TEXT – Barbara & Wolfgang Pölzer –
Einchecken, wohlfühlen, fertig – so einfach kann es sein auf der M/Y Red Sea Explorer! Nur auf eines muss man aufpassen: Bei über 40 Meter Länge und fünf Schiffsebenen kann man sich schon mal aus den Augen verlieren. Wenn dann selbst beim sonst oft langweiligen und bescheidenen Eingewöhnungs-Tauchgang dank toller Fotomotive und super Sicht Freude aufkommt, hat es auch die Crew von Anfang an richtig gemacht. Wer allerdings im ägyptischen Spätsommer in See sticht, muss neben der zu erwartenden Wärme auch mit Wind rechnen.
Und diesbezüglich sehen die Prognosen gar nicht gut aus. Zumindest für die nächsten drei Tage ist Sturm angesagt, der unsere Brothers/Daedalus/Elphinstone-Tour stark in Frage stellt. Vor allem die stundenlange Überfahrt gegen Wind und Wellen zu den mitten im Roten Meer liegenden Brother Islands wäre nicht nur äußerst unangenehm, sondern auch gefährlich. Safety first! Das letzte Wort in puncto Sicherheit hat immer der Kapitän. Und so muss unsere Route leider umgeplant werden.
Die Hochsee muss warten
Mit dem Gedanken, das Beste daraus zu machen, springen wir beim zweiten Tauchgang unweit südlich von Abu Dabbab ins warme Wasser. Gleich beim Abtauchen stolpern wir quasi über die erste von insgesamt fünf großen Grünen Schildkröten, die allesamt genüsslich ins Gras beißen – ins saftig dunkelgrüne Seegras, versteht sich. Die Mehrheit von ihnen ist unfreiwillig bestückt mit einem oder gar zwei Schiffshaltern, die sich kostenlos durchs Wasser schleppen lassen. Nur wenn ihr Wirt beim Wühlen im Seegras kleine Fische oder Krebse aufschreckt, lösen sich die Schiffshalter und versuchen, sich blitzschnell einen der Leckerbissen zu schnappen.
Wir beobachten ein Weilchen das ungleiche Paar aus Schildkröte und Fisch, den man übrigens zur Verwandtschaft der Stachelmakrelen zählt, bis ein schwarz getupfter Leoparden-Stechrochen unsere Aufmerksamkeit raubt. Ungleich eleganter als eine Schildkröte gleitet er ganz knapp über dem Boden, um sich ab und zu in einer dichten Schlammwolke in den Meeresgrund zu bohren. Wir versuchen, eine Zeit lang kreuz und quer durch die Seegraswiese mit ihm Schritt zu halten, müssen unser Vorhaben jedoch bald außer Atem aufgeben.
Kaum beruhigt, folgt die nächste Aufregung. Ein riesiges unförmiges und borstiges Monster bringt unsere Herzen zum Höherschlagen – jedoch nur im positiven Sinn. Wir haben doch tatsächlich einen Dugong gefunden! Die gut und gern mindestens zwei Meter lange Gabelschwanz-Seekuh – das beliebte Maskottchen der gesamten Region – frisst sich direkt auf uns zu! Mit ihrem breiten kurzen Rüssel wühlt sich das so faszinierend fremdartig anzusehende Tier durch den Sandgrund, um an die nahrhaften, äußerst stärkehaltigen Seegras-Rhizome zu gelangen.
Erst ganz aus der Nähe sind die kleinen dunklen Teddybär-Knopfaugen sowie die verschließbaren Nasenöffnungen gut zu erkennen. Begeistert machen wir Platz, um den Weg der leider mittlerweile so selten gewordenen Seekuh nicht zu blockieren. Noch minutenlang lässt sich das Schauspiel verfolgen, bevor das riesige Säugetier mit einer unfassbaren Eleganz und vor allem Geschwindigkeit zum Luftholen Richtung Wasseroberfläche entschwindet. Glücklicherweise haben alle die Seekuh gesehen, und die Stimmung später an Bord ist top.
Warm, aber gut
Am nächsten Morgen wachen wir am Elphinstone-Riff auf. Als einziges Schiff vor Ort in Poleposition direkt über dem Südplateau – da kommt Freude auf! Briefing und direkt von der Tauchplattform ab ins Glück. Super Sicht, schönes Morgenlicht – alles perfekt. Leider nicht ganz. Auch hier draußen rund neun Kilometer vor der Küste ist das Rote Meer viel zu warm. 31 Grad Celsius zeigt der Tauchcomputer an der Wasseroberfläche, und auf 30 Meter Tiefe ist es gerade mal ein Grad kühler. Auch die hier oft kachelnde Strömung scheint wie abgeschaltet.
Was bleibt, ist ein völlig entspannter Tauchgang über das Südplateau mit gewohnt tollem Korallenbewuchs, spektakulär abfallenden Steilwänden und jeder Menge bunter Fische. Nahezu handzahme Karettschildkröten und stattliche Napoleonlippfische sind die beweglichen Highlights dieses Tauchgangs. Großfischsichtungen? Diesmal leider Fehlanzeige.
Am wellenumtosten Nordplateau ist es nicht recht anders, und so beschließen wir spätnachmittags abermals am Südplateau unser Glück. Pessimisten würden sagen »tote Hose«. Optimisten hoffen bis zur letzten Minute. Und tatsächlich! Kurz vor dem Auftauchen gibt uns direkt unter dem Schiff ein Longimanus die Ehre. Knapp unter der Wasseroberfläche gleitet der mit seinen langen, abgerundeten Brustflossen so markant aussehende Weißspitzen-Hochseehai wie auf Schienen direkt auf uns zu. Eine kurze Inspektion seinerseits, gefolgt von einer kleinen Ehrenrunde und weg ist der Spuk! So sehr wir uns auch im Kreise drehen und das tiefe Blau mit unseren Blicken durchdringen wollen – der Hai ist weg, aber eine Handvoll guter Fotos von ihm im Kasten.
Tanz im Korallengarten
Um dem noch immer heftigen Wind zu umgehen, machen wir tags darauf einen Abstecher in den Süden von Marsa Alam. Der Wadi Gimal Nationalpark ist für seine schönen Riffe bekannt. Entspanntes Tauchen in fischreichen Korallengärten, garniert mit kleinen Drop-offs, großen Gorgonienfächern und interessanten Riffspalten. Schwärme von Barrakudas, Makrelen und den sehr fotogenen Gelbsattel-Meerbarben schwimmen uns genauso vor die Linse wie Napoleons und Schildkröten. Persönliches Highlight ist jedoch eine unscheinbare Kronenqualle, die scheinbar von bunten Falter- und Doktorfischen umworben wird. Tatsächlich handelt es sich jedoch um einen brutalen Todestanz, bei dem die Fische immer wieder kleine Stücke aus der noch lebenden Qualle herausbeißen.
Die alten Fischer und der Wind
Nach dem Abendessen legen wir ab und nehmen Kurs auf den Höhepunkt der Tour – zwei Tage Daedalus. Mit seiner Position von stolzen 80 Kilometern vor der Küste gilt das bekannte Riff als einer der besten Tauchgründe von ganz Ägypten. Quasi als Turm direkt aus der Tiefsee bis knapp unter die Wasseroberfläche kommend, verwundert es einen nicht, dass sich genau hier Haie, Mantas und andere Hochseebewohner die Flosse in die Hand drücken.
Als wir frühmorgens wieder mal in allerbester Lage direkt vor dem Steg zum schwarzweiß geringelten Leuchtturm von Daedalus geweckt werden, ist der Sturm wie weggeblasen. Und wieder mal hat sich bewahrheitet, was die lokalen Fischer an der Küste seit vielen Generationen weitergeben: Wenn starker Wind aufkommt, weht er meist genau drei Tage. Also nichts wie rein in die Zodiacs und bei nahezu spiegelglatter See ums Eck an die Nordost-Spitze.
Eine sanfte Strömung treibt uns entlang der sonnenbeschienenen Steilwand und macht Lust, etwas auf Tiefe zu gehen. Bei exakt 37,5 Meter durchbrechen wir die Sprungschicht und blicken fassungslos auf unsere Tauchcomputer: 30 Grad Celsius und weit und breit keine Abkühlung. Was da wohl die kälteliebenden Hammerhaie machen?
Angestrengt starren wir genau an der Sporttauchgrenze klebend in das dunkle Blauwasser hinab. Und gerade noch in der letzten Minute Nullzeit erhaschen wir einen Blick auf zwei markante Silhouetten weit unter uns. Das Rätsel ist gelöst. Die Hammerhaie sind zum Glück noch da, allerdings weit außerhalb von unserer Tiefenreichweite.
Aber auch ohne Haie ist Daedalus jeden Tauchgang wert. Am etwa 700 Meter langen und bis zu 100 Meter breiten Riff kommt auch nach zwei Tagen und sechs Tauchgängen keine Langeweile auf. Steilwandtauchen vom Feinsten mit und ohne Strömung, gepaart mit Stachelmakrelenschulen, großen Barrakudas und Napoleons, einem riesigen Anemonenfeld voller Clownfische und nicht zu vergessen einer sehr fotogenen Glasfischhöhle in gerade mal acht Meter Tiefe. Den sprichwörtlichen Vogel schießt der Glücksgott dann beim vorletzten Tauchgang für uns ab.
Nichts ahnend und entspannt mit der Strömung entlang der Westseite Richtung Schiff zurücktauchend, überholt uns plötzlich und völlig unverhofft ein Mantarochen von hinten. Mit nicht zu übertreffender Eleganz dreht das riesige Tier direkt vor uns eine Runde, beäugt uns kurz mit seinen riesigen dunklen Augen und setzt seinen Weg unvermittelt fort. Nach nur wenigen »Flügelschlägen« ist er auch schon wieder im Blauwasser verschwunden und lässt uns freudestrahlend zurück. Und hungrig.
Nirgendwo sonst schmeckt das wöchentliche Galadinner an Bord so gut wie beim Sonnenuntergang mit Blick auf Daedalus! Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich die Crew der Red Sea Explorer heute ganz besonders bemüht hat, uns mit den vielfältigsten Leckereien zu verwöhnen.
Ab ins Aquarium
Am letzten Tauchtag werden wir an der Küste, wenige Kilometer südlich von unserem Heimathafen Port Ghalib, munter. Noch einmal steht Schildkröten Watching in einer Seegraswiese auf dem Programm, bevor man sich am abschließenden Korallengarten-Tauchgang wahrlich wie in einem Aquarium vorkommt.
Alles ist da: von großen Drachenköpfen bis neugierigen Fledermausfischen, über Rotfeuer-, Falter- und Drückerfische bis hin zu Clownfischen in leider schneeweiß gebleichten Anemonen. Die Wassertemperatur ist immer noch zu hoch. Aber der kommende Herbst verspricht Abkühlung und Besserung. Unser Fazit: Eine Rotmeer-Tauchsafari lohnt sich immer. Aber auf einem komfortablen Schiff wie der Red Sea Explorer macht sie noch mehr Spaß.
M/Y Red Sea Explorer
Baujahr: 2019
Besitzer: Extra Divers
Crew: 15 und 3 Diveguides (8 Gäste/Guide)
Länge: 43 m (Breite: 10 m)
Schiffs-Art: Stahlrumpf-Motoryacht mit Holzaufbau (GFK mit überzogen)
Motor: 2 x 1000 PS Diesel (Marine Engine)
Ausstattung: zwölf sehr geräumige Kabinen für maximal 24 Gäste: vier Superior Unterdeck-Kabinen, drei Masterkabinen am Hauptdeck, vier Superior Oberdeck-Kabinen sowie eine riesige Royal Suite mit eigenem Balkon. Alle Kabinen haben Panoramafenster, Bad/WC, Kühlschrank, Fernseher und selbstregulierbare Klimaanlage.
Fünf Schiffsebenen sorgen für ein riesiges Platzangebot mit zig Sitzgelegenheiten und Liegeplätzen mit oder ohne Sonne. Besondere Beachtung verdienen die vorbildlichen Tauchleitern auf der Plattform mit ihren extrabreiten, rutschfesten Stufen, die sich gut auch mit Flossen begehen lassen.
Tauchen
Je nach Tour werden meist 3 TG/Tag angeboten. Alle Tauchgänge erfolgen in geführten Gruppen mit Guide (außer NTG und letzter TG.) Je nach Ausbildungsstand und Taucherfahrung kann bei den meisten Spots auch im Buddyteam getaucht werden. Bei Voranmeldung kann man auch einen Privatguide buchen (450 Euro/Woche).
Anzug: 3 mm im Sommer, 5-7 mm Winter.
Boote: zwei PS-starke, sechs Meter lange und sehr breite Zodiacs für je acht Taucher.
Besonderheiten: Nitrox 30 for free, zentrales Feueralarmsystem, CO2-Warner im Unterdeck, Defibrillator, EPRIB, drei Rettungsinseln, 24 x ENOS an Bord. Freies WLAN.
Nachhaltigkeit: Brauchwasser wird selbst mit einer Meerwasserentsalzungsanlage produziert, kostenlose Alu-Trinkwasserflaschen und Wasserspender sind an Bord.
Mindestvoraussetzungen: AOWD / 50 TG
Touren: alle gängigen Tauchtouren vom Sinai bis zur Grenze des Sudan. Die vorwiegend siebentägigen Touren starten meist von Port Ghalib in Südägypten. Gelegentlich werden auch Zehn- und Elf-Tages-Touren angeboten.
Kontakt und Infos:
www.extradivers-worldwide.com