Praxis Wissen

Gewohnheiten und Vorsätze fürs neue Jahr bewusst gestalten

Rekord-Apnoetaucher und Entspannungstrainer Nik Linder erklärt, warum Gewohnheiten wichtiger sind als große Vorsätze und wie Ziele realistisch, entspannt und nachhaltig erreicht werden können.

Titel: Holger Hambrecht
Weitere: Phil Simha

Text: Nik Linder – Gewohnheiten und Vorsätze

Seit 2020 schreibe ich Tagebuch. Bis dahin habe ich Menschen beneidet, die sich regelmäßig ein paar Minuten nahmen, um ihre Gedanken aufzuschreiben. Meine Cousine Petra war so eine Person, und wenn ich mit ihr Zeit verbrachte, fuhr ich mit dem Vorsatz »Das mache ich jetzt auch« nach Hause. Doch nach wenigen Tagen war die Begeisterung verflogen – nicht zuletzt, weil ich nicht wusste, was ich eintragen sollte.

Meine Motivation, fünf Minuten lang unter Wasser die Luft anzuhalten, war riesig. So konnte ich schon nach einigen Wochen dieses Ziel erreichen.

Viele Jahre später, während der Corona-Pandemie, begann ich dann doch mit dem Tagebuchschreiben und einer Liegestütz-Challenge mit meinen Kindern. Anfangs schaffte ich kaum fünf, nach einigen Monaten 50. Meine Kinder hatten da längst aufgegeben.

Gewohnheiten

Bis heute führe ich beides fort. Die Arme sind zwar nicht dicker geworden, doch meine Haltung hat sich verbessert, und die Rückenschmerzen verschwanden. In mein Tagebuch schreibe ich täglich ein paar Zeilen. Beides kostet mich nur zehn bis 15 Minuten – wertvolle Zeit für mich, selbst in stressigen Phasen.

Am Jahresende begann ich, Ziele für das nächste Jahr zu notieren. Doch an Silvester merkte ich: Kaum etwas hatte ich erreicht. Im Nachhinein waren die Vorsätze auch gar nicht so wichtig, denn ich hatte anderes erreicht. Studien zeigen: Manche brauchen sechs Wochen, andere hunderte Wiederholungen, bis eine Gewohnheit selbstverständlich wird. Entscheidend ist oft die richtige Formulierung des Ziels.

Auch Ernährungsumstellungen gelingen leichter, wenn man sie zeitlich beschränkt.

SMARTE Ziele

Ich gehörte auch zu den Menschen, die sich im Fitnesscenter anmelden, das Outfit kaufen und große Pläne schmieden – um bald festzustellen, dass es langweilig wird. Erfolgversprechender ist die »SMART«-Methode: Ziele sollen spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert sein.

Fünf Minuten Luft anhalten

Heute halte ich über sechseinhalb Minuten die Luft an. Besonders stolz bin ich jedoch auf meinen ersten Fünf-Minuten-Versuch. In meiner Trainingsgruppe war ich lange der Beste – bis Christophe auftauchte und gleich vier Minuten schaffte. Das weckte meinen Ehrgeiz. Heimlich trainierte ich weiter, bis ich fünf Minuten erreichte. Wir stachelten uns gegenseitig an und verbesserten uns stetig. Erst durch diese Konkurrenz blieb ich wirklich dran.

Die Leere nach einem Rekord

Für meinen ersten Weltrekord unter Eis trainierte ich monatelang. Alles drehte sich nur darum. Als ich es schaffte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Doch Freude spürte ich kaum, eher Leere. Danach holte mich das Leben ein. Trotzdem brach ich weitere Apnoe-Rekorde: Sie gaben meinem Tun Sinn, und ich wollte mein Potenzial ausschöpfen.

Die 72-Stunden-Regel

Ich war immer Anhänger der 72-Stunden-Regel: Begeistert von einer Idee, unternahm ich innerhalb dieser Zeit einen ersten Schritt. Studien zeigen, dass sonst die Umsetzungschance rapide sinkt.

»Versuche, jeden Tag eine bessere Version deiner selbst zu werden«

Als Atem- und Entspannungstrainer halte ich viele Vorträge zum Thema »Entspannt erfolgreich«. Besonders die bewusste Atmung ist eine einfache Möglichkeit, Stress abzubauen – überall einsetzbar und sehr effektiv. Doch muss man wirklich jede Pause nutzen, um noch produktiver zu werden? Vielleicht macht uns nicht das Mehr an Optimierung glücklicher, sondern das Zulassen von Pausen.

Apnoe-Profi Nik Linder spricht im Interview über Atmung und Meditation.

Vielleicht geht man einfach tauchen

Ich glaube, dass man sein Leben ändern kann. Ein Auslöser oder die Erkenntnis, Potenzial zu haben, reicht oft aus. Wichtig ist, den Anfangsschwung mitzunehmen, aber auch realistisch zu bleiben. Nach einigen Wochen wird aus Anstrengung Routine.

Vielleicht sollte man sich jedoch auch fragen, ob man nicht schon in Ordnung ist, wie man ist. Statt sich mit Aufgaben zu überfrachten, könnte man einfach das tun, was Freude macht – zum Beispiel tauchen. Unter Wasser betreten wir eine Welt fern des Alltags, bewegen uns frei und genießen den Moment. Diese Oase kann ein Hallenbad, ein Baggersee oder ein Urlaub in Ägypten sein. Melden Sie sich an – am besten innerhalb von 72 Stunden.

Mehr Artikel aus dem Apnoesport? Hier entlang!