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Explosionsgefahr und Umweltschäden

Die Evakuierung der wichtigen Förderplattform Elgin in der nordwestlichen Nordsee vor der schottischen Ostküste zeigt, dass die Lage ernst ist. Seit Tagen dringt Erdgas unkontrolliert aus einem in rund 5500 Meter Tiefe liegendem Reservoir an die Oberfläche. Der französische Total Konzern, der die Förderplattform betreibt, stellte die Förderung ein und evakuierte die Mitarbeiter. Auch auf einer benachbarten Plattform wurde Personal abgezogen. Man befürchtet die Gefahr einer Explosion und von Umweltschäden. Geologen und Biologen des GEOMAR/Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel versuchen eine erste Bewertung.

Unfall mit erheblicher Dimension
Der Geologe Dr. Warner Brückmann und der Biologe Dr. Peter Linke vom GEOMAR sind sich einig, dass dieser Unfall eine erhebliche Dimension hat. „Wir kennen einen vergleichbaren Fall in der Nordsee, der sich Anfang der 90er-Jahre zugetragen hat, erzählt Dr. Linke. „Hier wurde eine oberflächennaher, gasreicher Horizont versehentlich angebohrt und seitdem tritt dort Methangas aus“, so Linke weiter. Die Plattform konnte gerade noch rechtzeitig abgezogen werden. Allerdings sind die Dimensionen dieses Falls, den die Wissenschaftler seit vielen Jahren genau beobachten deutlich kleiner als der an der Elgin-Plattform. Das Gas stammt aus ca. 350 Meter Tiefe und der Druck lag bei etwa 50 Bar. Im Elgin-Feld liegt das Vorkommen in 5500 Meter Tiefe (bei ca. 90 Meter Wassertiefe) und der Druck betrug beim Start der Produktion vor gut 10 Jahren ca. 1100 Bar.
Giftiges, explosives Gasgemisch
„Auch wenn er heute deutlich abgesunken sein dürfte, ist er sicher noch deutlich höher als in dem von uns dokumentierten Fall, so Warner Brückmann. Es wurden bisher etwa 9 Mio. Tonnen Erdgas pro Tag aus dem Feld gefördert, was etwa drei Prozent der britischen Erdgasförderung entspricht. „Hinzu kommt, dass das ausströmende Gas neben Methan auch Ethan, Propan, Hexan, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff enthält, erläutert Dr. Linke. Dies bedeute, dass das Gasgemisch nicht nur explosiv sei, sondern auch für viele Lebewesen giftige Bestandteile enthalte. Allerdings sei dieser Teil der Nordsee aufgrund der starken Strömungen gut durchlüftet, sodass Umweltschäden sich zunächst einmal auf die unmittelbare Umgebung beschränken würden, vermutet Dr. Linke. Sollte der Ausstoß langfristig erfolgen, könnten aber auch größere Gebiete betroffen sein. Allerdings ist eine Gefährdung deutscher Küsten oder Meeresgebiete aufgrund der Strömungen nicht zu erwarten.
Unsichere Datenlage
Beide Wissenschaftler wiesen aber in ihrer ersten Bewertung auf die sehr unsichere Datenlage hin. Für eine bessere Abschätzung wären genaue Zahlen über die Menge und Zusammensetzung des Gases notwendig, ferner auch Beobachtungen über die Ausbreitung in der Wassersäule und Eintrag in die Atmosphäre. „Wir verfügen über die entsprechenden Instrumente und haben an dem Vergleichsobjekt im südlicheren Teil der Nordsee auch schon viele Beobachtungen durchgeführt, so Dr. Linke. Schon in der kommenden Woche wird das Forschungsschiff ALKOR wieder zu dem kleineren Gasaustritt aufbrechen, um eine Langzeitbeobachtung zu bergen und Messungen durchzuführen. „Abhängig von der Entwicklung hätten wir im Sommer die Möglichkeit, uns auch einmal das Elgin Feld anzusehen, sagt Peter Linke. Allerdings nur, wenn bis dahin das Risiko einer Explosion nicht mehr gegeben ist.

Die Wissenschaftler fassten die Kernaussagen wie folgt zusammen:

1. Bisher ist unklar, welche ökologischen Schäden auftreten werden, weil Informationen über Art und Menge der Emissionen fehlen.

2. Der ökologische Schaden im Meer ist sehr wahrscheinlich geringer als im Golf von Mexiko (Deep Water Horizon), da kein Schweröl austritt und da die Nordsee sehr gut  belüftet ist und einen hohen Wasseraustausch mit dem Nordatlantik hat (Transporte von einigen Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde).

3. Deutsche Küstengewässer werden sehr wahrscheinlich nicht  beeinträchtigt, da das Wasser Richtung Dänemark/Norwegen fließt.

4. GEOMAR hat die Technik und das Knowhow, um die Emissionen am Meeresboden zu quantifizieren, die Emissionen in die Atmosphäre abzuschätzen und die Umweltauswirkungen zu untersuchen. Für August 2012 ist eine Ausfahrt in die Nordsee geplant, ggf. könnten dort auch schon früher Messungen durchgeführt werden.

Weitere Infs: www.geomar.de