TEXT: Barbara und Wolfgang Pölzer
Als wir nach langer Anreise auf dem winzigen Provinzflughafen von Labuha landen, staunen wir nicht schlecht. Mit feuchten Erfrischungstüchern und kühlen Metall-Trinkwasserflaschen empfangen zu werden, mutet zwar ziemlich deplatziert an, tut aber dennoch einfach nur gut. Dank vieler Hände ist alles schnell im Auto und bald darauf im komfortablen Boot verladen, und flugs geht es Richtung Trauminsel. Kaum in Sichtweite, werden Erinnerungen nicht nur wach, sondern höchst präsent. Genau drei Jahre ist es her, dass wir mitten in der Corona-Pandemie als erste Journalisten überhaupt das Soft Opening von Kusu miterleben durften. Quasi als Versuchskaninchen drei Wochen lang allein den halbfertigen Probebetrieb zu testen, hat damals unendlich viel Spaß gemacht und uns regelrecht in diese Molukken-Insel verliebt gemacht.
Aus dem Nichts entstanden
Etwa in der Mitte zwischen Nordsulawesi und Raja Ampat liegt Kusu Island – und damit nicht nur exakt im geografischen Zentrum des berühmten Korallendreiecks, sondern auch im Herzen der Artenvielfalt. Da, wo sich Koralle und Hai gute Nacht sagen und die Unterwasserwelt noch ziemlich in Ordnung ist. Genau dort hat ein österreichisches Pärchen, Barbara und Christian, seine Bestimmung gefunden und ein Paradies für Taucher geschaffen. Sehr herzlich ist die Begrüßung und Wiedersehensfreude mit ihnen am Steg. Den beiden weitgereisten Basenleitern und Resortmanagern ist gelungen, wovon die meisten Tauchlehrer zeitlebens nur träumen. Mehr oder weniger mit bloßen Händen und jeder Menge Enthusiasmus aus einer unbewohnten Insel ein funktionierendes Tauchresort zu schaffen, das mittlerweile wirklich gut läuft. Und zwar nicht etwa auf Bambushütten-, sondern Fünf-Sterne-Niveau.
Ab ins Wasser!
Nach leckerem Drei-Gänge-Menü und einer erholsamen Nacht in einer der nur acht riesengroßen, urgemütlichen Strandvillen steht am folgenden Morgen der erste Tauchgang auf dem Programm. Zwei Bootsminuten rechts vom Steg mit Rolle rückwärts geht es ab ins angenehm warme Wasser. Entlang eines schräg abfallenden, zunehmend üppiger bewachsenen Korallenhangs paddeln wir zügig in die Tiefe. Vorbei an riesigen violetten Tonnenschwämmen, mannshohen Büschen leuchtend roter Besengorgonien, verschiedenfarbigen Fächern und Weichkorallen folgen wir unserem Guide Iksan bis in den 25-Meter-Bereich. Hier biegt nahezu im rechten Winkel ein schmaler Riffrücken Richtung offenes Meer hin ab. Von Entdeckerdrang und moderater Strömung getrieben, flosseln wir zunehmend tiefer und weiter hinaus. Riesige Schwärme von Füsilieren hüllen uns ein, rauben kurzzeitig die Sicht und wuseln wieder geschäftig weiter. In 30 Meter Tiefe durchbrechen wir die Sprungschicht und finden uns plötzlich in kristallklarem, mit 28 Grad Celsius um satte zwei Grad kälterem Wasser wieder. Unmengen von Wimpelfischen scheinen in der Strömung zu tanzen, schnappen jedoch lediglich nach leckerem Plankton. Im leichten Dämmerlicht reflektiert in der Ferne eine gewaltige Schule kreisrunder Fledermausfische, bevor sie im tiefen Blau verschwindet. Deutlich näher patrouilliert immer wieder mal ein Schwarzspitzen-Riffhai entlang der Kante in rund 35 Meter, schwimmt gemütlich, fast relaxt, vielleicht sogar etwas neugierig und kommt dabei in Fotoreichweite. Nicht ganz so nah kommt ein kapitaler Stachelrochen, der bei unserem Anblick mit flottem Flügelschlag eilig das Weite sucht.
Trotz Nitrox verrinnt die Nullzeit viel zu schnell, und beim mühsamen Weg gegen die Strömung zurück Richtung Küste kann man unseren Guide fast fluchen hören. Kaum ist das Hauptriff erreicht, ist sie wie weggeblasen und erlaubt uns, im Flachwasser noch erfolgreich nach Weichkorallenkrabben, Zwergseepferdchen und Nacktschnecken zu suchen. Direkt beim Auftauchen schwimmt uns dann ein höchst ungewöhnliches Fotomotiv vor die Nase: Auf der Unterseite einer im Wasser treibenden Kokosnuss hockt eine Krabbe, die genüsslich an einem toten Fisch nagt. Basisleiterin Barbara wartet schon neugierig am Steg und will wissen, wie uns der Tauchplatz gefallen hat. Auch die übrigen Gäste bestätigen unser »Absolut top!«-Statement. Obwohl so nah gelegen, war dieser Tauchspot – wie so viele andere – vor drei Jahren noch unentdeckt. Gemütlich schlendern wir dann zur Tauchbasis am Anfang des Stegs und können die Oberflächenpause entspannt mit tropischen Früchten, frisch gebackenen Keksen, Kaffee, Tee und sogar Sandwich genießen, während die »Jungs« Flaschen wechseln und über den nächsten Tauchplatz diskutieren.
Mal mit, mal ohne Strömung
Kusu Island ist Teil einer kleinen Inselkette im Kanal zwischen der Flughafen-Insel Bacan und der im Vergleich monströsen Nachbarinsel Halmahera. Sprich: Es herrschen teils heftige Strömungen, und die Gezeiten halten sich in dem Gewirr aus Inseln und Kanälen an keine Tabellen. Dementsprechend kann man nicht so weit vorausplanen und vertraut am besten auf die Expertise von erfahrenen Fischern der Region. Wieder zurück am Steg, kachelt es inzwischen dermaßen, dass klar ist, jetzt hier nicht hineinzuspringen. Bei einer Auswahl von inzwischen über 50 verschiedenen Tauchspots hat man vor Kusu jedoch immer die Möglichkeit, Strömungen zu vermeiden.
Also zurück auf‘s Boot und ab nach Kaireu. Von dem kleinen Fischerdorf auf der Nachbarinsel interessiert uns der Jetty am meisten. Kaum im Wasser, ziehen uns die wenigen Betonsäulen magisch an. Nach vielen Jahren im Wasser, sind sie komplett unter einer dicken Kruste aus bunten Schwämmen, Seescheiden, Hydrozoen, vor allem aber buschigen Weichkorallen und Fächergorgonien verschwunden. Neben unzähligen Jungfischen, Garnelen, Krabben und Schnecken, die das quasi künstliche Riff bewohnen, empfängt uns im Schatten des Stegs eine riesige Schule von Oxeye Scads. Diese kleinwüchsige, gelbgestreifte Stachelmakrelen-Art liebt solche Habitate und entpuppt sich als hervorragendes Fotomotiv. Umso mehr, als plötzlich drei kapitale Blauflossenmakrelen auf der Jagd in unseren Schwarm stürmen. Ob die blitzschnellen Manöver für Jäger oder Beute erfolgreich waren, ist für uns im dichten Gewimmel nicht ersichtlich. Nach etlichen Minuten im Flachwasser unter dem Steg geben wir Guide Iksan endlich nach und folgen ihm etwas tiefer. Der Feinsedimenthang im Zehn-Meter-Bereich erweist sich als klassischer Muck Dive mit ganz skurrilen, aber großteils winzigen Crittern. Gleich drei verschieden gefärbte Varianten von »Shaun the Sheep«-Schnecken lassen unsere Makrokamera heiß laufen, bevor uns der Drang nach Weitwinkelmotiven zurück unter den Jetty treibt. Die hochstehende Mittagssonne zaubert wunderschöne Lichtstrahlen zwischen die Holzplanken und verleiht der Szenerie eine umwerfende Stimmung. Als sich dann auch noch eine Seeschlange zum Luftholen unter den Steg verirrt, sind wir vollends zufrieden.
Immer auf der Jagd
Zurück im Resort, erwarten uns ein feines Mittagessen sowie eine Handvoll Baby-Schwarzspitzen-Riffhaie direkt vor unserem Bungalow. Also nix mit Mittagsschläfchen, sondern rein in den Ozean mit Kamera und Schnorchel ins knietiefe Wasser – für eine Geduldsprobe ersten Rangs. Erst nach etlichen Minuten der völligen Bewegungslosigkeit kommen die teilweise nur ellenlangen Minihaie endlich in Sichtweite und gelegentlich sogar ziemlich nah. Zwischendurch schiebt sich auch mal ein Schwarm Jungmakrelen ins Bild, und einmal huscht gar ein Baby-Rochen vorbei. Beim Nachmittagstauchgang geht es dann rüber zu einer der Nachbarinseln an einen locker bewachsenen Korallenhang mit Sandflächen und kleinen Riffblöcken dazwischen. Obwohl dort immer wieder Schwärme unterschiedlicher Füsilier-Arten vorbeiziehen, konzentrieren wir uns jetzt auf Makromotive. Endlich ist Iksan in seinem Element und läuft zur Hochform auf, indem er uns tatsächlich drei verschiedene Zwergseepferdchen-Arten zeigen kann. Dazwischen »stören« immer wieder Nacktschnecken, Geistermuränen und zwei Zwergflügel-Rossfische. Völlig im Makrofieber fällt uns kaum auf, dass auch die Landschaft höchst fotogen wäre. Bunt bewachsene Riffblöcke voller Fahnenbarsche, vor allem aber sehr schön intakte Steinkorallen im Flachwasserbereich könnte man hier ablichten. Bei Kaffee und frisch gebackenem Kuchen lässt sich etwas später wieder Kraft sammeln, bevor es nach Sonnenuntergang abermals zurück ins Wasser geht.
Ab in die Dunkelheit
Dass Nachttauchgänge vom Boot aus so manchen Spot vom Tag sogar toppen können, ist uns vom ersten Besuch auf Kusu noch gut in Erinnerung. Heute wollen wir mal etwas Neues probieren und das Hausriff bei Nacht schnorchelnd erkunden. Der Tipp dazu kommt wieder mal von Barbara und Christian, die inzwischen auch schon viele Schnorchelgruppen zu Gast hatten. Diese kamen von solchen Nachteinsätzen immer völlig begeistert zurück. Also wieder rein ins nasse Neopren und im knietiefen Wasser gegen die Strömung paddeln. Keine fünf Meter vom Steg entfernt überrascht uns schon das erste Highlight: ein Walking Shark, auch als Epaulettenhai bekannt. Zwischen den Stelzwurzeln der Mangroven hockt der drollig anzusehende, einen guten halben Meter lange Geselle in seinem gold-weiß-braun getupften Schuppenkleid und blickt uns überrascht entgegen. Daher schnell von Weiß- auf Rotlicht gewechselt, um ihn so wenig wie möglich zu stören. Das wirkt. Tatsächlich bleibt er daraufhin bewegungslos hoch erhobenen Hauptes auf seine Brustflossen aufgestützt stehen und lässt sich bereitwillig fotografieren.
Das nächste Motiv lässt auch nicht lange auf sich warten. Eine hochgiftige, aber dennoch harmlose Wasserschlange schlängelt sich nach Beute suchend über den hellen Sandgrund. Dann erblicken wir schlafende Koffer- und Feilenfische, Kardinalbarsche, wunderschön blühende Orgel- und Kelchkorallen, einen Oktopus und zwei unterschiedlich große Schwarzspitzen-Riffhaie. Erst nach über einer Stunde lassen wir uns mit der Strömung zurück zum Ausgangspunkt treiben. Wir sind so begeistert, dass wir fast das Abendessen versäumt hätten. Wäre aber auch kein Problem, denn das exzellente Personal in der Küche ist so etwas schon gewöhnt und wartet gern auf die Gäste. Man könnte danach von seiner privaten Terrasse aus dann noch einen umwerfend schönen Sternenhimmel ohne Lichtverschmutzung bewundern. Uns fallen jedoch nach dem erlebnisreichen Tag schnell die Augen zu
Einsamkeit de luxe
Ähnlich gestalten sich die folgenden Tage. Streifzüge durch intakte Korallenlandschaften wechseln sich ab mit gemütlichen Makro-Tauchgängen. Neben schräg abfallenden Korallenhängen gibt es auch Untiefen, kleine Steilwände mit Durchbrüchen und Höhlen sowie auch mal einen rasanten Strömungstauchgang zwischendurch. Zudem hat man hier das Privileg, die Tauchplätze ganz für sich zu haben. Unsere Leidenschaft für diese Molukken-Insel ist beim zweiten Besuch erneut entflammt. Kusu ist wirklich ein Goldstück im Herzen des Korallendreiecks. Die kaum zu toppende Artenvielfalt und der außergewöhnliche Fischreichtum in der größtenteils intakten Korallenlandschaft sind verlockend. Abgerundet wird alles durch ein Tauchresort, das mit Qualität und Service punktet.
Reiseinfo: Kusu Island Resort / MOLUKKEN
Lage: an der Küste der kleinen Insel Kusu zwischen den großen Molukken-Inseln Halmahera und Bacan.
Anreise: Beispielsweise über Singapur und Manado oder Jakarta nach Ternate. Von dort in 30-minütigem Inlandsfug nach Labuha (nur dienstags und samstags), wo man vom Resortpersonal abgeholt wird. Der Transfer per Auto und Boot beträgt eine gute Stunde.
Tauchen: Getaucht wird bis zu dreimal täglich von schnellen Tauchbooten aus. Damit lassen sich rund 50 Tauchspots binnen zwei bis 25 Minuten erreichen. Zwischen den Tauchgängen kommt man ins Resort zurück. Standardmäßig wird in Gruppen bis zu fünfTaucher pro Guide getaucht (meist sind jedoch deutlich weniger Taucher/Guide). Maximaltiefe: 40 Meter.
Die Basis verfügt über drei überdachte, acht Meter lange GFK-Schnellboote für je sechs Taucher.
Unterkunft: Das Fünf-Sterne-Tauchresort verfügt derzeit über acht geräumige und sehr geschmackvoll eingerichtete Ocean Villas mit privatem Meerzugang für insgesamt bis zu 16 Gäste. Alle Villen sind ausgestattet mit Bad/WC, Föhn, Klimaanlage, Minibar, Safe, Schreibtisch und Couch und haben eine riesige Terrasse mit bequemen Liegen und Hängematten. Massagen sind auf der Terrasse der eigenen Villa möglich. Geplant ist der Bau von Villa Nummer 9 sowie von zwei Wasserbungalows an einem neu zu errichtenden Verbindungssteg.
Nachhaltigkeit: Nahezu alles im Resort wird in reiner Handarbeit in der eigenen Tischlerei hergestellt! Die bis zu 50 Arbeitskräfte stammen fast ausschließlich aus den umliegenden Dörfern. Auf Einwegplastik wird komplett verzichtet, und um Diesel zu sparen, wird der Stromgenerator zwischen 24 und 6 Uhr abgeschaltet.
Kontakt:
www.kusuislandresort.com
Veranstalter: Aquaventure
Tel. 0511 – 690 999 00
aquaventure-tauchreisen.de
Preisbeispiel: (von Aquaventure): Zwei Wochen Kusu Island inkl. Flug mit Singapore Airlines ab/bis Frankfurt, mit einer Hotelnacht mit Frühstück in Manado, Weiterflug nach Labuha via Ternate, 14 Nächte im Kusu Island Resort (Ocean Villa Doppelbelegung) mit Vollpension, 20 geführte Bootstauchgänge (inkl. Flasche und Blei), Flughafen-Transfers und Steuern kosten ab 5532 Euro pro Person.