TEXT: Falk Wieland
Bornholm liegt nur dreieinhalb Stunden Autofährfahrt von Neu Mukran auf der Insel Rügen entfernt in der Ostsee und darf als Nahziel gelten. Doch andererseits erscheint uns die dänische Insel mit ihrer Stille und geringen Besiedelungsdichte fern wie eine ganz andere Welt. Während sich auf Mittelmeerinseln in der Saison das Zehn- bis 20-fache der einheimischen Bevölkerung an Touristen tummeln, haben die Bornholmer ein eisernes Gesetz: Niemals sollen mehr Besucher als Einheimische auf der Insel sein. Deshalb ist alles still hier. Hochhaus-Hotels gibt es nicht, Ruhe, Gelassenheit und weite Räume teilen sich sofort mit. Wir fahren an der Nordostküste von Bornholm entlang. Der Blick schweift über die Küstenheide mit Ginster, Wacholder, weidenden Schafen, Bautasteinen und vorgelagerten Granitriffen. Wir betrachten eine Schiffssetzung, schauen von hohen Küstenfelsen auf die blaue Ostsee und rollen immer wieder an Fischräuchereien mit ihren markanten Schornsteinen vorbei. Die Insel Bornholm ist ein ländliches Küstenidyll mit niedlichen Orten und voller gemütlicher kleiner Fachwerkhäuschen. Die Steilküste ist geschmückt mit winzigen Klipphäfen und Heimat einer überaus aktiven Kunsthandwerker-Szene. Über der Ostsee kreisen die Möwen.
Gudhjem und Nørresandhavn
Wir fahren bergab ins bezaubernde Seestädtchen Gudhjem. Im Westen von Gudjem liegt der wenig benutzte Nørresandhavn. Direkt am Hafen können wir parken. Von den Felsmolen führen Badeleitern ins Wasser. Zahlreiche aus der Ostsee ragende Findlinge zeigen, dass dieser alte Hafen schwierig zu benutzen und nur für kleine Boote tauglich ist. Wer von einer Mole des Nørresandhavn in die Ostsee einsteigt, befindet sich unversehens in einem für nordische Verhältnisse farbenprächtigen Unterwassergarten.

Ganz oben auf den Felsen des Grunds wehen große Bestände des gelbgrün bis golden aussehenden Blasentangs, zuweilen auch Sägetang. Die Sockel und senkrechten Wände der Felsen sind oft glänzend schwarz von Miesmuschel-Beständen. Zwischen den Blasentang-Bulten sind auch Gewellter Darmtang, Meersalat, Gabelzweigtang und der intensiv gefärbte Rote Horntang zu sehen. Das Grundprofil vor dem Nørresandhavn ist wild und abwechslungsreich. Man erreicht von Land aus rasch 15 Meter Tiefe und schwebt in einer kleinteiligen Unterwasserlandschaft aus Felsen, Geröll, Tangbeständen, Seegraswiesen und purem Sand. Vor allem bei bedecktem Himmel beobachten wir zahlreiche Plattfische. Hier geben sich Flunder, Scholle, Steinbutt und Kliesche ein Stelldichein, dicht bei den Felsen wimmeln Schwarz- und Schwimmgrundeln umher. Im Sand stecken die sprichwörtlichen Sandaale. Eine solche Mixtur aus Felsriffen, Sandgrund und Tangwiesen ist typisch für viele von Land aus erreichbare Tauchplätze vor Bornholm. Ganz ähnliche und doch immer wieder anders abwechslungsreiche Taucheinstige erreichen wir beim Badestrand von Sorthat, nördlich von Sandvig, in Tejn-Sandkas, vor dem Badehotel von Stammershalle oder vor Listed.
Hammerhavnen und die Hammerhöhlen
Nordwestlich hinter dem Hammerknuden liegt der Hammerhavnen. Dieser alte Steinbruchhafen und heutige Yachthafen bietet viele Parkplätze am Wasser, Imbiss-Gastronomie, einen Lagunen-Sandstrand und ein farbenprächtiges felsiges Tauchrevier. Die klassische Tour ist hier das Betauchen der Hammerhöhlen. Das geht so: Vom Einstieg nach Norden dicht vor die Steilküste schwimmen, die Tauchtiefen schwanken um sechs Meter. Nach zehn Minuten findet man das erste düstere Felsportal in der Granit-Steilküste und kann einen Mini-Grottentauchgang unternehmen. Nach Erkunden dieser Grotte weiter schwimmen nach Norden, nach weiteren zehn Minuten wird der zweite Grotteneingang gefunden. Bei beiden Grotten handelt es sich um einfache Brandungshöhlengänge von höchstens 20 Meter Länge im Granit, die hinten mit Geröll verschlossen sind. Es ist ein außergewöhnliches Höhlenfeeling, wenn im Gang Ohrenquallen schweben und Schwimmgrundeln herumrasen. Die Gesamtdauer der Erkundung mag bei etwa einer Stunde im Wasser liegen. Die Schwierigkeit liegt darin, den gerade noch tolerierbaren Wellengang einzuschätzen, denn unterwegs abbrechen und an Land gehen ist unmöglich. Man muss es stets zum Einstieg zurück schaffen.
Christiansø: Trecking, Seefahrt und Tauchen
Etwa eine Stunde Passagierschiff-Fahrt von Gudhjem entfernt liegen Bornholms »Hochsee-Inseln« Ertholmene oder Erbseninseln in der Ostsee. Über die beiden Inseln Christiansø und Frederiksø verteilen sich die Anlagen einer alten, sehr attraktiven Seefestung. Hier draußen scheint das Wasser oft noch viel klarer und artenreicher als am Bornholmer Festland. Bei einer eintägigen Seereise hat man etwa vier Stunden Landgang auf den Ertholmenen, bevor das Schiff zurück fährt.

Für mich bedeutet das immer wieder anderthalb Stunden fürs Tauchen ab Badestelle Frederiksø aus dem Rucksack heraus. Ich bin dann beladen mit Nasstauchzeug, Drei-Liter-Flasche und Kompaktkamera und habe dann noch die Möglichkeit von zweieinhalb Stunden Sightseeing. Zu sehen sind eine Mischung aus Ostsee-Tangen und Süßwasserpflanzen – vor Bornholm sind es nur acht Promille Salzgehalt. Zudem gibt es zahlreiche kleine Fische. Mit Glück kommen auch Robben heran. Die Anstrengung lohnt immer. Essen und trinken kann man auf dem Schiff.
Besondere Orte für das Tauchen von Land aus
Nördlich vor dem Hafen Hasle entdecken wir nach Durchqueren der Hafeneinfahrt vor den Molen ab zehn Meter Tiefe eine wilde Grabenlandschaft mit Säulen und Torbögen am Meeresgrund. Hier hat die Ostsee instabile Schichten aus Kohle, Sandstein und Mergelschichten bizarr ausgespült. Zudem wurde einst von Hasle her Kanonenschießen trainiert, man kann noch runde, zehn bis 15 Zentimeter große Kanonenkugeln finden. In der Nähe von Hasle können die Binnenseen Safirsøen und Rubinsøen betaucht werden, die schöne Schilfzonen, Seerosenflächen, Krebsscherenwiesen und die üblichen Fischarten von Hecht über Forelle bis Plötze bieten. Dies kann auch als letzter und doch sehr schöner Tauchgang nach dem Ostsee-Tauchen zum Entsalzen des Equipments sinnvoll sein. Eine besondere Verbindung von Gastronomie und Tauchen bietet der Parkplatz der Allinge Røgeri: Man parkt bereits nah am Meer und hat eine Landschaft von flachen Klippen zwischen sich und dem Ufer. Dicht am Parkplatz ist ein deutlich erkennbarer Canyon von etwa zwei bis drei Meter Breite zu sehen, in dem man leicht bei bis zu vier Meter Tiefe das Klippengewirr durchschwimmen und hinaus in die Ostsee gelangen kann. Nach dem Tauchgang schmeckt es in der warmen Räucherei und Fischgaststätte doppelt so gut. Wer gern dicht am Ufer rasch 30 Meter Tiefe und mehr erreichen will, taucht vor Svenskehavn oder vom Campingplatz Svaneke-Hullehavn aus. Wenn der Tauchgang tiefer als zehn Meter ausfällt, steigt die Chance, Dorsche zu sehen. Vor Svenskehavn liegen zahlreiche, nicht näher bestimmbare Wrack-Trümmer.
Wrack- und Tec-Tauchen
Wer mit Doppelgerät oder Rebreather im Auto auch für anspruchsvolle Tauchgänge ausgerüstet ist, meldet sich am Anfang seines Aufenthalts telefonisch bei der Tauchbasis Diveline in Rønne an. Die Tauchbasis-Crew trailert ein Zodiac zu hinsichtlich Wind und Wetter geeigneten Häfen und veranstaltet raue Wracktauch-Ausfahrten für Gruppen von vier bis acht Tauchern. Ziele können sein: ein Zweimastsegler-Wrack vor Rønne (42 ms), der russische Holzfrachter Kononowo (38-56 m), das U-Boot-Wrack der Wiskeye Klasse vor Hasle (36 m), der chinesische Kunstdünger-Frachter Fu Shan Hai (48-70 m), das mit 225 Meter Länge größte betauchbare Wrack in Nordeuropa (fushanhai.dk). Die verbindliche Verabredung zum Wracktauchen erfolgt mit einer Vorwarnzeit unter 24 Stunden meist per SMS abends für den Folgetag.
Reiseinfo: Bornholm
Anreise
Über das deutsche Autobahnnetz und diverse Bundestraßen nach Neumukran auf Rügen, von hier 3,5 Stunden Fährüberfahrt nach Rønne auf die dänische Ostseeinsel Bornholm. Von der Inselhauptstadt Rønne wird auf der nur 30 x 40 Kilometer großen Insel jedes Quartier rasch erreicht. Fährüberfahrten in der Hochsaison sind begehrt und sollten möglichst schon zu Jahresanfang für den Sommer gebucht werden. Einzige Fährlinie ab Deutschland: bornholmslinjen.dk
Reisezeit
Wenn getaucht werden soll, empfiehlt sich ein Zeitraum zwischen Ostern (Wasser kalt, aber Laichzeit vieler Fischarten) und Oktober. Danach sind Herbststürme zu erwarten.

Tauchen rund um Bornholm
Das Revier eignet sich am besten für Liebhaber des nordischen Kaltwassertauchens, die ihre eigene Ausrüstung im Pkw mitführen und weitgehend selbständig von Land aus tauchen. Eine kommerzielle Tauchszene mit Tauchbasen in Hotels gibt es nicht. In der einzigen Tauchschule und Tauchbasis in Rønne (Divelink, www.diveline.dk) kann man Flaschen leihen oder füllen lassen, Kurse buchen, Tipps bekommen und an einzelnen, meist anspruchsvollen Wracktauch-Ausfahrten per Zodiac teilnehmen.
Unterkunfts-Tipps
Das meistgenutzte Modell sind Ferienwohnungen oder Ferienhäuser, die wochenweise und oft im Package mit den Fährüberfahrten gebucht werden. Zudem stehen auch gute Hotels und Campingplätze zur Auswahl.
Anbieter
www.teambornholm.de
www.bookbornholm.com
www.dancenter.de
www.novasol.de
Sightseeing-Tipps
Bischofsburg Hammershus als die größte Festungsruine nördlich der Alpen, besondere Felsformationen Jons Kapel, Kamelhalsfelsen und Helligdomsklippen, die alte Seefestung auf Christiansø und Frederiksø (www.christiansoe.dk), die Altstädte von Gudhjem und Svaneke, Glaskunstwerkstätten Baltic Sea Glass (www.balticseaglass.com) und Pernille Bülow, Sandskulpturenausstellung und Heimatmuseum Nexø (https://bornholm.info/de/nexoe-museum), die vier weltweit einzigartigen mittelalterlichen Rund- und Wehrkirchen, Bornholms Kunstmuseum (https://bornholm.info/de/bornholms-kunstmuseum), das Oluf Høst Museum (https://bornholm.info/de/oluf-hoest-museet).
