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Critter 2.0 – Ambon ist immer noch ein Macro-Mekka

Ambon – die Hauptstadt der Molukken ist zurück auf der Tauchkarte. Nach Jahren des Basensterbens erwacht die einzigartige Bucht zu neuem Leben.

Wolfgang Pölzer

TEXT Barbara & Wolfgang Pölzer |

Die berühmte Lembeh Strait im indonesischen Nord-Sulawesi kennt mittlerweile jeder. Schließlich gilt sie nicht zu Unrecht als »Welthauptstadt des Critter-Tauchens«. Die Bucht von Ambon, gute 600 Kilometer weiter südöstlich, ist hingegen in den vergangenen 20 Jahren etwas in Vergessenheit geraten. Völlig zu Unrecht. Denn als Critter-Hotspot ist sie Lembeh absolut ebenbürtig! Einziger Unterschied: Luxusresorts und Tauchbasenschwemme sucht man hier vergeblich. Und vorweg gleich etwas Tacheles: Die Müllproblematik ist hier leider ein großes Thema und zudem den meisten Einheimischen völlig egal. Wer mit Plastik-, Stoff- und Metallresten an zumindest einigen Tauchspots nicht klar kommt, ist hier fehl am Platz. Einziger Lichtblick: Starke Strömungen und ein Gezeitenunterschied von satten zwei Metern sorgen mehrmals täglich für frisches Wasser und »gereinigte« Tauchspots. Doch alles schön der Reihe nach.

Topspot mit Erfahrung

Ambon war jahrhundertelang das Weltzentrum der Nelkenproduktion und gilt nach wie vor als Hauptstadt der Molukken als Inbegriff der Gewürzinseln schlechthin. Daneben ist Ambon heute mit seinen rund 400.000 Einwohnern wichtiger Verkehrsknotenpunkt und eine der größten Städte im Osten von Indonesien. Dementsprechend unkompliziert ist die Anreise. So landen wir planmäßig nach einem dreistündigen Direktflug von Jakarta. Abholung am Flughafen, kurzer Taxitransfer ans Ufer, und mit einem der drei Basen-Tauchboote geht es quer über die Bucht direkt an den schwarzsandigen Resort­strand. Dauer: insgesamt eine halbe Stunde. Unweit der südlichen Mündung der rund 25 Kilometer langen Bucht von Ambon hat sich kein Unbekannter der Szene einen weiteren Traum erfüllt. Gilles Brignardello, französischer Indonesienkenner und langjähriger Tauchresortbesitzer auf Alor, hat sich hier ein Grundstück ausgesucht, das schon lange unter dem Namen »Nama Slope« als Topspot für Critter-Sichtungen bekannt ist und nun als sein Resort-Hausriff fungiert.

Eine Handvoll schmucker Bungalows in schöner Hanglage mitten im tropischen Regenwald, dazu eine zweckmäßige Tauchbasis mit Nitrox und schnellen Booten sowie jede Menge an Ideen für die Zukunft machen einen soliden Eindruck. Der französische Manager Mathieu begrüßt uns herzlich. Während er sich vor allem um Tauchbasis und Infrastruktur des Resorts kümmert, sorgt seine perfekt Englisch sprechende indonesische Ehefrau Sri für das leibliche Wohl der Gäste und bildet die Angestellten nicht zuletzt in Sachen Umweltschutz aus. Wahrlich beeindruckend, was die beiden in kurzer Zeit hier alles geschafft haben.

Tief und gut

Am folgenden Morgen geht es raus auf‘s Meer. Innerhalb weniger Minuten haben wir über 500 Meter Wasser unter unserem Boot! Dafür ist die Bucht von Ambon bekannt: Aufströmendes Tiefenwasser bringt Nährstoffe an die Oberfläche, die von starken Gezeitenströmungen verteilt werden. Weiterer »Planktondünger« rinnt in unzähligen Bächen und einigen Flüssen von den umliegenden bis rund 1000 Meter hohen und mit Regenwald bestandenen Bergrücken. Genau diese Kombination aus fruchtbarem Vulkangestein mit Strömung und jeder Menge Nährstoffen ist das Geheimnis der immensen Critter-Vielfalt. Es gibt sogar einige endemische Arten. Bekanntestes Beispiel: der zumindest in Insiderkreisen berühmte »Psychedelische Anglerfisch«, der erst 2009 wissenschaftlich beschrieben worden ist.

Der faustgroße Geselle gilt allerdings als einer der seltensten Fische der Welt und wird nur alle paar Jahre mal gesichtet. Nachdem wir bei einem Ambon-Besuch 2016 das unwahrscheinliche Glück hatten, gleich mehrere Exemplare dieser Rarität sehen und fotografieren zu dürfen, sind wir diesbezüglich nun ganz entspannt. Inzwischen am anderen Ufer angekommen, lassen wir uns unweit vom Flughafen ins Wasser fallen. Auf wenigen hundert Meter entlang dem Dorf Laha reihen sich einige der besten Tauchspots der ganzen Bucht von Ambon aneinander.

Bei bescheidener Sicht und erfrischenden 26 Grad Celsius Wassertemperatur folgen wir unserem Guide Benny einem anfangs flach, aber bald zunehmend steiler abfallenden Sedimenthang. Über vereinzelte kleine Korallenblöcke voller Anemonen und Clownfische sowie langstachelige Diademseeigel, eingehüllt in dichte Wolken von Kardinalfischen, schweben wir in eine ausgedehnte Schlammkuhle mit abgesunkenem Treibholz und eingesandetem Astwerk. Immer wieder ragen mit bunten Schwämmen überzogene Steine, Algenbüschel, rosabäuchige Seegurken und verrostete Blechdosen, Stofffetzen und oft bis zur Unkenntlichkeit bewachsener Kleinmüll aus dem Meeresboden. Benny schwimmt die Kuhle von der Größe einer Doppelgarage im Zickzackmuster ab und untersucht jede Unregelmäßigkeit. Und wirklich!

Kaum sind ein paar Minuten vergangen, ruft uns schon das Gebimmel seines Shakers. Ein algenbewachsener, gut faustgroßer Stein entpuppt sich im Strahl der Tauchlampe als Rhinopias. Die seltenen Meister der Tarnung zählen zur Familie der Drachenköpfe und sind für ambitionierte Fotografen so etwas wie eine Walhaibegegnung für den Otto-Normaltaucher. Begeistert bannen wir die zartorangefarbene Kreatur mit riesigem Kopf und etwas Phantasie zum Kussmund ausgezogenem Maul auf unsere Speicherkarten – als Porträt, in der Totalen und mit Taucher im Hintergrund. Dann lassen wir nach einigen Minuten ab von unserem Fotomodell, welches das Shooting in stoischer Ruhe über sich ergehen lässt. Mehrere drollige Schneeflockenmuränen, zwei fingerlange Anglerfische, schick gewandet in Schwarz und Rot, verschiedene Nacktschnecken und zwei wunderschöne Harlekin-Garnelen mitsamt abgeschnittener Seesternarm-Jause in gerade mal drei Meter Wassertiefe runden unseren Unterwasserausflug zu einem sensationell guten Critter-Tauchgang ab.

Critter, wohin man blickt

Während der Oberflächenpause tuckern wir bei Kaffee und Keksen gemütlich zurück auf die Resortseite der Bucht. Gerade ums Eck von unserer Unterkunft geht es erneut ins Wasser. Der abfallende Hang ist bedeckt mit rundgeschliffenen schwarzen Vulkansteinen von Murmel- bis Kopfgröße. Dazwischen Unmengen von Spalten und winzigen Höhlen – also keine Wohnungsnot für Garnele, Krabbe, Jungfisch und Co. Kaum abgetaucht, stolpern wir auch schon über einen Geisterpfeifenfisch, der zwischen gefährlich langen Seeigelstacheln ganz ungeniert Jagd auf Plankton macht. Etwas tiefer winkt uns Guide Benny schon zur nächsten Attraktion: Eine handtellergroße Prachtsepie schwebt wie ein Luftkissenboot knapp über dem Bodengrund. Ohne künstliches Licht in ihrem Camouflage-Muster perfekt getarnt, wird sie im Schein unserer Tauchlampe jedoch etwas nervös und läuft binnen Sekunden mit einem bunten Farbwechsel zur optischen Höchstform auf. Zuerst ganz zaghaft und fast wie in Zeitlupe, dann jedoch ganz plötzlich mit einem explosionsartigen Rückstoßmanöver versucht sie sich vergeblich aus unserer Aufmerksamkeit zu katapultieren.

Erst der verlockend klingende Shaker-Ton von Benny – mehr in Hör- als in Sichtweite – vermag uns von dem fotogenen Tintenfisch abzulassen. Benny präsentiert uns in 15 Meter Tiefe einen Feuerseeigel mitsamt Belegschaft. Die handballgroßen, etwas abgeflachten und auf den ersten Blick feuerrot gefärbten Seeigel sind für ihre bizarr schönen Untermieter bekannt und sehr beliebt. Zwischen den kurzen Stacheln mit ihren leuchtend violetten Spitzen hockt ein Paar der allzeit fotogenen Coleman-Garnelen. Die rotbraun getupften Tierchen siedeln mehr oder weniger zeitlebens auf ihrem hochgiftigen Wirt und ernähren sich vorwiegend von organischem Material auf dessen Oberfläche. Im Normalfall und auf den meisten Fotos hockt das größere Weibchen einträchtig Seite an Seite neben seinem Männchen und lässt sich völlig unbekümmert fotografieren.

Diesmal erwartet uns jedoch eine sensationelle Überraschung: Diesen Seeigel beansprucht nicht nur ein Garnelenpärchen, sondern auch vier rivalisierende Coleman-Garnelen. Die beiden Paare kämpfen erbittert um ihren mobilen Untergrund, attackieren sich, springen herum wie ein Sack voll Flöhe, und keiner will nachgeben. Auch nach etlichen Fotos ist der Kampf noch nicht entschieden. Benny ruft uns aber schon wieder weiter. Nur wenige Flossenschläge entfernt erwartet uns ein ganzes Feld von Feuerseeigeln – manche mit Coleman-Garnelen, manche ohne, und auf einem verbirgt sich ein noch bizarrer anzusehendes Mini-Monster. Wie eine Spinne in Ritterrüstung stolziert eine braunweiß gestreifte Zebrakrabbe in ihrem stachelbesetzten Panzer auf dem Feuerseeigel und geht im Prinzip dem gleichen Nahrungserwerb nach wie die vorher gesichteten Garnelen. Ein kleines Dorniges Seepferdchen, eine Schule Schnepfenmesserfische und eine ganze Reihe verschiedener Nacktschnecken runden diesen Tauchgang höchst erfolgreich ab.

Wunder geschehen

Auch in den darauffolgenden Tage kommt keine Langeweile auf. Trotz frühzeitig einsetzender Regenzeit mit oft wechselnden Sichtverhältnissen findet Benny immer wieder einen Tauchspot, bei dem wir vollends auf unsere Kosten kommen und mit Critter-Sichtungen verwöhnt werden. Mal herrscht Strömung, die uns nahezu wegweht und innerhalb eines Tauchgangs dreimal die Richtung wechselt, mal ist es völlig windstill. Einzig für die selten betauchten Korallenplätze außerhalb der Bucht von Ambon ist das Wetter zu schlecht. Aber auch diese Spots mit tollen Sichtweiten, bunt bewachsenen Steilwänden, Torbögen und viel Fisch kennen wir schon von 2016 und können bestätigen, dass sie sich als Kontrastprogramm zum Muck Diving absolut lohnen. Am letzten Tag unsres Aufenthalts beschließen wir nach zwei tollen Tauchgängen vor Laha mit zwei verschiedenen Rhinopias, Harlekingarnelen und Co., zum Abschluss nachmittags nochmals das Hausriff zu erkunden.

Der Geröllhang aus schwarzen Vulkansteinen überrascht uns mit einem hellgrünen Tarnkünstler par excellence: eine Halimeda-Krabbe, dazu Federsterngarnelen in den unterschiedlichsten Farben, eine Großfamilie der beliebten orangeweißen Hohlkreuzgarnelen, unzählige Schnecken und mehrere Fangschreckenkrebsen. Den sprichwörtlichen Vogel schießen dann aber die letzten beiden Critter beim Austauchen in weniger als fünf Metern Tiefe ab: Nach fast 90 Tauchminuten spürt Benny noch eine daumennagelgroße Boxerkrabbe für uns auf. Und ganz knapp unter der Wasseroberfläche überrascht er uns quasi als Abschiedsgeschenk mit einem der ebenso seltenen wie schönen Wonderpus-Kraken. Hut ab vor diesem Diveguide und diesem Tauchgebiet! Wir kommen sicher wieder zurück nach Ambon, zumal uns Mathieu beim Abschied am folgenden Morgen verspricht, in Zukunft auch Blackwater Diving anbieten zu wollen. Unser Fazit? Das hier ist eine der weltbesten Muck Diving-Regionen. Dazu das gemütliche kleine Resort mit familiärer Atmosphäre und stressfreiem Tauchen. Da die Bucht von Ambon aber auch sehr mit Müll kämpft, muss damit ebenfalls unter Wasser gerechnet werden.

Das Ambon Dive Resort bei TAUCHEN on Tour auf Youtube.

Reiseinfo: Ambon Dive Resort / INDONESIEN

Basisleiter/Resortmanager:
Mathieu Turbant (Franzose) und
seine indonesische Frau Sri.
Tauchbestimmungen: Vorlage von Brevet, Logbuch und Tauchtauglichkeitsattest. Am Hausriff ist brevetiertes Solotauchen möglich.

Tauchen
Das abwechslungsreiche Hausriff mit kleiner Steilwand und schwarzem Sand/Muck-Hang kann im Buddyteam selbständig betaucht werden und bietet sich nicht nur für erstklassige Nachttauchgänge an. Standardmäßig wird eine morgendliche Bootsausfahrt mit 2 TG sowie eine Einzelausfahrt nachmittags angeboten. Alle Bootstauchgänge sind geführt (maximal 4 Taucher/Guide). Keine Tauchzeitbegrenzung! Early mornin- und Nachttauchen immer im Buddyteam ohne Guide. Insgesamt lassen sich rund 35 Tauchspots in der Ambon-Bucht und 10 weitere außerhalb in 2 bis 40 Bootsminuten erreichen.
Boote: 3 GFK-Schnellboote für je
4 bis 6 Taucher.

Preise
Eine Bootsausfahrt mit Flasche und Blei kostet 55 Euro, ein 10er Paket Hausrifftauchen 390 Euro. Nachttauchen am Hausriff ohne Aufpreis. Aufpreis für Nitrox 32%: 5 Euro/Tauchgang.

Lage
in der Bucht von Ambon, unweit der Südspitze. So sind bei ruhiger See (Oktober bis April) auch die korallenreichen Riffe außerhalb der Bucht gut erreichbar. Das Hausriff ist unter dem Namen »Nama Slope« ein langjährig bekannter Critter-Topspot.

Nachhaltigkeit
Es wird versucht, kein Plastik zu verwenden und ausschließlich mit lokalen Produkten zu kochen (Einkaufen mit eigenen Holzkisten, Wasserspender in jedem Zimmer), organischer Müll wird für eigenen Gemüsegarten verwendet. Der Staff stammt aus den Nachbardörfern und wird angelernt. Auf Anfrage auch Babysitting möglich.

Beste Tauchzeit/Saison
Das Resort hat von September bis Ende Mai geöffnet (Juni bis Ende August wegen Regenzeit geschlossen). Die Sichtweiten betragen in der Bucht von Ambon durchschnittlich 10 Meter und außerhalb bis zu 25 Meter. Im September und Februar gibt es meist kurze Planktonblüten. Die Wassertemperatur schwankt von 24 Grad im September/Oktober bis zu 30 Grad zwischen Januar und März. Die beste Zeit für Critter ist im kühleren Wasser von Oktober bis Dezember. Anzug-Empfehlung:
3- bis 5-Millimeter-Anzug.

Unterkunft

Das gemütliche kleine Resort in Hanglage inmitten von tropischem Regenwald verfügt derzeit über vier geräumige, einzeln stehende Deluxe Bungalows mit Meerblick sowie vier etwas kleinere Superior-Zimmer in einem Gebäude. Insgesamt ist Platz für 16 Gäste, aber auf Grund der Tauchboote nur für maximal 14 Taucher. Alle Zimmer mit Klimaanlage, Ventilator, Bad/WC, Trinkwasserspender und Kaffee/Tee Kocher sowie eigener Terrasse.

Neben dem großzügigen, halb offenen Restaurant/Lounge-Komplex gibt es auch eine Bale, wo preisgünstige Massagen angeboten werden sowie einen eigenen (unklimatisierten) Kameraraum.
Zukunftspläne beinhalten drei weitere Bungalows, einen klimatisierten Kameraraum sowie einen kleinen Süßwasserpool bis Ende 2026. Die schmackhafte indonesische Küche besticht mit ausschließlich frischen Zutaten, wobei Obst und Gemüse großteils aus eigenem Anbau stammen.

Kontakt
www.ambon-dive-resort.com

Anreise
Der internationale Zielflughafen ist Jakarta, von dort geht es mit einem dreistündigen Inlandsflug nach Ambon und per Boot in 30 Minuten direkt ins Resort.

Einreise
Reisepass (mindestens noch sechs Monate gültig). Bei Einreise erhält man für rund 33 Euro ein 30 Tage gültiges Touristenvisum.
Zum gleichen Preis, aber schneller geht es mit einem schon vorab in Europa beantragten e-Visum:
https://www.imigrasi.go.id/wna/permohonan-visa-republik-indonesia

Medizin
Die nächstgelegene Druckkammer befindet sich in Ambon-Stadt, 30 Bootsminuten entfernt. Gute internationale Krankenhäuser sind erst in Jakarta, Manado oder Bali. Impfungen und Malariaprophylaxe mit Hausarzt abklären.

Infos
Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin
http://dtg.org

Reiseveranstalter
Aquaventure
www.aquaventure-tauchreisen.de

Preisbeispiel von Aquaventure
12 Nächte im Ambon Dive Resort, im Superior Room mit Vollpension, 10 Tauchtage (3 Boots-TG) sowie unlimitiertes Hausrifftauchen (inkl. Flasche und Blei), Flug ab/bis Deutschland z.B. mit Qatar Airways nach Jakarta, 1 Nacht im DZ/Frühstück und weiter mit Inlandsflug nach Ambon, alle Transfers: ab 3716 Euro (Aufpreis Deluxe Bungalow: 432 Euro/Person).