reserve-Volumen möglichst vollständig zu erschließen, ist die Aufladeübung aus dem Yoga: Stehen Sie dazu möglichst aufrecht und in geöffneter Haltung, die Hände unterhalb des Nabels ineinander gelegt. Beginnen Sie die Vollatmung, indem Sie zunächst in den Bauch atmen. Mit der Einatmung nehmen Sie die Arme mit nach oben. Wenn der Bauch voll ist, atmen Sie weiter in den Brustkorb.
Voll eingeatmet führen Sie die Hände über dem Kopf zueinander, wobei die Finger ineinander greifen. Drehen Sie die Hände einmal, sodass die Handflächen zur Decke zeigen. Voll eingeatmet halten Sie den Atem an und stretchen sich einmal nach links und einmal nach rechts. Anschließend atmen Sie doppelt so langsam aus, wie Sie eingeatmet haben. Die Hände sinken dabei nach unten und kommen in die Ausgangsposition unterhalb des Nabels wieder zusammen.
Während bei der Bauchatmung vor allem der Haupt-Atemmuskel, das Zwerchfell, aktiv ist, wird bei der Aufladeübung die ebenfalls wichtige Zwischenrippenmuskulatur gestretcht. Da Sie im Alltag nur einen kleinen Teil Ihrer Lunge nutzen, führt dieses Stretching dazu, dass Sie besser, freier und tiefer einatmen können.
Diese Übung ist daher ein perfektes regelmäßiges Atemtraining, um mehr Volumen nutzbar zu machen. Und sie ist sehr gut geeignet, um die Lunge auf einen Schnorchelausflug vorzubereiten. Bei dieser Übung kann es allerdings zu Schwindelgefühlen kommen. Sollte Ihnen schwindelig werden, setzen Sie sich kurz hin und warten Sie, bis das Gefühl nachlässt.
Atmen für entspannte Schnorchelausflüge
Es gibt nichts Entspannenderes, als sich auf der Wasseroberfläche vom leichten Wellengang hin und her schaukeln zu lassen und dabei mit Muße zu beobachten, was unter einem passiert. Ich atme dabei ruhig und langsam durch den Schnorchel in den Bauch. Doch nicht nur die Bauchatmung beruhigt und entspannt, auch die langsame Ausatmung lässt unseren Puls sinken.
Versuchen Sie es selbst: Atmen Sie langsam und tief ein, halten Sie den Atem für einige Sekunden an und atmen Sie dann doppelt so langsam aus. Haben Sie einen Pulsmesser, so erkennen Sie, wie schnell sich der Herzschlag verringert und Sie sich entspannen.
Von Bienen und Walen
Im Yoga gibt es die Bienenatmung. Man atmet ein und nach einer kurzen Atempause atmet man summend aus. Beim Schnorcheln kann man so, ganz ähnlich wie ein singender Wal, die Ausatmung verlangsamen, indem man ein Lied summt.
Ohne-Luft-Situation
Die Ausflüge in die Tiefe sind beim Schnorcheln zwar unkompliziert und einfach, aber kürzer als beim Gerätetauchen. Während man dort eine ganze Menge an frisch gepresster Luft in einer Stahl- oder Aluflasche mitschleppen darf, hat man als Schnorchler nur einen tiefen Atemzug zur Verfügung. Zwar kann man viel länger die Luft anhalten, als man glaubt. Aber irgendwann ist man doch gezwungen, wieder aufzutauchen und zu atmen.
Tipp: Atmen Sie langsam ein und erst nach einer kurzen Atempause doppelt so langsam aus. Eine langsame Atmung verhindert eine unbewusste Hyperventilation. Bei dieser Art der »Mehratmung« wird CO₂ abgeatmet, der Herzschlag beschleunigt und die Versorgung mit Sauerstoff erschwert. Nachteil: veränderte Atemsteuerung aufgrund des niedrigen CO₂-Spiegels, der Sauerstoffbedarf steigt und die Sauerstoffversorgung verschlechtert sich.
Um sich wieder schnell mit Sauerstoff zu versorgen, atmen Apnoeisten aktiv und schnell ein und halten den Atem für einen Moment an, bevor sie gegen den Druck der Lippenbremse ausatmen. Das »Hookbreathing« wiederholen Sie dreimal und wechseln wieder auf den Schnorchel. Diese Erholungsatmung sorgt dafür, sich schnell mit Sauerstoff zu versorgen. Geben Sie Ihrem Körper nach einem Ausflug in die Tiefe genug Zeit an der Oberfläche, um ihn wieder mit Sauerstoff zu versorgen.
Stretching
Die Lunge spielt eine ganz wichtige Rolle. Aber das dynamische Bewegen mithilfe von Flossen im Wasser sorgt für Belastung in Muskeln, Sehnen und Gelenken. Schnorcheln ist meist eine entspannende Entdeckungsreise im Wasser, in der Sie auf schonende Weise Ihre Muskeln und Ihre Ausdauer trainieren können. Noch besser gelingt es Ihnen, wenn Sie die Muskeln vorher entsprechend vorbereiten.
Am Ende des Tages
Die letzten Sonnenstrahlen verschwinden im Meer. Ohne groß darüber nachgedacht zu haben, haben Sie heute beim Schnorcheln Ihre Lunge, Ihre Muskeln und Ihre Ausdauer trainiert. Dabei haben Sie feine Salzaerosole eingeatmet und dadurch Ihre Atemwege gepflegt, sowie die Freiheit und Leichtigkeit aufgrund der minimalen Ausrüstung genossen. Mit jedem Abtauchen haben Sie dabei Ihre Technik verbessert. Ihre Ausrüstung war dabei überschaubar. Und dass Sie heute Abend großen Appetit haben und später sehr gut und tief schlafen werden – das haben Sie sich selbst verdient.
Ausblick
In der folgenden Ausgabe richten wir unser Augenmerk auf die Sicherheit. Für viele ist ein erster Schnorchelausflug die Initialzündung, um sich künftig für das Tauchen, egal ob mit oder ohne Tauchgerät, zu begeistern. Für andere entwickelt sich der erste Ausflug dieser Art zum Horrortrip. Damit Ihr Ausflug kein traumatisches Erlebnis wird, geben wir Ihnen im vierten Teil unserer Serie nötige Sicherheitstipps.